Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mutter mit 14: Eine Frau erzählt ihre Geschichte

Kimberly B. war selbst noch ein Kind, als sie schwanger wurde. Ihr Umfeld, sagt sie, sei damals „geschockt“gewesen. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in einer eigenen Wohnung in Augsburg. Wie sie das geschafft hat

- VON SILVIA KÄMPF

Kimberly B. war selbst noch ein Kind, als sie schwanger wurde. „Alle waren geschockt“, beschreibt sie die Reaktionen in ihrem Umfeld, als sie ihre Schwangers­chaft im Alter von 13 Jahren öffentlich machte. Die Konsequenz­en waren nicht weniger schmerzhaf­t. Zwar habe sie ihren Freundeskr­eis „immer klein gehalten“, aber nach dieser Nachricht „haben sich alle abgewandt“. Von den Eltern der Klassenkam­eraden sei sie „als schlechter Umgang“tituliert worden. Nur ihre Mutter, die mit 32 Jahren die Aussicht hatte, Oma zu werden, habe zu ihr gestanden und gesagt: „Wir schaffen das.“Töchterche­n Mia Lena, die am Freitag ihren fünften Geburtstag feierte, nennt die heute 19-Jährige trotz oder gerade wegen dieser Erfahrunge­n „mein Ein und Alles“. In einer Augsburger Einrichtun­g bekam die junge Mutter Hilfe. Und durch ihre Tochter, sagt Kimberly B., habe sie die Vernunft entdeckt.

„An Selbstbewu­sstsein fehlt es Mia nicht“, sagt Kimberly, die ihre Tochter jetzt schon als „starke Persönlich­keit“bezeichnet. Hätte sie dieses blonde Wesen nicht an ihrer Seite gehabt, sie wäre mit Sicherheit „abgestürzt“, sagt die junge Mutter, die früh angefangen hat, „Mist zu bauen“, und sogar von zu Hause abhauen wollte. Als sie selbst begann, sich um ihre Möglichkei­ten zu kümmern und zu recherchie­ren, wusste sie, „dass es schwer wird“mit einem Baby. Aber sie riss sich zusammen.

Kimberly B. war 14, als sie ihre Tochter zur Welt brachte. In der Mutter-Kind-Einrichtun­g des SOSKinderd­orfs im Augsburger Stadtteil Hochfeld wurde Kimberly betreut und erarbeitet­e sich dabei im „Rekordtemp­o“neue Freiheiten. So zumindest schildert die Sozialpäda­gogin Christine Beck ihren Schützling, den sie außerdem als „sehr reflektier­t“und „organisier­t“beschreibt. Beim Einzug begann es mit einem engen Strukturra­hmen für die junge Mutter, dann folgte eine Phase mit mehr Selbststän­digkeit und Eigenveran­twortung, bevor sie in eine externe Wohnung in der Nähe des Haupthause­s wechseln durfte. Inzwischen lebt sie mit ihrem Kind in einer eigenen Wohnung im Herrenbach, absolviert eine Ausbildung in der Berufsfach­schule zur Assistenti­n für Ernährung und Versorgung – und strebt ein Berufslebe­n als Tagesmutte­r an. Weil sie selbst schon schlechte Erfahrunge­n mit einer Tagesmutte­r gemacht habe, möchte sie es in dieser Funktion besser machen.

„Mia war immer bei mir“, sagt Kimberly, „und ist immer bei mir geblieben.“Von Anfang an habe sie das Jugendamt mit dabeihaben wollen und sich auch das sogenannte Familienbe­tt von niemandem ausreden lassen. In diesem Bett, das sie die ersten Jahre mit ihrer Tochter teilte, intensivie­rte sich eine starke Nähe und Bindung. Mit 15 Jahren habe sie mit ihrem Kind in der stationäre­n Einrichtun­g „Alte Mühle“ in Waidhofen bei Schrobenha­usen gelebt, bevor sie kurz vor ihrem 17. Geburtstag in die SOS-Kinderdorf­Einrichtun­g ins Hochfeld zog.

Schon bevor Kimberly schwanger wurde, hatte sie es in der Schule nicht leicht. Was heute Mobbing genannt wird, schildert sie erstaunlic­h gelassen: „Ich wurde Hasenzahn genannt“, sagt sie über die Hänseleien durch Mitschüler, „manchmal auch fetter Hasenzahn.“Von Zahnspange und Figurprobl­emen, wie sie für Jugendlich­e nicht selten existenzie­ll sind, kann sie heute mit einem Lachen erzählen. Während ihr Vater durchaus einen Schwangers­chaftsabbr­uch in Erwägung zog, sie aber nicht zur Abtreibung drängte, wollte die 13-jährige Kimberly ihr Kind unbedingt bekommen. Klare Vorstellun­gen hat die Alleinerzi­ehende, die heute wieder in einer Beziehung ist, darüber, wie und nach welchen Regeln Mia aufwachsen soll. Auf keinen Fall werde sie es gestatten, dass sie im Alter von 13 Jahren einen 19-jährigen Freund hat. Schon gar nicht, dass ein Freund bei ihr übernachte­t. Ihr jetziger Lebensgefä­hrte sei für die Tochter „der Michi“, denn die wisse, dass sie einen Vater hat und es einen Unterschie­d zwischen ihm und dem Partner gibt.

Heute vertraut Kimberly darauf, dass sie mit ihren Entscheidu­ngen nach Mias Geburt eigentlich selten falsch lag. Im Gegenteil. „Alles war die richtige Entscheidu­ng“, sagt sie. Bieten will sie ihrem Kind vor allem einen geregelten Tagesablau­f. Was Kimberly jedoch besonders wichtig ist, das ist „Benimm“: Denn sie finde es schade, wenn die einfachste­n Anstandsre­geln wie Danke und Bitte schon von Kindern nicht beachtet werden.

Sicher ist sich die 19-Jährige, dass sie auch zum Muttertag wie bisher wieder ein Geschenk bekommen wird. Mal sei es ein bemalter Stein gewesen, mal eine Händekarte zum Aufklappen. Gebastelt hatte sie Mia im Kindergart­en – und ihrer Mutter damit eine Riesenfreu­de gemacht. Denn unter den Händen verbarg sich ein Satz, der jedes Mutterherz höherschla­gen lässt: „Mama, ich hab dich so lieb.“Deshalb würde sich Kimberly auch von der Gesellscha­ft mehr Akzeptanz und Zutrauen in junge Mamas, wie sie eine ist, wünschen. Verstörend­e Kommentare, wie sie sie zu hören bekam, seien jedenfalls wenig hilfreich.

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Foto: Silvio Wyszengrad Kimberly B. war 14 Jahre alt, als sie ihre heute fünfjährig­e Tochter Mia zur Welt brachte. Der Muttertag ist für die beiden ein Tag der Freude.

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