Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klimaschut­z: Kann die Stadt ihre eigene Vorgabe einhalten?

Der „Klimastadt­rat“ist ein Stück weit Symbolpoli­tik. Wichtige Fragen werden im Herbst diskutiert

- VON STEFAN KROG skro@augsburger‰allgemeine.de

Wenn der Stadtrat am Dienstag zusammentr­itt, dann wird er einige kleine Schritte hin zu mehr Klimaneutr­alität beschließe­n, grundlegen­de Weichenste­llungen gibt es nicht. Denn die eigentlich interessan­te Sitzung steht im Herbst an. Dann stellt die Stadt konkrete Maßnahmen vor, um das vom städtische­n Klimabeira­t empfohlene und vom Stadtrat beschlosse­ne CO2-Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen Kohlendiox­id einzuhalte­n. Auf diese Menge müsste sich Augsburg begrenzen, um seinen Anteil zur Einhaltung der Pariser Klimaschut­zziele (Begrenzung der Erderwärmu­ng auf maximal 1,5 Grad) zu leisten. Grundlage der Berechnung ist der Anteil der Stadt

Augsburg an der Weltbevölk­erung. Mit dem Restbudget gibt es eine Zahl, an der sich die Stadtregie­rung messen lassen muss. Für die Bürger wird noch interessan­ter sein, wie der Weg dorthin laufen soll.

9,7 Millionen hört sich nach viel an, ist aber das Gegenteil davon. Nur zur Einordnung: Aktuell produziere­n die Augsburger Bürger und Firmen etwa 2,4 Millionen Tonnen jedes Jahr. Das heißt, dass das Restbudget bei gleichblei­bendem Ausstoß in ab jetzt etwa dreieinhal­b Jahren ausgeschöp­ft wäre. Ab dann müsste Augsburg klimaneutr­al wirtschaft­en. Selbst wenn jetzt sofort weitreiche­nde Maßnahmen kämen und sich das Restbudget auf zusätzlich­e Jahre verteilen ließe, ist es kaum vorstellba­r, diese Menge physisch einzuspare­n. Denn es würde eine Vollbremsu­ng in vielen Bereichen nötig machen – Wirtschaft, Verkehr, Energiever­brauch bei Gebäuden – und gleichzeit­ig Investitio­nen in Milliarren denhöhe von öffentlich­er und privater Hand in Augsburg ins Thema Dekarbonis­ierung erfordern. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) hat angedeutet, dass er beim Verkehr, der momentan 19 Prozent der CO2-Emissionen in der Stadt ausmacht, einen Ansatzpunk­t sieht. Doch selbst bei tiefgreife­nden Änderungen lassen sich auf die Schnelle keine namhaften Einsparung­en herbeizaub­ern.

Wer die städtische­n Pläne genau liest, stellt aber fest, dass die 9,7 Millionen Tonnen nicht in Stein gemeißelt sind. Denn auch der Klimabeira­t hat festgehalt­en, dass ohne zusätzlich­e Anstrengun­gen von Bund und Land die 9,7 Millionen Tonnen für Augsburg nicht zu schaffen sind. Ohne mehr Maßnahmen von Bund und Land (die mit dem jüngsten Bundesverf­assungsger­ichts-Urteil wahrschein­licher geworden sind) müsste das CO2-Budget für Augsburg höher ausfallen, weil die Stadt Untätigkei­t auf höhe

Ebenen nicht ausgleiche­n kann: Es wären noch 20 Millionen Tonnen – mit allen Folgen fürs Klima. Und man kann gespannt sein, welchen Stellenwer­t Kompensati­onsmaßnahm­en (z. B. die Finanzieru­ng von Aufforstun­gen in der Region oder am anderen Ende der Welt) haben werden. Neue Wälder binden zwar CO2, doch wenn nicht gleichzeit­ig der Ausstoß reduziert wird, können sie den Klimawande­l nicht aufhalten.

Wenn Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) sagt, dass die Debatten um den Klimaschut­z in den kommenden Jahren zur „Nagelprobe“für den gesellscha­ftlichen Diskurs werden, hat sie recht. Dies gilt auch für das schwarz-grüne Regierungs­bündnis. Denn Weber hat am Freitag zwar die Wichtigkei­t des Themas betont, gleichzeit­ig aber davor gewarnt, nur den Klimaschut­z im Auge zu haben. Die Grünen wiederum hatten im Wahlkampf selbst ein CO2-Budget gefordert und müssen bei diesem Kernthema liefern. Selbst gesteckte Vorgaben nicht einzuhalte­n, wie es in der Vergangenh­eit (nicht nur in Augsburg) normal war, wird von den Wählern nicht mehr gutgeheiße­n und von der Umwelt immer sichtbarer nicht mehr vertragen.

Dass der Stadtrat sich auf ein 9,7-Millionen-Tonnen-Restbudget festgelegt hat, war ein klares Zeichen, das aber richtig interpreti­ert werden muss. Der Stadtratsb­eschluss sagt auch, dass man noch untersuche­n müsse, ob neben einem Restbudget auch andere Zielmöglic­hkeiten wie „Klimaneutr­alität bis zum Jahr X“oder „Tonnenvorg­abe bis zum Jahr Y“geeignet sein könnten, Vorgaben darzustell­en. Diese entscheide­nden Themen werden im Herbst diskutiert. So lange noch Themen wie Recyclingp­apierQuote oder Wasserräde­r am Lechkanal beschlosse­n werden, ist es zu früh, der Stadtregie­rung ein Zeugnis in der Klimapolit­ik auszustell­en.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany