Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bayern ist Meister – aber Lewandowsk­i ist noch nicht am Ziel

Die Münchner feiern die Meistersch­aft, fertigen Gladbach ab und bringen Robert Lewandowsk­i nahe an einen Rekord. Und sogar der Bundestrai­ner kann sich freuen

- VON TILMANN MEHL

Angela Merkels Markenzeic­hen ist die Raute – Robert Lewandowsk­i feiert seine Tore gerne mit der Doppelfaus­t. Der polnische Stürmer ist das, was man gerne die Zuverlässi­gkeit in Person nennt. Einer, auf den Verlass ist, auch wenn seine drei Tore gegen Mönchengla­dbach nicht mehr wirklich gebraucht wurden, weil der FC Bayern schon vor dem Anpfiff als deutscher Meister feststand. So gesehen also alles normal in dieser Saison. Erst kommt Bayern – und dann lange nichts. Gähn! Dass es trotzdem spannend bleibt in Fußball-Deutschlan­d, liegt auch an Lewandowsk­i, der noch zwei Treffer braucht, um einen vermeintli­chen Jahrhunder­trekord zu brechen. Mehr dazu und über die missliche Lage des FC Augsburg, der leider keinen Lewandowsk­i hat, lesen Sie im Sport.

München Die Geschichte der neunten deutschen Meistersch­aft in Folge ist auch – und vor allem – eine Geschichte der Geschlagen­en. Im Verlauf der Spielzeit 2020/21 saßen nach den Spielen der Münchner die gegnerisch­en Trainer in den Pressestub­en der Republik und räsonierte­n zumeist, weshalb es nichts wurde mit einem Erfolgserl­ebnis gegen die Münchner. Stellvertr­etend für all die erbarmungs­würdig Gescheiter­ten steht Marco Rosé. Nachdem er mit seiner Gladbacher Mannschaft mit 0:6 in München untergegan­gen war, begründete er das Scheitern mit fehlender „Intensität und dass uns nach einer Minute und 42 Sekunden die Überzeugun­g verloren gegangen ist“. Letztlich könne man von „einem Stromausfa­ll“sprechen.

Fehlende Intensität, mangelnde Überzeugun­g, frühe Rückschläg­e – die Begründung­en der FußballLeh­rer ähneln sich Woche für Woche. Die Münchner hingegen nehmen es wohlwollen­d zur Kenntnis, dass sie selbst einer Starkstrom­Mannschaft wie Gladbach schnell den Stecker ziehen können. Nach besagter einer Minute und 42 Sekunden bot sich Robert Lewandowsk­i überrasche­nd viel Platz eine Hereingabe David Alabas anzunehmen und ins Tor zu schießen. Der weitere Spielverla­uf war somit vorgezeich­net. Die Münchner dachten gar nicht erst daran, die Gladbacher mitspielen zu lassen, nur weil die Meistersch­aft bereits vor dem Anpfiff feststand. Die Dortmunder Marco Reus und Jadon Sancho hatten mit ihren Treffern gegen Leipzig erstmals eine Mannschaft zur Meistersch­aft geschossen – wenn auch nicht die eigene.

Statt nun aber den Samstagabe­nd in Traberei ob der wiederholt­en Titelverte­idigung zu verbringen, demonstrie­rten die Bayern, wie wohltuend eine zweiwöchig­e Spielpause sein kann. Die zuletzt sichtbar ermatteten Münchner hatten die spielfreie­n Wochen zur vollständi­gen Regenerati­on genutzt. Eine Nachricht, die auch Joachim Löw gerne hören wird, schließlic­h gehören mit Manuel Neuer, Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Leroy Sané und Serge Gnabry fünf Münchner Spieler der vermeintli­chen Stammforma­tion an, die für Deutschlan­d in einem Monat bei der Europameis­terschaft antreten wird.

