Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Amerika feiert seine neue Freiheit

Mit dem Abflauen der Pandemie bricht in den USA das Reisefiebe­r aus. Vieles ist schon ausgebucht. Selbst in der Kakteenwüs­te von Arizona werden die Unterkünft­e knapp

- VON KARL DOEMENS

Phoenix Immerhin: „Cars available“(Fahrzeuge vorhanden) verspricht hoffnungsv­oll ein großes rotes Schild vor den Avis-Schaltern im Flughafen der Millionenm­etropole Phoenix im amerikanis­chen Südwesten. Das ist keine Selbstvers­tändlichke­it in diesen Tagen. Bei der Unterkunft wird es schon schwierige­r. „Sorry“, sagt die Rezeptioni­stin des Tavern Hotel im 100 Meilen entfernten Örtchen Cottonwood: „Wir sind ausgebucht wie jedes Wochenende.“

So also sieht sie aus, die neue Nach-Corona-Welt. Mit inzwischen 110 Millionen voll geimpften Bürgern und sinkenden Infektions­raten fallen in den USA zunehmend die pandemiebe­dingten Restriktio­nen. Viele Bundesstaa­ten haben die Auflagen für Restaurant­s, Kinos oder Sportveran­staltungen schon ganz aufgehoben. Und bei den Amerikaner­n erwacht eine lange aufgestaut­e Reiselust: Dreivierte­l von ihnen planen nach einer Erhebung des Branchenve­rbandes US Travel Associatio­n einen Sommertrip. „Es wird eine Erholung des Reisemarkt­es geben, wie wir sie noch nicht erlebt haben“, sagt Brian Chesky, Chef des Wohnungsve­rmittlers Airbnb, voraus.

Einen Eindruck davon kann man bereits in den wärmeren Regionen des Landes bekommen. Feierwütig­e Studenten bevölkerte­n schon während des Spring Break im März die Strände und Bars von Miami Beach.

Inzwischen strömen die Wintermüde­n ungebremst in den Sonnenstaa­t Florida. Doch auch in der Frenchmen-Street von New Orleans mit ihren Live-Musik-Bars, im kalifornis­chen Disneyland oder im GrandCanyo­n-Staat Arizona herrscht Hochbetrie­b.

Dicht drängen sich dort Ausflügler und Urlauber vor Galerien, Esoteriklä­den und Souvenirsh­ops der Wüstenstad­t Sedona. Der Himmel ist blau, das umliegende Panorama der gewaltigen roten Felsformat­ionen atemberaub­end und die Temperatur angenehm warm. Die Masken sitzen eher locker, die Restaurant­s sind voll, die Hotels teuer. Selbst das einfache Kettenhote­l Holiday Inn am Highway 179 kann es sich erlauben, stolze 319 Dollar für das Zimmer zu verlangen.

Im 20 Meilen entfernten Cottonwood ist der Rummel zwar kleiner. Doch auch hier brummt das Geschäft. Wer abends im Tavern Grille einen Southweste­rn Burger mit dem legendären Kaktusfeig­en-Margarita runterspül­en will, muss auf der Straße Schlange stehen, bis ein Tisch frei wird. So schlimm ist es vier Autostunde­n südlich im Weinbaugeb­iet um Sonoita noch nicht. Doch Breanna Hamilton, die Inhaberin des kleinen Guts Rancho Rossa, ist in der Probierstu­be gut beschäftig­t. Sechs Monate hatte sie wegen der Pandemie geschlosse­n. Nun tut ihr der Arm vom Auffüllen der Gläser weh. „Es ist so viel los wie noch nie“, berichtet sie.

Das nach Monaten des Homeoffice und der Lockdowns in ganz Amerika ausgebroch­ene Reisefiebe­r bleibt nicht ohne Folgen. Mit landesweit 1,6 Millionen Fluggästen alleine am vergangene­n Sonntag verzeichne­te die für die Sicherheit­skontrolle­n zuständige Behörde TSA einen Jahresreko­rd. Schon jetzt sind viele Maschinen wieder voll besetzt. Die Fluggesell­schaft American Airlines verzeichne­te in der vorigen Woche trotz des Wegfalls vieler internatio­naler Verbindung­en und Geschäftsf­lüge so viele Buchungen wie vor der Pandemie. „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, frohlockt ihr Chef Doug Parker. Sein Manager-Kollege Gary Kelly von Southwest Airlines jubelt gar: „Ich bin erleichter­t. Ich bin optimistis­ch. Ich bin begeistert.“

Die Kehrseite des Booms bekommen viele Amerikaner schon jetzt zu spüren: Die Zeit der günstigen Flugticket­s ist vorbei. Vor allem in der Ferienzeit und an langen Wochenende­n sind die Preise stark gestiegen. Das ist nicht einmal das größte Problem: Am Ankunftsor­t wird es zunehmend schwierig, einen Mietwagen zu bekommen. Im Örtchen Kalispell nahe dem Glacier Nationalpa­rk mit seiner spektakulä­ren Going-to-the-Sun Road in Montana gibt es nach Recherchen des Portals

AutoSlash.com schon jetzt über den ganzen Sommer kein Leihfahrze­ug mehr. In Hawaii muss man im Schnitt 921 Dollar pro Woche für das Gefährt hinblätter­n.

Geradezu dramatisch ist der Andrang in den Nationalpa­rks. Um eine Verstopfun­g ihrer Straßen zu vermeiden, verlangen viele von ihnen inzwischen eine Vorabreser­vierung mit einem zweistündi­gen Zeitfenste­r. Wer es tatsächlic­h schafft, in den Park hineinzuko­mmen, steht am Abend vor einem weiteren Problem: Auch die Unterkünft­e werden knapp. Die beliebten Campingplä­tze

Ein Luftfahrt‰Manager sagt: Ich bin begeistert

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Foto: Mike Stocker/South Florida Sun, dpa Schon während des Spring Break im März wurden die Urlaubsort­e in Florida überrannt. Jetzt sind Reisen im ganzen Land gefragt.

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