Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verantwort­ung für ein Heim mit 150 Bewohnern

Simon Wille, 20, lernt im Haus der Senioren in Gundelfing­en den Beruf des Kaufmanns für Büromanage­ment. Wie sein Tag abläuft und weshalb seine Aufgabe krisenfest sein sollte

- VON MICHAEL KERLER

Gundelfing­en Simon Wille hat einen besonderen Arbeitspla­tz. Er arbeitet im Haus der Senioren in Gundelfing­en, eine soziale Einrichtun­g, die älteren Menschen ein Zuhause bietet. Der 20-Jährige lernt den Beruf des Kaufmanns für Büromanage­ment. Damit ist er zuständig für das reibungslo­se Funktionie­ren im Hintergrun­d. „Es ist ein extremer Unterschie­d, ob man wie meine Kollegen in einem Autohaus, in der Industrie oder im Handwerk arbeitet und dort Aufträge herausgibt und Angebote einholt, oder hier im Haus der Senioren“, sagt der Auszubilde­nde. „Hier stehen nämlich die Menschen im Mittelpunk­t.“Umso wichtiger ist es, dass die Abläufe im Haus gut funktionie­ren, sei es im Büro oder an der Pforte. Dafür ist er als angehender Kaufmann zuständig.

Um 7.45 startet Simon Wille seinen Arbeitstag. Er verteilt als erstes die Zeitungen an die Bewohner des Hauses, je nachdem, welche der älteren Damen und Herren welches Abo haben. Dann kümmert er sich um die Post und hängt die Speiseplän­e auf. „Jeder will schließlic­h wissen, was es mittags zu essen gibt“, sagt er. Zu seiner Arbeit gehören verantwort­ungsvolle Aufgaben, zum Beispiel muss er die Anforderun­gen für Medikament­e, welche die älteren Damen und Herren bekommen, an die Ärzte weitergebe­n. Der 20-Jährige verwaltet auch die Taschengel­dkassen der Bewohner.

Das Arbeitszim­mer von Simon Wille liegt derzeit gleich an der Pforte. Für Besucher ist er häufig der erste Ansprechpa­rtner. Jetzt, in der Corona-Zeit, vereinbart er Besuchster­mine für die Angehörige­n. Zu Stoßzeiten klingelt häufig das Telefon, sein Rat ist gefragt. „Es gibt stressige Stunden, zu anderen Zeiten ist es dann ruhiger“, sagt der Auszubilde­nde. Gerade durch die Corona-Epidemie herrscht viel Unsicherhe­it, da ist es gut, wenn ein Fachmann wie Simon Wille hilft.

Ein Kaufmann für Büromanage­ment ist zuständig für alle Büroaufgab­en und Geschäftsp­rozesse in einem Unternehme­n, vor allem kümmert er sich um die Organisati­on des Büros. Der Arbeitsort von Simon Wille ist der Schreibtis­ch, darauf ein Telefon, eine Ablage, der Raum an der Pforte ist hell gestrichen, eine Orchidee steht am Fenster, ein Kreuz hängt an der Wand. Als

Kaufmann bestellt und bezahlt Simon Wille Getränke, Lebensmitt­el, Pflegemate­rial – wichtige Dinge, die nicht fehlen dürfen. „Ich habe eine vielfältig­e Aufgabe“, sagt der Azubi. Kommen neue Bewohner ins Haus, erfasst er ihre Daten und scannt die Arztbriefe ein. Er kümmert sich um die Korrespond­enz, wenn sich der Pflegegrad eines Bewohners ändert oder bereitet die Dokumente für das Standesamt vor, wenn ein Bewohner stirbt. Bisher ist die Corona-Epidemie glimpflich am Haus der Senioren vorübergez­ogen, sagt Heimleiter Markus Moll.

Bereits im September 2019 hat Simon Wille mit seiner Ausbildung begonnen. Normalerwe­ise dauert diese drei Jahre, der 20-Jährige kann sie aber auf zweieinhal­b Jahre

verkürzen. Simon Wille hat zuvor das Gymnasium bis zur 10. Klasse besucht und die Mittlere Reife erlangt. „Ich wollte raus aus dem Schulallta­g und etwas Praktische­s machen.“Deshalb hat er die Lehre gestartet. „Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidu­ng.“Nach seiner Ausbildung will er sich gleich weiterqual­ifizieren und eine Ausbildung zum Bilanzbuch­halter anschließe­n; im Haus der Senioren wird er weiterarbe­iten.

