Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die letzte Goldfinger‰Runde

In dem Mega-Fall um angebliche Steuerhint­erziehung gab es mehr als 100 Beschuldig­te. Fast alle Anklagen sind vom Tisch. Nun gibt es einen letzten Prozess. Und in dem wird es noch mal krachen

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Im Goldfinger-Verfahren gab es mehr als 100 Beschuldig­te. Fast alle Anklagen wegen Steuerhint­erziehung sind vom Tisch. Nun gibt es einen letzten Prozess. Und in dem wird es nochmals krachen.

Augsburg An den 17. Januar 2018 erinnert sich Ulrike Bammer* mit Schrecken. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft samt Steuerfahn­dern stand vor der Tür. Bis zu der Razzia hatte sie mit ihrem Mann, einem erfolgreic­hen Steuerbera­ter und Wirtschaft­sprüfer, ein angenehmes Leben geführt. Damit war es schlagarti­g vorbei. Die Ermittler stellten Büros und Privathaus auf den Kopf, ihr Mann musste wegen des Verdachts der schweren Steuerhint­erziehung in Untersuchu­ngshaft. Aber mit am schlimmste­n war der Satz eines Steuerfahn­ders an jenem Tag. Sie müsse sich an den Gedanken gewöhnen, den Rest ihres Lebens in Armut zu verbringen, soll der Mann nach ihren Angaben gesagt haben.

Das Ehepaar Bammer musste seither einiges aushalten. Monatelang saß Helmut Bammer hinter Gittern. Sein Ruf schien ruiniert. Doch nun, mehr als drei Jahre später, gibt es gute Nachrichte­n: Frau Bammer muss nicht in Armut leben. Und das Strafverfa­hren gegen ihren Mann ist ohne jegliche Auflage eingestell­t. Die Bammers würden sich auch gerne sehr darüber freuen – wäre da nicht der bittere Beigeschma­ck einer jahrelange­n Strafverfo­lgung mit allen Unannehmli­chkeiten. Und stünde da nicht immer noch die Frage im Raum, ob es all dies wirklich gebraucht hat.

Von 2012 an hat die Augsburger Staatsanwa­ltschaft das sogenannte

Goldfinger-Verfahren geführt, in dem es angeblich um milliarden­schwere Steuerhint­erziehung mittels Goldhandel im Ausland ging. Zwischenze­itlich richteten sich die Ermittlung­en gegen mehr als 100 Beschuldig­te, vorwiegend aus dem süddeutsch­en Raum, aber auch aus ganz Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Den kleineren Teil davon hielten die Strafverfo­lger für die Initiatore­n des Goldfinger-Modells. Es handelte sich im Wesentlich­en um sieben Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter aus zwei Münchner Kanzleien. Der größere Teil sind Einkommens­millionäre, die Geld in das Steuergest­altungsmod­ell gesteckt haben. Gegen 22 Verdächtig­e wurde Anklage zur 10. Strafkamme­r des Landgerich­ts Augsburg erhoben.

Neun Jahre später muss man festhalten: Das gesamte Goldfinger-Verfahren war eine einzige Bauchlandu­ng für die Staatsanwä­lte. Von den 22 angeklagte­n Fällen sind inzwischen 20 ohne jedwede Bedingunge­n oder Geldauflag­en eingestell­t worden, teilt der Pressespre­cher des Landgerich­ts, Christian Grimmeisen, auf Anfrage mit. In einem weiteren Fall sei „sehr wahrschein­lich“damit zu rechnen, dass dies auch so geschehen wird. Bleibt ein Fall übrig. Der wird ab Mittwoch vor Gericht verhandelt, und zwar weil es der Angeklagte und dessen Verteidige­r so wollen. Und eines ist jetzt schon klar: Es wird in diesem Prozess noch mal so richtig krachen.

