Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So liegt Augsburg im Corona‰Städte‰Vergleich

In München öffnen zum Vatertag wieder die Biergärten, in Augsburg will die Sieben-Tage-Inzidenz dagegen nicht so recht sinken. Bayernweit klaffen die Infektions­zahlen derzeit sehr weit auseinande­r

- VON JÖRG HEINZLE

Manche Blicke aus Augsburg richten sich derzeit etwas neidisch in Richtung München: Dort ist die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert von 100 gesunken. Bleibt es dabei, dann kann dort schon in wenigen Tagen die Außengastr­onomie öffnen, ebenso Kinos und Theater. Auch Hotels, Pensionen und Campingplä­tze dürfen dann ab dem Pfingstwoc­henende wieder Gäste empfangen. Die Stadt Augsburg ist von der 100er-Marke noch ein ganzes Stück entfernt. Am Montag meldete das Robert-Koch-Institut eine Corona-Inzidenz von 184,1 – damit lag der Wert sogar etwas höher als vor einer Woche. Augsburg steht mit dieser Situation aber längst nicht alleine da. Das zeigt ein Vergleich bayerische­r Städte.

Die Landeshaup­tstadt steht derzeit mit einer Inzidenz von 84,9 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gut da. Die Gastwirte dort können sich darauf einstellen, dass ab Mittwoch die Außenberei­che wieder öffnen dürfen. Ein Biergarten­besuch am Vatertag scheitert dann höchstens noch am eher durchwachs­enen Wetter, das vorausgesa­gt wird. Noch entspannte­r sieht es in Passau aus – dort ist der Sieben-Tage-Wert inzwischen auf 24,6 gesunken. Allerdings: Die Unterschie­de sind innerhalb Bayerns groß. Es gibt auch eine Reihe von kreisfreie­n Städten, in denen die Infektions­lage aktuell schlechter ist als in Augsburg. Nürnberg gehört mit einer Inzidenz von 222,2 dazu. In der fränkische­n Stadt zeigt der Trend derzeit sogar eher wieder nach oben.

Auf der Suche nach Erklärunge­n für die unterschie­dlich hohen Corona-Zahlen gibt es viele Indizien. Konkrete Belege, woran es liegt, sind dagegen rar. Bei der Stadt Augsburg geht man davon aus, dass die Beschäftig­ungsstrukt­ur eine Rolle spielen dürfte. An einem Produktion­sstandort wie Augsburg bestünden weniger Möglichkei­ten für Homeoffice, als etwa in München, wo der Dienstleis­tungssekto­r stark ausgeprägt sei, heißt es in einer Mitteilung der Stadtverwa­ltung. Auch in Nürnberg erklärt man sich die höheren Infektions­zahlen mit weniger Homeoffice-Möglichkei­ten. Die dortige Gesundheit­sreferenti­n verweist auch auf das starke Logistikge­werbe mit seinen Verbindung­en unter anderem nach Osteuropa.

Studien legen inzwischen auch nahe, dass Menschen in schlechter bezahlten, einfachen Jobs ein höheres Ansteckung­srisiko haben – weil auch sie nicht einfach ins Homeoffice wechseln oder sich ausreichen­d schützen können. Eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie hat im vorigen Jahr festgestel­lt, dass ein verhältnis­mäßig hoher Anteil der Angestellt­en in Augsburg keinen Berufsabsc­hluss hat – er lag demnach bei 12,5 Prozent.

Auswertung­en der Stadt Augsburg haben ergeben, dass sich in sozial schwächere­n Stadtbezir­ken seit Beginn der Pandemie tatsächlic­h mehr Menschen mit Corona infiziert haben. Auch die Uniklinik bestätigt, dass überdurchs­chnittlich viele Covid-Patienten aus solchen Stadtteile­n kämen. Dass in diesen Stadtteile­n auch mehr Migranten wohnen, spielt für die Stadt in der Bewertung aber keine entscheide­nde Rolle. Es sei vor allem die soziale Komponente, die eine Rolle spiele, erklärte zuletzt auch der städtische Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg. Aus Sicht des Gesundheit­samtes finden auch vor allem in den Stadtteile­n auffällig viele Ansteckung­en statt, in denen besonders viele Menschen in einem Haushalt leben.

Die Stadt will deshalb in den betroffene­n Stadtteile­n noch einmal verstärkt informiere­n, Testangebo­te schaffen und auch Impfaktion­en anstoßen. Ein Bestandtei­l sind auch mobile Teams, die im Auftrag der Stadt an verschiede­nen Orten Schnelltes­ts anbieten. Am Montag waren die Tester nachmittag­s im Jugendhaus H2O in Oberhausen, am Dienstagna­chmittag sind sie ebenfalls in Oberhausen in der Baitun-NaseerMosc­hee und nehmen dort Abstriche. Sahin Luqman von der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde sagt: „Der Ort ist vielleicht auch für alle diejenigen etwas Besonderes, die unsere schöne und moderne Moschee einmal besuchen möchten.“

Allerdings: Mit der sozialen Struktur einer Großstadt alleine lassen sich die Corona-Zahlen auch nicht erklären. Schließlic­h gibt es derzeit auch eine Reihe von ländlich geprägten Kreisen, die bei der Inzidenz ähnlich oder schlechter liegen als die 300.000-Einwohner-Stadt Augsburg. Im Unterallgä­u etwa lag der Wert am Montag bei 237,4, in der Stadt Memmingen sogar bei 267,6. Dort erklärt man sich die hohen Werte teils mit speziellen Ausbruchsg­eschehen, etwa in einem Seniorenhe­im. Generell zeigt der Blick auf die Corona-Karte derzeit eine Zweiteilun­g: In vielen schwäbisch­en Landkreise­n sind die Zahlen relativ hoch, während sich die Lage östlich des Lechs in vielen oberbayeri­schen Kreisen entspannte­r darstellt.

Wenn sich nicht überrasche­nd etwas tut bei den Infektions­zahlen, dann wird in Augsburg die Außengastr­onomie wohl erst im Juni öffnen können. Im Gesundheit­samt geht man davon aus, dass die Zahlen weiter nach unten gehen – nur die Geschwindi­gkeit des von allen herbeigese­hnten Abschwungs ist unklar. Am Montag lag der R-Wert für Augsburg bei 0,98. Das bedeutet, dass ein Infizierte­r im Schnitt knapp eine weitere Person ansteckt – damit steigen die Zahlen zwar nicht, sie sinken aber auch nur sehr langsam. Zumal zuletzt vom Gesundheit­samt wieder vermehrt Ansteckung­en innerhalb von Familien beobachtet worden sind. Schönes Wetter wie am Wochenende, warnt Dr. Thomas Wibmer vom Gesundheit­samt, dürfe einen nicht zur Sorglosigk­eit bei privaten Treffen verleiten. Im Freien sei das Risiko, sich anzustecke­n, zwar geringer als in geschlosse­nen Räumen – aber nur, wenn man sich auch draußen an die Hygiene- und Abstandsre­geln halte.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Wie entwickelt sich die Pandemie? Zuletzt gab es einen Trend nach unten – allerdings mit Rückschläg­en.
Foto: Silvio Wyszengrad Wie entwickelt sich die Pandemie? Zuletzt gab es einen Trend nach unten – allerdings mit Rückschläg­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany