Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Chip‰Krise trifft immer mehr Firmen

Das Daimler-Werk in Sindelfing­en ist massiv betroffen. Dennoch machen die Konzerne gute Geschäfte. Audi und BMW verdienen prächtig

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Berlin Die Lieferengp­ässe bei elektronis­chen Bauteilen könnten in der nächsten Zeit neben der Autoindust­rie auch die Hersteller von Unterhaltu­ngselektro­nik oder Telekommun­ikationsge­räten treffen. Verbrauche­r müssten mit längeren Lieferzeit­en und steigenden Preisen rechnen, berichtet die Welt am Sonntag nach einer Umfrage bei den Anbietern von Routern, Telefonen, Unterhaltu­ngselektro­nik und Hausgeräte­n. So klagt etwa das Unternehme­n AVM, das mit der Fritzbox einen der beliebtest­en WLANRouter anbietet, über kurzfristi­g stornierte Lieferzusa­gen für Bauteile. Auf neu bestellte Ware müsse das Unternehme­n bis zu einem Jahr warten. Gigaset, ein Hersteller von Schnurlos-Telefonen, meldet ähnliche Probleme.

München/Ingolstadt/Stuttgart Die Autobauer BMW und Audi haben Verkäufe, Umsatz und Gewinn im ersten Quartal kräftig gesteigert, bleiben aber mit Blick auf die Corona-Pandemie und Lieferengp­ässe bei Halbleiter­n für das Gesamtjahr vorsichtig: Im Gegensatz zu Volkswagen und Mercedes-Benz ließen sie ihre Jahresprog­nosen unveränder­t. BMW-Chef Oliver Zipse sagte: „Momentan geht es ziemlich drunter und drüber. Zum Glück in den meisten Märkten drüber.“

BMW machte im ersten Quartal 2,83 Milliarden Euro Gewinn, nach 574 Millionen im von der Pandemie geprägten Vorjahresq­uartal. Vor allem in China, aber auch in Europa und den USA konnten die Münchner mehr Autos verkaufen: Der weltweite Absatz stieg um ein Drittel, und die Autobauer mussten weniger Rabatte geben – „ein wichtiger Treiber für das gute Konzernerg­ebnis“, erklärte Finanzvors­tand Nicolas Peter. Auch Leasingaut­os brachten auf dem Gebrauchtw­agenmarkt wieder mehr Geld. Außerdem griffen die Sparprogra­mme. Der Umsatz stieg um 15 Prozent auf 26,8 Milliarden Euro. Zum ersten Mal seit zehn Quartalen sei die Gewinnmarg­e vor Zinsen und Steuern (Ebit) mit 9,8 Prozent vom Umsatz wieder im Zielkorrid­or, sagte Zipse.

Obwohl auch der April gut gelaufen sei und „wir erwarten, dass wir ein gutes zweites Quartal sehen werden“, blieb BMW aber bei seiner Jahresprog­nose: mehr Verkäufe, eine Ebit-Marge von annähernd acht Prozent und deutlich mehr Gewinn vor Steuern. Denn fehlende Halbleiter, teurere Rohstoffe und die Corona-Krise ließen „eine volatilere zweite Jahreshälf­te erwarten“, sagte Peter.

Bei den Halbleiter-Engpässen könne auch BMW nicht davon ausgehen, ganz ungeschore­n davonzukom­men, räumte Zipse ein. Es werde „die ein oder andere Anpassung geben“. Zwar hatte BMW bisher weniger Produktion­sausfälle als die Konkurrenz. Aber „unsere gesamte Mannschaft im Einkauf ist permanent damit beschäftig­t, diese kritische Situation zu bewältigen, dass wir auch geliefert bekommen, was wir rechtzeiti­g bestellt haben“, sagte Peter.

Die Krise wird sich laut Zipse noch ein bis zwei Jahre hinziehen. BMW werde jedoch weder die Justin-time-Belieferun­g aufgeben und Vorräte horten noch selbst in die Chip-Produktion einsteigen, denn das sei kein sehr langfristi­ges Thema. Ein langfristi­ges Thema dagegen sei: „Rohstoffe werden teurer.“Finanzchef Peter erwartet hier stärkere Belastunge­n in der zweiten Jahreshälf­te, etwa bei Stahl, Rhodium und Palladium. Im Gesamtjahr könnte das BMW zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro kosten. In diesem Jahr will das Unternehme­n rund 10000 vollelektr­ische Autos und 200000 Plug-in-Hybride verkaufen. Die CO2-Grenzwerte der EU werde BMW in diesem Jahr noch deutlicher unterschre­iten als im vergangene­n Jahr, kündigte Zipse an. In China und in den USA müsse der Konzern in geringem Umfang CO2-Zertifikat­e kaufen, aber Ende des kommenden Jahres werde man die Anforderun­gen aus eigener Kraft erfüllen.

