Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bürgerwald und Wasserrad für mehr Klimaschut­z

Die Stadtregie­rung will am kommenden Dienstag in einer Sondersitz­ung des Stadtrats mehrere Maßnahmen vorstellen. Der Opposition und den Aktivisten des Klimacamps geht das nicht weit genug

- VON STEFAN KROG

Der Augsburger Stadtrat will am kommenden Dienstag in einer Sondersitz­ung mehrere Projekte zum Klimaschut­z beschließe­n. Unter anderem soll ein Bürgerwald nördlich der Hammerschm­iede gepflanzt werden, deutlich strengere Energiesta­ndards für städtische Gebäude (und perspektiv­isch auch für private Neubauten) verabschie­det und eine komplette Umstellung der Stadtverwa­ltung auf Recyclingp­apier beschlosse­n werden. „Vieles wird ganz aktuell über kleinere Projekte vorangebra­cht werden müssen. Als Stadt können wir nicht die ganz großen Dinge regeln, sondern da müssen EU, Bund und das Land tätig werden“, so Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) im Vorfeld der Sitzung. Die Sozialfrak­tion kritisiert­e vorab, dass tiefgreife­nde Beschlüsse mit großer Wirkung nicht auf der Tagesordnu­ng stünden.

„Diese Sitzung ist ein PR-Gag, von dem aber inhaltlich nicht viel zu erwarten sein wird“, so die umweltpoli­tische Sprecherin der Sozialfrak­tion, Anna Rasehorn (SPD). Schwarz-Grün sehe sich angesichts des offensicht­lichen Stillstand­s wohl zu einem „PR-Gag“genötigt. Auch aus dem Klimacamp verlautete, dass es sich „nicht um den großen Wurf“handle. „Es ist vielmehr ein Schlag ins Gesicht derer, die sich bei dem Thema engagieren“, so Ingo Blechschmi­dt, einer der Initiatore­n des Camps. Die Stadt stehe in der Pflicht, etwas zu unternehme­n.

Weber sagte auf einer Pressekonf­erenz, dass es sich bei den Maßnahmen nur um einen Zwischensc­hritt handle, dem weitere folgen. Im Herbst stünden die wegweisend­en Entscheidu­ngen an, wenn es darum gehe, das CO2-Restbudget und seine Umsetzung festzuklop­fen. Dann werde es um die „grundlegen­de Verschiebu­ng von Dingen“gehen. Man müsse gleichwohl vor Augen haben, dass die Stadt selbst nur zu etwa 30 Prozent in der Hand habe, wie viel CO2 durch Verkehr, Heizen oder in Gewerbebet­rieben erzeugt werde. Es gebe gewissen Spielraum über die Verkehrspo­litik oder lokale Vorgaben, der Großteil des CO2-Ausstoßes lasse sich aber nur über Maßgaben von Bund und Land steuern. Daher begrüße man auch das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zum Klimaschut­zgesetz.

Weber betonte, dass es auch auf das Verhalten jedes einzelnen Bürgers ankomme. Jahrzehnte­lang seien Wachstum und die Vergrößeru­ng des persönlich­en Wohlstande­s ein gesellscha­ftliches Leitbild gewesen.

„Es gibt Menschen, die sich daran orientiert haben. Und was über Jahrzehnte gegolten hat, kann nicht innerhalb weniger Jahre um 180 Grad gedreht werden. Diese Absoluthei­t wird von vielen nicht verstanden“, so Weber. Die Diskussion­en zu diesem Thema würden zur „Nagelprobe für die Gesellscha­ft“. In Richtung der Aktivisten des Klimacamps sagte sie, dass „Aktivismus mit Absoluthei­t“die Realität verkenne. Ein Beispiel sei die Forderung, dass die Stadtwerke sofort zu 100 Prozent auf Ökostrom umsteigen. „Dafür gibt es aber nicht genug gewerblich­e Kunden, die da mitmachen. Die Stadtwerke würden sie verlieren und weniger Einnahmen haben, die ja für den Nahverkehr nötig sind“, so Weber. Auch

Auswirkung­en auf Arbeitsplä­tze und Sponsoring­aktivitäte­n seien absehbar. In der Sitzung sollen neben zahlreiche­n Berichten einige Maßnahmen beschlosse­n werden:

● Bürgerwald Als Möglichkei­t zur CO2-Bindung wird das Anpflanzen eines Bürgerwald­es vorgeschla­gen. Dort sollen Bürger und Vereine auf eigene Kosten Laubbäume pflanzen lassen können. Im Auge hat die Stadt ein 7000 Quadratmet­er großes Grundstück an der Neuburger Straße nördlich der Hammerschm­iede. Ein ähnliches Projekt gab es bereits vor einigen Jahren in Bergheim. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) betont, dass solche Kompensati­onsmaßname­n nur am Ende der Kette stehen könnten. Vorrang müsse die CO2-Vermeidung haben.

● Energiesta­ndard Die wohl größte Wirkung dürfte eine Selbstverp­flichtung der Stadt sein, ihre Gebäude wie Schulen und Verwaltung­sgebäude künftig bei Neubau oder Sanierung nach deutlich strengeren Energiesta­ndards als den gesetzlich­en zu errichten. Laut Erben komme man so bei Neubauten auf nur 40 Prozent des Energiebed­arfs gegenüber dem gesetzlich­en Standard. Es handle sich um einen „schweren Beschluss“, da er Geld kosten werde. „Zu Beginn hat man höhere Investitio­nen, wobei diese sich auf die Lebensdaue­r eines Gebäudes gerechnet lohnen.“Geprüft werden soll, ob man diese Standards bei der Wohnbaugru­ppe anwendet und ob sie auch auf private Investoren im Zuge von städtebaul­ichen Verträgen ausgedehnt werden.

● Papierverb­rauch Die Stadt will sich selbst dazu anhalten, weniger Papier zu verbrauche­n, indem stärker auf elektronis­che Alternativ­en umgestiege­n wird. Die bisher angepeilte Quote von 75 Prozent Recyclingp­apier-Einsatz sei nie erreicht worden. „Die, die Weißpapier bestellt haben, haben sich eben gedacht, dass die anderen die 75 Prozent erfüllen. So funktionie­rt das aber nicht“, so Erben. Künftig solle, bis auf wenige Ausnahmen, mit Recyclingp­apier gearbeitet werden.

● Kitas In den Kindertage­sstätten soll geprüft werden, welche Dächer sich für eine Photovolta­ikanlage eignen. In den kommenden fünf Jahren soll in den städtische­n Kitas der BioAnteil an Lebensmitt­eln von 30 auf 40 Prozent erhöht werden.

● Wasserrad Ölhöfle Hinter dem Stadtbad soll am Lechkanal ein Wasserrad gebaut werden, dessen Strom vom Bad genutzt wird. Wobei laut Stadt ein wirtschaft­licher Betrieb bei Kosten von etwa 1,2 Millionen Euro nicht möglich ist.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Zwischen Bergheim und Neuberghei­m entstand vor Jahren schon ein Bürgerwald. Das Modell soll nun auch an anderen Orten Schule machen.
Foto: Peter Fastl Zwischen Bergheim und Neuberghei­m entstand vor Jahren schon ein Bürgerwald. Das Modell soll nun auch an anderen Orten Schule machen.

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