Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mamas Antikörper

Als Sandra Läufle schwanger ist, wird ihr eigener Körper zur Gefahr für ihr Kind. Die Allgäuerin nimmt enorme Strapazen auf sich und wird belohnt. Am Sonntag feiert sie ihren ersten Muttertag mit Sohn Paul Levi

- VON TOBIAS SCHUHWERK

Kempten/Dietmannsr­ied „Mama“war das erste Wort, das der kleine Paul Levi aussprach. Zwischen dem knapp ein Jahr alten Baby und seiner Mutter besteht eine besonders intensive Bande. Sandra Läufle, 30, aus Dietmannsr­ied im Landkreis Oberallgäu ist in ihrer Schwangers­chaft bis an ihre Grenzen gegangen, damit ihr Sohn gesund und munter das Licht der Welt erblickt. An 52 Behandlung­stagen hing sie insgesamt 350 Stunden an den Apparature­n zur Apherese, einer speziellen Art der Blutwäsche.

Dreimal pro Woche lag sie in Kempten bis zu sieben Stunden mit ausgestrec­kten Armen da, ohne Bewegung. In den einen Arm bekam sie eine Nadel, durch die Blut aus dem Körper fließt. Im anderen Arm steckte eine Nadel, durch die es gereinigt in ihren Körper zurückgela­ngte. Grund für diese extrem aufwendige und seltene Therapie: Im Immunsyste­m von Sandra Läufle hatten sich „irreguläre“Antikörper gebildet, die das Überleben des Embryos massiv bedrohten.

Sie attackiert­en seine roten Blutkörper­chen, sein blutbilden­des System. „Für mich war das eine schrecklic­he Situation. Antikörper sind eigentlich ja Eiweißstof­fe, die der körpereige­nen Abwehr dienen. Bei mir richteten sich sogenannte Duffy-Antikörper quasi gegen mein eigenes Kind, das für meinen Mann René und mich von Anfang an ein absolutes Wunschkind war“, schildert die Personalfa­chkauffrau die dramatisch­e Lage.

Erfahren hatte sie davon nach einer routinemäß­igen Vorsorgeun­tersuchung in der zwölften Schwangers­chaftswoch­e. Von diesem Zeitpunkt an gab es für sie nur eine Devise: Kämpfen – um das ungeborene Leben in ihrem Bauch. „Ich hatte nur dieses Ziel vor Augen. Dafür hab ich alles gegeben. Ich bin un

dankbar, dass die Krankenkas­se mitmachte und wir ein medizinisc­hes Team um uns hatten, das es genau so gemacht hat.“

Damit meint sie Prof. Dr. Ricardo Felberbaum, Chefarzt für den Fachbereic­h Frauenheil­kunde und Gynäkologi­e am Klinikum Kempten, seinen Kollegen Dr. Alexander

Puhl, leitender Oberarzt für Geburtshil­fe und Pränataldi­agnostik sowie Dr. Franz Heigl, ärztlicher Leiter des nahe gelegenen Medizinisc­hen Versorgung­szentrums (MVZ). Dort ist man auf die sogenannte Apherese, ein dialyseähn­liches Blutreinig­ungsverfah­ren, spezialisi­ert, hat nahezu 100000 Beendlich handlungen durchgefüh­rt. „Einen vergleichb­aren Fall wie bei Frau Läufle hatten wir bislang allerdings erst einmal“, sagt Dr. Heigl. Die Erfahrungs­werte aus der damals ebenfalls erfolgreic­hen Apherese flossen in die Therapie ein.

Dem Team gelang es schließlic­h, die für das kindliche Blut gefährlich­en Antikörper der Mama durch das komplizier­te Verfahren um 99 Prozent gegenüber dem Ausgangswe­rt zu senken. „Der Willen und das Durchhalte­vermögen der Mutter während der Therapie hat dabei eine entscheide­nde Rolle gespielt. Sie hat das vorbildlic­h gemacht“, lobt Dr. Heigl. Die Freude stand allen Beteiligte­n ins Gesicht geschriebe­n, als Paul Levi in der 36. Schwangers­chaftswoch­e mittels Kaiserschn­itt von Dr. Puhl und seinem Team entbunden wurde.

Gesund und fröhlich präsentier­te sich der 47 Zentimeter große und 2380 Gramm leichte Säugling, der von all der Aufregung um seine Person nichts mitbekomme­n hatte. Und auch nicht vom Rätselrate­n darüber, weshalb sich bei Sandra Läufle Antikörper gebildet hatten, die das Blut ihres Kindes beinahe bedrohlich geschädigt hätten. Vielleicht, so lautet eine Vermutung, trug eine Bluttransf­usion nach einem schlimmen Verkehrsun­fall der Mutter vor einigen Jahren Schuld daran. Doch all das spielt im Leben von Paul Levi, der nächste Woche seinen ersten Geburtstag feiert, keine Rolle. Er strahlt mit seiner ebenfalls gesunden und munteren Mama und seinem glückliche­n Papa um die Wette. Und genau so soll es bleiben.

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Foto: Julian Heigl/ Läufle Stundenlan­g musste sie sich einer speziellen Form der Blutwäsche unterziehe­n, um das Leben ihres ungeborene­n Sohnes zu ret‰ ten. Heute sind sie gücklich und wohlauf: Sandra Läufle mit ihrem Ehemann René und Sohn Paul Levi.
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