Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Klimaschutz: Kann die Stadt ihre eigene Vorgabe einhalten?
Der „Klimastadtrat“ist ein Stück weit Symbolpolitik. Wichtige Fragen werden im Herbst diskutiert
Wenn der Stadtrat am Dienstag zusammentritt, dann wird er einige kleine Schritte hin zu mehr Klimaneutralität beschließen, grundlegende Weichenstellungen gibt es nicht. Denn die eigentlich interessante Sitzung steht im Herbst an. Dann stellt die Stadt konkrete Maßnahmen vor, um das vom städtischen Klimabeirat empfohlene und vom Stadtrat beschlossene CO2-Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid einzuhalten. Auf diese Menge müsste sich Augsburg begrenzen, um seinen Anteil zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele (Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad) zu leisten. Grundlage der Berechnung ist der Anteil der Stadt
Augsburg an der Weltbevölkerung. Mit dem Restbudget gibt es eine Zahl, an der sich die Stadtregierung messen lassen muss. Für die Bürger wird noch interessanter sein, wie der Weg dorthin laufen soll.
9,7 Millionen hört sich nach viel an, ist aber das Gegenteil davon. Nur zur Einordnung: Aktuell produzieren die Augsburger Bürger und Firmen etwa 2,4 Millionen Tonnen jedes Jahr. Das heißt, dass das Restbudget bei gleichbleibendem Ausstoß in ab jetzt etwa dreieinhalb Jahren ausgeschöpft wäre. Ab dann müsste Augsburg klimaneutral wirtschaften. Selbst wenn jetzt sofort weitreichende Maßnahmen kämen und sich das Restbudget auf zusätzliche Jahre verteilen ließe, ist es kaum vorstellbar, diese Menge physisch einzusparen. Denn es würde eine Vollbremsung in vielen Bereichen nötig machen – Wirtschaft, Verkehr, Energieverbrauch bei Gebäuden – und gleichzeitig Investitionen in Milliarren denhöhe von öffentlicher und privater Hand in Augsburg ins Thema Dekarbonisierung erfordern. Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) hat angedeutet, dass er beim Verkehr, der momentan 19 Prozent der CO2-Emissionen in der Stadt ausmacht, einen Ansatzpunkt sieht. Doch selbst bei tiefgreifenden Änderungen lassen sich auf die Schnelle keine namhaften Einsparungen herbeizaubern.
Wer die städtischen Pläne genau liest, stellt aber fest, dass die 9,7 Millionen Tonnen nicht in Stein gemeißelt sind. Denn auch der Klimabeirat hat festgehalten, dass ohne zusätzliche Anstrengungen von Bund und Land die 9,7 Millionen Tonnen für Augsburg nicht zu schaffen sind. Ohne mehr Maßnahmen von Bund und Land (die mit dem jüngsten Bundesverfassungsgerichts-Urteil wahrscheinlicher geworden sind) müsste das CO2-Budget für Augsburg höher ausfallen, weil die Stadt Untätigkeit auf höhe
Ebenen nicht ausgleichen kann: Es wären noch 20 Millionen Tonnen – mit allen Folgen fürs Klima. Und man kann gespannt sein, welchen Stellenwert Kompensationsmaßnahmen (z. B. die Finanzierung von Aufforstungen in der Region oder am anderen Ende der Welt) haben werden. Neue Wälder binden zwar CO2, doch wenn nicht gleichzeitig der Ausstoß reduziert wird, können sie den Klimawandel nicht aufhalten.
Wenn Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) sagt, dass die Debatten um den Klimaschutz in den kommenden Jahren zur „Nagelprobe“für den gesellschaftlichen Diskurs werden, hat sie recht. Dies gilt auch für das schwarz-grüne Regierungsbündnis. Denn Weber hat am Freitag zwar die Wichtigkeit des Themas betont, gleichzeitig aber davor gewarnt, nur den Klimaschutz im Auge zu haben. Die Grünen wiederum hatten im Wahlkampf selbst ein CO2-Budget gefordert und müssen bei diesem Kernthema liefern. Selbst gesteckte Vorgaben nicht einzuhalten, wie es in der Vergangenheit (nicht nur in Augsburg) normal war, wird von den Wählern nicht mehr gutgeheißen und von der Umwelt immer sichtbarer nicht mehr vertragen.
Dass der Stadtrat sich auf ein 9,7-Millionen-Tonnen-Restbudget festgelegt hat, war ein klares Zeichen, das aber richtig interpretiert werden muss. Der Stadtratsbeschluss sagt auch, dass man noch untersuchen müsse, ob neben einem Restbudget auch andere Zielmöglichkeiten wie „Klimaneutralität bis zum Jahr X“oder „Tonnenvorgabe bis zum Jahr Y“geeignet sein könnten, Vorgaben darzustellen. Diese entscheidenden Themen werden im Herbst diskutiert. So lange noch Themen wie RecyclingpapierQuote oder Wasserräder am Lechkanal beschlossen werden, ist es zu früh, der Stadtregierung ein Zeugnis in der Klimapolitik auszustellen.