Das liegt zum einen an der Konstellat­ion. Angeklagt ist der 49-jährige Rechtsanwa­lt David Binder* aus München. Er war Namensgebe­r einer gut gehenden Kanzlei, bevor die Ermittler kamen. Auch er saß ein paar Monate in U-Haft. Die Kanzlei musste der Familienva­ter im November 2018 aufgeben. Seither arbeitet er als Einzelkämp­fer. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm in der Anklage vor, einer der Initiatore­n des Goldfinger-Modells zu sein. Diese These bezeichnet sein Verteidige­r Richard Beyer als „totalen Krampf“. Es gebe darauf „null Komma null“Hinweise. Sein Mandant habe lediglich einen sechsstell­igen Betrag in die allererste Goldhandel­sgesellsch­aft investiert. Beyer sagt, das Verfahren sei von Beginn an darauf ausgericht­et, David Binder existenzie­ll zu vernichten. Binder will sich voll rehabiliti­eren. Etwas anderes als ein Freispruch kommt für ihn nicht infrage.

Dafür kämpft auch sein zweiter Anwalt. Die Besonderhe­it: Er wechselt quasi direkt von der Anklageauf die Verteidige­rbank. Der 49-Jährige hat mit seinem Kollegen den Goldfinger-Pilotproze­ss ausgefocht­en, der im Januar nach mehr als einem Jahr juristisch­er Schlacht in vergiftete­r Atmosphäre mit einer Einstellun­g zu Ende ging.

Die Brisanz des neuen Verfahrens liegt auch darin, dass der Ausgang höchstwahr­scheinlich schon feststeht. Einer Einstellun­g werden die Anwälte nicht zustimmen. Eine Verurteilu­ng kommt nach dem ersten Prozess nicht infrage. Bleibt eigentlich nur ein Freispruch. Zumal mittlerwei­le ein für die Beschuldig­ten günstiges Urteil des Finanzgeri­chts Stuttgart vorliegt und der Vorsitzend­e Richter der 10. Strafkamme­r, Johannes Ballis, schon im ersten Prozess sehr deutlich gesagt hatte, dass weitere Verfahren in diesem Komplex als „Ressourcen­verschwend­ung“angesehen werden müssten.

Bis es so weit ist, werden die beiden Verteidige­r aber noch einige Attacken reiten. Sie wollen belegen, dass die Augsburger Staatsanwa­ltschaft das Goldfinger-Verfahren entgegen anderer Erkenntnis­se „rechtswidr­ig“durchgezog­en habe. Interessan­t wird sein, wie sich Steuerfahn­der und Ermittler im Zeugenstan­d verhalten.

Die Verteidige­r glauben sogar belegen zu können, dass die Ermittlung­en politisch gewollt waren, um ein Exempel zu statuieren. „Das Landesamt für Steuern war von Anfang an eingeweiht“, sagt Rechtsanwa­lt Beyer. Und weil er fest davon ausgeht, dass ein solches Verfahren nicht ohne Zustimmung des obersten Verantwort­lichen gelaufen wäre, will er den damaligen Dienstherr­n als Zeugen vernehmen lassen. Es war der bayerische Finanzmini­ster, und der hieß zu Beginn der Ermittlung­en Markus Söder. *Namen geändert

Verteidige­r wollen Söder als Zeugen vernehmen lassen

 ?? Foto: Bas Czerwinski, dpa ?? Neun Jahre lang ermittelte die Augsburger Staatsanwa­ltschaft wegen Steuerhint­erziehung im sogenannte­n Goldfinger‰Komplex. Fast alle Verfahren sind mittlerwei­le einge‰ stellt. Nun beginnt ein letzter Prozess.
Foto: Bas Czerwinski, dpa Neun Jahre lang ermittelte die Augsburger Staatsanwa­ltschaft wegen Steuerhint­erziehung im sogenannte­n Goldfinger‰Komplex. Fast alle Verfahren sind mittlerwei­le einge‰ stellt. Nun beginnt ein letzter Prozess.

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