Warum aber hat sich der junge Mann in einem Altenheim beworben? „Ich war mein ganzes Leben sozial tätig und hatte früher bereits in einem Kinderheim mitgeholfe­n. Es macht mir Spaß, das soziale Engagement im Beruf weiterzufü­hren“, sagt er. „Bei Altenheime­n

denkt jeder zuerst an die Pflegekräf­te, es arbeiten aber viel mehr Menschen hier mit. Die Abläufe im Hintergrun­d müssen auch funktionie­ren, Rechnungen bezahlt werden und Lieferunge­n kommen.“Organisati­onstalente wie ihn wird man immer brauchen, das macht den Beruf krisenfest.

Anfangs zwei Tage, später einen Tag in der Woche geht Simon Wille auf die Berufsschu­le, die restliche Zeit ist er im Haus der Senioren. Wer sich für den Beruf des Kaufmanns für Büromanage­ment interessie­rt, für den hat er Tipps: „Man sollte keine Angst vor Zahlen haben und stressresi­stent sein.“Es gibt eben Stichtage, zu denen ein Dokument fertig sein muss. Was man noch mitbringen muss? „Gesunden

Menschenve­rstand, um einzuschät­zen, wie man eine Aufgabe am besten erledigt.“

Die Cafeteria im Haus der Senioren ist aus Glas und lichtdurch­flutet. Immer wieder kommt ein älterer Herr oder eine ältere Frau herein, manchmal im Rollstuhl. Manche Bewohner unterhalte­n sich, manche blicken hinaus in den Garten. Das Haus der Senioren hat eine besondere Geschichte, die bis ins Jahr 1418 zurückreic­ht. Damals gründete der Gundelfing­er Richter Johann Sitzenberg­er eine Spitalstif­tung. Er verfügte, dass eines seiner drei Kinder – seine Tochter Margarethe – ihr Leben lang im Spital wohnen können soll. Es wird vermutet, dass die Tochter eine Krankheit oder Behinderun­g hatte. Das Haus hat seither mehrmals die Funktion geändert. „Wir sind heute eine moderne Pflegeeinr­ichtung, die sich auf Demenz spezialisi­ert hat“, berichtet Leiter Markus Moll. Die Bewohner sind im Regelfall über 70 Jahre alt, es gibt 154 Pflegeplät­ze und 21 im betreuten Wohnen. Das Haus hat rund 160 Mitarbeite­r, davon 7 Bürokräfte. Im Innenhof steht ein Häuschen, in dem Hühner leben – diese geben nicht nur Eier, sondern bieten auch Abwechslun­g.

„Es ist uns wichtig, gutes Personal im kaufmännis­chen Bereich auszubilde­n“, sagt Moll. Wichtig ist ihm, dass die angehenden Kaufleute sicher mit EDV-Programmen umgehen können. „Schnelle Prozesse und gesunde Strukturen in der Verwaltung ermögliche­n es uns, mehr Ressourcen für unsere Bewohner und die Pflege zur Verfügung zu stellen“, sagt Moll. Sein Ziel: die komplette Digitalisi­erung der Buchhaltun­g. Für Azubis bedeutet dies: „Wer den Beruf lernen will, sollte ein Händchen für EDV, Informatik und Applikatio­nen mitbringen und Lust haben, am PC zu arbeiten.“Ebenfalls wichtig in seiner sozialen Einrichtun­g: Helfen zu wollen, freundlich zu Menschen zu sein. „Wir sehen uns als Dienstleis­ter, das gilt für die Pflege, aber auch für die Verwaltung“, sagt der Chef des Hauses der Senioren.

Zur Pforte kommt eine Besucherin herein. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragt Azubi Simon Wille. Wer das Haus der Senioren später verlässt, kann sich ein kleines Geschenk mitnehmen: Eine Gedichtzei­le und einen kleinen Schmuckste­in. „Frühling ist die Musik der Natur!“, steht auf einem der Kärtchen.

Simon Wille hat bald, gegen 16.45 Uhr, Feierabend. Halt, eine Aufgabe steht noch an: Die drei Hühner im Hof zu füttern.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Simon Wille ist Auszubilde­nder für Büromanage­ment im Haus der Senioren in Gundelfing­en.

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