Augsburger Allgemeine (Land Nord)
In Erklärungsnot
DFB-Vizepräsident Rainer Koch spricht im über die Kritik am Verband und an seiner Position. Ob er sich damit einen Gefallen getan hat, ist fraglich
Mainz Die letzten warmen Worte für Rainer Koch kamen von Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandschef des FC Bayern war im Aktuellen Sportstudio des ZDF anlässlich der Meisterschaft zugeschaltet – und natürlich ging es auch um das Chaos und die Selbstzerfleischung beim Deutschen Fußball-Bund. Theater gebe es beim DFB seit der Aufarbeitung des Sommermärchens: „In der Zeit hat jeder Präsident die Rote Karte gezeigt bekommen, während der ein oder andere im Hintergrund überlebt hat.“Bei Sky hatte Rummenigge zuvor schon gepoltert: „Die Herrschaften, die nicht DFBPräsident waren, die dort im Hintergrund ihr Unwesen getrieben haben, müssen sich langsam fragen, ob es noch dem Fußball gerecht wird, was da passiert.“Eine Anspielung auf Rainer Koch, der seit 2004 Chef des Bayerischen Fußball-Verbandes ist, seit zehn Jahren zudem Chef des süddeutschen Fußball-Verbandes.
Koch, der sich als Vertreter der Amateure sieht, aber auch gerne auf der großen Bühne unterwegs ist – er sitzt etwa im Exekutivkomitee der Uefa – wurde dann von Rummenigge auch noch direkt angesprochen: Der 62-Jährige solle die Entschuldigung von DFB-Präsident Fritz Keller annehmen, der ihn mit einem Nazi-Vergleich diskreditiert hatte.
Im Interview mit SportstudioModeratorin Katrin Müller-Hohenstein machte Koch deutlich, dass er Rummenigge weder den Wunsch nach Rücktritt noch nach Aussöhnung mit Keller erfüllen werde. Die Entschuldigung Kellers habe er entgegen-, nicht aber angenommen. Der Vergleich mit dem früheren Nazi-Richter Roland Freisler habe ihn, der seit 32 Jahren Berufsrichter ist, schwer getroffen, so Koch: „Roland Freisler war ein Blutrichter, Henker in Robe. Er hat viele tausend Menschen in den Tod geführt. Und wenn eine solche Äußerung gegenüber jemand, der sein Leben lang dem Recht gewidmet hat, fällt, dann glaube ich, ist so eine Betroffenheit nachvollziehbar.“
Koch war der Einzige aus der DFB-Führungsriege, der der Einladung des ZDF gefolgt war. Bei seinem Auftritt versuchte er die Vorgänge innerhalb des DFB-Präsidiums zu erklären, geriet aber oft ins Trudeln: die millionenschweren Beraterverträge mit Medienberater Diekmann (hierbei ging es um eine laut Koch wahlweise gefälschte oder gehackte Mail), den öffentlichen Disput, den sich Koch in dieser Woche mit DFL-Chef Christian Seifert geliefert hatte, die Vorwürfe von Ex-Präsident Reinhard Grindel (Koch: „Er hat mit mir gebrochen“), wonach Koch vom Stimmenkauf vor dem WM 2006 gewusst haben soll.
Bei vielen dieser Themen blieb das Interview im Ungefähren. Im Wesentlichen kreisten die Fragen von Katrin Müller-Hohenstein aber um eine Frage: Ist der dringend geforderte Neuanfang beim DFB wirklich mit Koch möglich, der mit so vielen Personen über Kreuz liegt und teilweise nur noch schriftlich mit diesen kommuniziert? Rainer Koch selbst scheint das zu glauben – was wiederum eine relativ exklusive Position darstellen dürfte.
Der Hinweis von Müller-Hohenstein, wonach „drei von vier Protagonisten bald nicht mehr da sind“– gemeint waren DFB-Präsident Keller, Generalsekretär Friedrich Curtius und Schatzmeister Stephan Osnabrügge –, ließ Koch zwar kurzzeitig seine Fassung verlieren, jedoch nichts an seiner Einstellung ändern. Wenn es einen personellen Neuanfang geben soll, so Koch, müsste man doch auch über die beiden DFL-Vertreter Seifert und Peter Peters reden, die ihn unter der Woche mit einem öffentlichen Brief scharf angegriffen hätten. Dass der gemeinhin geschätzte DFL-Chef Seifert im Sommer 2022 ohnehin seinen Posten räumt, ließ Koch dabei außer Acht. In der Opferrolle sehe Koch sich übrigens nicht, auch wenn er während des Gesprächs ständig in die Defensive geriet: „Ich habe meine Pflicht getan.“
Für Nachhall sorgte der Auftritt Kochs am Sonntag bei Sport1-Experte Marcel Reif. Im Fußball-Talk Doppelpass sagte der 71-Jährige dazu: „Ich habe den Auftritt gesehen. Mein Reservoir an Fremdschämen ist durch. Mich interessiert das nicht mehr. Wenn sie so weitermachen, machen sie sich überflüssig. Das ist jämmerlich.“