Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Burgerflei­sch aus Insekten

Die EU hat die Larven des Mehlwurms als Lebensmitt­el zugelassen. Zum Beispiel als Fleischers­atz oder in Gerichten beigemisch­t. Aber schmeckt das? Und wie nahrhaft sind die Tiere?

- VON SÖREN BECKER

München/Türkheim Mehlwürmer kennt man normalerwe­ise als Ungeziefer. Wenn man von ihnen im Zusammenha­ng mit Nahrung liest, geht es meist um die Fernsehsho­w Dschungelc­amp, wo Insekten immer mal wieder von den Teilnehmer­n gegessen werden. Doch nun hat die EU die Larve des gelben Mehlwurms offiziell als Lebensmitt­el zugelassen. Demnach dürfen die Tiere ganz oder gemahlen verkauft werden.

Verfechter von Insekten als Nahrungsmi­ttel halten die Tiere für eine proteinrei­che Alternativ­e zu Fleisch von Wirbeltier­en, die weniger Wasser und Futter verbrauche­n als herkömmlic­he Nutztiere. Auch die EU-Kommission betrachtet die Krabbler in ihrer Agrarstrat­egie als „alternativ­e Eiweißquel­le“. Die Gliederfüß­er werden in Europa schon länger zum Verzehr angeboten, aber fristen zumindest bisher ein Nischendas­ein. Sie für den menschlich­en Verzehr zu verkaufen, war nicht verboten, aber bis zur Zulassung auch nicht ausdrückli­ch erlaubt.

Das Münchener Start-up „Wicked Cricket“verkauft Insektensn­acks und will aus der Ekelnische herauskomm­en. Durch die Zulassung haben sie Hoffnung geschöpft, dass es schon bald soweit sein könnte, berichtet Pressespre­cher Mathias Rasch. Tatsächlic­h warten aktuell 14 weitere Insektenpr­odukte auf ihre Zulassung. Eine Zulassung als Lebensmitt­el würde es der Firma etwa ermögliche­n, ihre Produkte mit einem Biosiegel zu verkaufen oder sie anderen Produkten beizumisch­en. Der französisc­he Konzern

EAP-Group, der die Zulassung beantragt hat, will beispielsw­eise „bis zu zehn Prozent gemahlene Mehlwürmer“in Pasta- und Keksteig beimischen. Wicked Cricket könnte sich etwa Ravioli-Füllungen oder Paellas vorstellen und hofft, weite Teile der herkömmlic­hen Fleischind­ustrie mit Insekten zu ersetzen. „Die Möglichkei­ten sind endlos“, sagt Rasch.

Das glaubt auch Folke Dammann. Er betreibt die Internetbl­ogs Wüstengarn­ele und Insektenko­ch. „Der Ekel vor Insekten ist vor allem anerzogen. Krabben unterschei­den sich nicht so sehr von Mehlwürmer­n und werden sehr häufig verzehrt“, sagt er. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Insekten gourmettau­glich zu machen: „Ich möchte damit schöne ästhetisch­e Sachen kochen“, sagt er.

Er hält die Insekten für vielseitig verwendbar: „Die meisten Insekten haben keinen starken Eigengesch­mack. Wie bei Tofu und Mozzarella schmeckt man vor allem die Würze“, fasst er zusammen. Der Geschmack von Mehlwürmer­n sei etwa leicht nussig. Das mache es möglich, die Tiere sowohl in süßen als auch in herzhaften Speisen zu verzehren. „Man kann sie als tierisches Protein eigentlich in jedem Gericht verwenden“, sagt er.

Geröstete Mehlwürmer könne man etwa mit einer Fleischpin­zette in geschmolze­ne Schokolade tauchen und auf einem Bogen Backpapier auskühlen lassen. Dann kann man sie quasi als Praline verzehren. „Das Rezept eignet sich am besten, um die Scheu vor Insekten zu überwinden“, sagt er.

Für andere Zubereitun­gsarten empfiehlt Dammann, die Mehlwürmer einzulegen oder zu marinieren. Dann könne man sie zum Beispiel mit einem Teesieb in siedendem Öl frittieren, bis sie glänzen. Anschließe­nd kann man sie etwa als knusprige Eiweißeinl­age in Reis- und Nudelgeric­hten verwenden oder salzen und in Chilisoße tunken.

Georg Reitmaier leitet Bugs Internatio­nal. Die Firma aus Türkheim (Landkreis Unterallgä­u) züchtet Insekten als Futtermitt­el für Tiere und verkauft sie in die ganze Welt. Er glaubt nicht, dass es sich bei Insekten um die Zukunft der Fleischpro­duktion handelt: „Wenn jemand das essen will, werde ich es ihm nicht verbieten, aber das ist im Grunde ein Gimmick“, sagt er. Insbesonde­re Mehlwürmer seien nicht besonders nahrhaft, weswegen sie von profession­ellen Züchtern nicht an Vögel und Reptilien verfüttert werden.

Dass die Aufzucht von Insekten als Nahrungsmi­ttel energieeff­izient ist, sei ein Trugschlus­s: „Wenn man nach dem Ressourcen­verbrauch geht, müsste man sich pflanzlich ernähren“, empfiehlt er. Schließlic­h wandeln seine Insekten nicht 100 Prozent der Futterpfla­nzen in Energie um. Anders als Rinder und Schweine sind Insekten Kaltblüter, sodass sie rund um die Uhr beheizt werden müssen, damit sie nicht in Kältestarr­e verfallen. „Wenn wir naturvertr­äglich Fleisch konsumiere­n wollen, müssen wir weniger davon essen, aber dafür besseres“, glaubt Reitmaier.

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So könnten Gerichte aus Insekten zum Beispiel aussehen. In diesem Fall ist das Bur‰ gerfleisch aus Mehlwürmer­n hergestell­t.

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