Dabei wird der Bundestrai­ner nicht auf Robert Lewandowsk­i zurückgrei­fen können, der möglicherw­eise die Qualitäten hätte, das germanisch­e Sturmzentr­um mit seinen Fähigkeite­n zu bereichern, aber eben nur die polnische Staatsbürg­erschaft besitzt. Der 32-Jährige gab gegen die Gladbacher eine abermalige Vorstellun­g seiner Künste. Dem 1:0 ließ er per sehenswert­en Seitfallzi­eher und kühl verwandelt­en Elfmeter zwei weitere Treffer folgen. Er steht mittlerwei­le bei 39 Saisontore­n und somit nur noch einen Treffer hinter der Rekordmark­e, die Gerd Müller in der Saison 1971/72 in die Geschichts­bücher schoss und die fortan als ewiglich gültig galt. Die folgenden Gegner aus Freiburg und Augsburg sollten sich also eher nicht darauf verlassen, dass es den Münchnern fade wird, Tor um Tor zu erzielen.

Neben Lewandowsk­i gelang das gegen Gladbach noch Leroy Sané, Kingsley Coman und Thomas Müller. Der wiederum brillierte auch noch als Vorbereite­r, insgesamt 19 Tore leitete er in dieser Saison ein: Kein anderer Spieler der Bundesliga kommt auf eine ähnliche Quote. Zudem organisier­t er das Münchner Pressing und dirigiert verbal auch noch den Spielaufba­u seiner Mannschaft. Auf Lewandowsk­i muss Löw verzichten, auf Müller darf er nicht verzichten.

Die Gladbacher hatten den Münchnern nichts entgegenzu­setzen. Möglicherw­eise aber liegt der Grund dafür eher nicht im ängstliche­n Auftreten der Borussia versteckt, sondern im wiederholt dominanten Schaffen der Münchner. „Das war eines Meisters würdig“, freute sich auch Hansi Flick, der nur noch zwei Spieltage Trainer der Bayern ist, ehe er die Münchner nach sieben Titeln in nicht einmal zwei Jahren wohl in Richtung der deutschen Nationalma­nnschaft verlässt.

Zuvor aber feierte er mit seiner Mannschaft noch die Meistersch­aft auf dem Rasen. Da trugen sie bereits alle die Titel-T-Shirts, die nun im Fanshop käuflich zu erwerben sind. Sie haben eben Erfahrung im Gewinnen. Eine Erfahrung, die sie mit niemandem teilen wollen.

Bayern München Neuer – Pavard, Boa‰ teng (71. Javi Martinez), Lucas Hernández, Davies – Kimmich, Alaba (60. Goretzka (70. Nianzou)) – Coman (60. Sané), Müller, Musiala (60. Gnabry) – Lewandowsk­i Bor. Mönchengla­dbach Sommer – Lainer, Ginter, Elvedi, Bensebaini (69. Wendt) – Lazaro (46. Wolf), Zakaria, Neuhaus, Hof‰ mann (69. Stindl) – Thuram (46. Pléa), Embolo (84. P. Herrmann) Schiedsric­hter Stieler (Hamburg) Tore 1:0 Lewandowsk­i (2.), 2:0 Müller (23.), 3:0 Lewandowsk­i (34.), 4:0 Coman (44.), 5:0 Lewandowsk­i (66./Handelfmet­er), 6:0 L. Sané (86.) Rote Karte Nianzou (75./Notbremse)

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Foto: Matthias Schrader, dpa
 ?? Foto: Lennart Preiss, Witters ?? Für diejenigen, die beim Zählen schon mal durcheinan­der kommen, haben es die Münchner netterweis­e auf ihre T‰Shirts gedruckt. Neun Mal in Folge sind sie nun also Meister geworden. Vieles spricht dafür, dass in rund einem Jahr Spieler mit einer „10“auf dem Shirt durch die Arena hopsen.
Foto: Lennart Preiss, Witters Für diejenigen, die beim Zählen schon mal durcheinan­der kommen, haben es die Münchner netterweis­e auf ihre T‰Shirts gedruckt. Neun Mal in Folge sind sie nun also Meister geworden. Vieles spricht dafür, dass in rund einem Jahr Spieler mit einer „10“auf dem Shirt durch die Arena hopsen.

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