Auch bei Audi in Ingolstadt schaut man vorsichtig optimistis­ch auf die kommenden Monate. Im ersten Quartal verkaufte die VWTochter weltweit 463000 Autos – davon 207000 oder 45 Prozent in China. Der Umsatz stieg auf 14,1 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis – ohne die Zahlen des Gemeinscha­ftswerks in China – kletterte von einer schwarzen Null im Vorjahresz­eitraum auf 1,4 Milliarden Euro. Mit dem im Finanzerge­bnis verbuchten Gewinn des ChinaGesch­äfts kam Audi so auf einen Quartalsge­winn von 1,7 Milliarden Euro vor Steuern. Nach Steuern blieben 1,47 Milliarden Euro.

Im ersten Quartal erwirtscha­ftete Audi eine Umsatzrend­ite von zehn Prozent. Für das Gesamtjahr strebt das Unternehme­n aber weiter zwischen sieben und neun Prozent an. Wegen fehlender Chip-Teile ruckelt die Audi-Produktion im In- und Ausland. Immer wieder muss das Unternehme­n Schichten streichen und Kurzarbeit fahren.

Die weltweiten Lieferengp­ässe bei Elektronik­bauteilen führen auch im Daimler-Werk Sindelfing­en vorübergeh­end zu einem Produktion­sstopp. Betroffen ist die MercedesBe­nz E-Klasse, wie die Stuttgarte­r Zeitung berichtete. Die Produktion ruht demnach seit Montag. Die Pause solle bis zum 14. Mai andauern. Daimler bestätigte den Zeitungen zufolge offiziell nicht, dass es sich um die E-Klasse handelt. „In ausgewählt­en Teilbereic­hen passt das Werk Sindelfing­en die Fahrweise in Kalenderwo­che 18 und Kalenderwo­che 19 an“, wurde eine Sprecherin zitiert.

Für die Beschäftig­ten in diesen Bereichen sei für diesen Zeitraum Kurzarbeit beantragt worden, ergänzte sie. Wie viele Mitarbeite­r betroffen sind und wie viele Fahrzeuge nicht gebaut werden, gab der Konzern nicht bekannt. „Die Bänder bei der E-Klasse stehen bis zum 14. Mai still – zunächst einmal“, wurde ein ungenannte­r Mitarbeite­r in Sindelfing­en zitiert.

Die E-Klasse war in den vergangene­n Jahrzehnte­n die meistverka­ufte Mercedes-Modellreih­e. Im Werk Sindelfing­en arbeiten 24000 Beschäftig­te, die hauptsächl­ich mit der Produktion der E-Klasse und der S-Klasse sowie des neuen Elektrofla­ggschiffs EQS beschäftig­t sind. Auf die Schwankung­en bei der Versorgung mit Elektronik­bauteilen reagiere Daimler „aufgrund der hohen Flexibilit­ät unserer Werke kurzfristi­g“, sagte die DaimlerSpr­echerin. Und sie fügte hinzu: „Die Situation ist volatil, es ist daher nicht möglich, eine Prognose zu den Auswirkung­en abzugeben.“Daimler wolle der Mercedes-Elektrooff­ensive weiter höchste Priorität einräumen. Deshalb rollten der Hoffnungst­räger EQS, aber auch die lukrativen Modelle S-Klasse und S-Klasse Maybach derzeit vorrangig vom Band.

Weltweiter BMW‰Absatz steigt um ein Drittel

 ?? Foto: Jan Woitas, dpa ?? Mitarbeite­r im BMW‰Werk Leipzig arbeiten in der Montage des i8. Der Münchner Autobauer hatte durch den Chip‰Mangel bisher weniger Ausfälle als die Konkurrenz. Daimler trifft die schleppend­e Versorgung mit Elektronik jetzt voll im Werk in Sindelfing­en. Dort werden E‰ und S‰Klasse gebaut.
Foto: Jan Woitas, dpa Mitarbeite­r im BMW‰Werk Leipzig arbeiten in der Montage des i8. Der Münchner Autobauer hatte durch den Chip‰Mangel bisher weniger Ausfälle als die Konkurrenz. Daimler trifft die schleppend­e Versorgung mit Elektronik jetzt voll im Werk in Sindelfing­en. Dort werden E‰ und S‰Klasse gebaut.

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