Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Scholz stichelt gegen Baerbock
Der SPD-Kandidat wirbt mit seiner Regierungserfahrung
Berlin SPD-Kandidat Olaf Scholz wirbt im Rennen um das Kanzleramt mit seiner Erfahrung. „Ich kann meine Erfahrung, meine Kraft und meine Ideen einbringen“, sagte Scholz beim digitalen Parteitag der Sozialdemokraten in Berlin und verwies auf seine Zeit als Regierungschef in Hamburg, Minister und Vizekanzler. Es brauche die Fähigkeit, Ideen durchzusetzen, einen Regierungsapparat zu steuern und aus Träumen Politik machen zu können, sagte Scholz. Damit setzte er sich von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ab, die keine solche Erfahrung aufweisen kann.
Scholz versprach, die deutsche Wirtschaft bis zum Jahr 2045 klimaneutral machen zu wollen. Hart ging er mit dem bisherigen Koalitionspartner CDU/CSU ins Gericht. „Früher hieß es bei den Konservativen ja immer: ,Wir stehen für Maß und Mitte‘ – heute stehen sie für Maaßen und Maskenschmu“, sagte Scholz. „Eine weitere von CDU und CSU geführte Regierung wäre ein Risiko für Wohlstand und Arbeitsplätze – ein Standortrisiko für unser Land“, warnte der Finanzminister. In seinem ersten Jahr als Bundeskanzler, so Scholz weiter, wolle er einen Mindestlohn von zwölf Euro durchsetzen. Für „eine Gesellschaft des Respekts“seien überdies gleicher Lohn für gleiche Arbeit und durchgängig Tariflohn in der Pflege nötig.
Berlin Es ist ein lautes „Fürchtet euch nicht“, das Olaf Scholz den Wählern in Deutschland zuruft. Es muss sich zwar viel ändern, aber die Deutschen müssen keine Angst haben, lautet seine Botschaft. Egal ob durch die Digitalisierung, die Erwärmung der Erde oder die neue Weltmacht China. Denn den Wandel steuern wird der Kanzler Olaf Scholz. „Auf den Kanzler kommt es an. Dieser Satz gilt wieder“, sagt Scholz auf dem Parteitag seiner SPD in Berlin.
Wegen der Corona-Pandemie sind die Delegierten am Sonntag von ihren Computern zugeschaltet. Auf der Messe hat sich nur die Parteispitze versammelt. Scholz muss also ohne direkte Rückkopplung eines Saals in die Kameras sprechen. Der 62-Jährige ist nicht der größte Rhetoriker, aber er kommt flüssig durch seine Rede. Wer den Parteitag der Grünen im Kopf hat, weiß, wie schwer es sein muss, ohne Zustimmung in Gesichtern erblicken zu können oder Zwischenapplaus zu bekommen.
Der Finanzminister und Vizekanzler bleibt in der Ansprache seinem Stil treu. Harte Attacken auf den politischen Gegner kommen ihm nicht über die Lippen. Er spießt die Maskenaffäre bei CDU und CSU auf und bemängelt bei den Grünen, dass sie zwar große Pläne verabschiedeten, aber sich um die Machbarkeit nicht scherten. „Ich habe diesen präzisen Plan für den Weg in die Zukunft. Andere, die sich in diesem Jahr zur Wahl stellen, haben keinen Plan“, sagt der Finanzminister und Vizekanzler. Er ist keiner, der auf der Bühne lodert oder umhertigert. Er steht vor einer Wand im Rot der Arbeiterbewegung, ein schwarzes Mikrofon vor seiner Brust haltend, und spricht. Großes Pathos geht Scholz ab.
Der Teil für das Herz steht unter der Überschrift. Jeder in Deutschland soll Respekt erhalten, ob Mann oder Frau, Ossi oder Wessi, jung oder alt, oben oder unten. Natürlich wäre Scholz nicht der Kandidat der SPD, wenn er sich nicht stärker denjenigen zuwenden würde, die das Land in den vergangenen Monaten am Laufen hielten. Pfleger, Krankenschwestern, Erzieherinnen, Verkäufer und Lehrerinnen. „Ich stehe auf der Seite der ganz normalen Leute“, verspricht Scholz. Durch die Anerkennung ihrer Leistung soll die Gesellschaft davor bewahrt werden, auseinanderzufallen. „Zusammenhalt kommt nicht von allein. Zusammenhalt hat Voraussetzungen“, so drückt es der ehemalige Bürgermeister Hamburgs aus.
Die materiellen Voraussetzungen für diesen Zusammenhalt soll das SPD-Programm besorgen, mit dem Scholz neben seiner Person um Stimmen wirbt. Es atmet den Geist von mehr Staat und weniger Markt. Die SPD wendet sich damit von der Politik ihres bislang letzten Kanzlers Gerhard Schröder ab. Aus der Grundsicherung Hartz IV, die viele SPD-Mitglieder bis heute beschämt, soll ein Bürgergeld werden. Eine neue Waschmaschine oder eine Winterjacke sollen für die Bezieher nicht mehr zur Last werden. Der Mindestlohn soll auf 12 Euro angehoben werden, das Rentenniveau trotz alternder Gesellschaft bei 48 Prozent stabilisiert werden. Scholz will außerdem die Altschulden der Städte und Gemeinden übernehmen, damit sie in die Modernisierung von Schulen, Kindergärten und den sozialen Wohnungsbau investieren können. Der Staat soll jedes Jahr 100000 bezahlbare Wohnungen bauen, kündigt der Kanzlerkandidat an.
Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Ganze werde mit Schulden bezahlt, versprechen die Sozialdemokraten, die Schuldenbremse einzuhalten. Sie erlaubt im Vergleich zur Wirtschaftsleistung eine geringe Verschuldung, die pro Jahr dennoch Milliarden mobilisieren würde. Mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen sollen Wohlhabende über eine Vermögensteuer, entlastet werden nach den Plänen der SPD Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Partei außerdem beim Klimaschutz rasch nachgearbeitet. Schon in einem Vierteljahrhundert soll Deutschland kein CO2 mehr in die Luft blasen.
Die SPD und Scholz müssen gewaltig aufholen, wenn sie das Kanzleramt erobern wollen. Sie stehen in den Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent. Doch sie geben sich geschlossen und wollen an ihren Kanzlerkandidaten glauben. Sie bestätigen ihn mit 96,2 Prozent der Stimmen.