Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mobile Impfungen für Flüchtlinge
Für benachteiligte Gruppen sind die bürokratischen Hürden zur Anmeldung hoch und die Impfskepsis ist groß. Die Lage in den Unterkünften ist weiter angespannt
Landkreis Augsburg Im vergangenen Winter war die Verzweiflung groß in der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der Neusässer Siemensstraße. Immer wieder – viermal an insgesamt 69 von 103 Tagen – wurden die 45 Bewohner seit Oktober 2020 unter Quarantäne gestellt, weil einer von ihnen sich mit Corona infiziert hatte. Dagegen protestierten schließlich die Asylsuchenden mit Plakaten.
Seither hat sich die Lage nur wenig gebessert, sagt Simon Oschwald, Leiter des Migrationsreferats bei der Diakonie Augsburg, die etliche Einrichtungen, auch die in Neusäß, mit ihren Mitarbeitern vor Ort betreut. „Es ist zwar nicht mehr so angespannt, aber man muss leider dennoch immer wieder mit Infizierten in den Unterkünften und entsprechenden Quarantäneanordnungen rechnen“, so Oschwald.
Auch das Landratsamt bestätigt auf Nachfrage unserer Redaktion: Seit Jahresanfang waren etliche Unterkünfte von Quarantäne betroffen, allerdings seit drei Monaten nur jeweils einmal. Besonders viele Infizierte hatte die dezentrale Unterkunft in Königsbrunn (Haunstetter Straße) zu verzeichnen. Dort wurden in den vergangenen drei Monaten 15 Bewohner positiv getestet, in Emersacker waren es 16, in Schwabmünchen 18 Infizierte. In den andeUnterkünften in Graben, Großaitingen, Heretsried, Bobingen und Neusäß gab es jeweils nur eine positiv getestete Person, nur in der Gemeinschaftsunterkunft in der Landsberger Straße in Königsbrunn waren es fünf.
Laut Landratsamt gingen abhängig von der Wohnsituation und der Zahl der Infizierten nur einzelne Bereiche oder die gesamte Unterkunft in Quarantäne. Infizierte wurden, soweit möglich, zum vorbeugenden Schutz der übrigen Bewohnerinnen und Bewohner in andere, leer stehende Unterkünfte gebracht.
In Untermeitingen unterhält die Regierung von Schwaben seit Dezember eine Quarantäne-Einrichtung. Die Regierung von Schwaben hat im Jahr 2016 das Gebäude angemietet, der Mietvertrag läuft bis Ende August 2023. In dem Gebäude in der Gutenbergstraße, das eine Dependance des Augsburger Ankerzentrums ist, können notfalls bis zu 100 infizierte Flüchtlinge für die Zeit ihrer Quarantäne unterkommen. Die Infizierten dürfen das Haus nicht verlassen, auf die Einhaltung der Regeln achtet rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst.
Aktuell sind in der Einrichtung laut Regierung von Schwaben 43 infizierte Flüchtlinge, darunter neun Kinder, untergebracht, bis das Gesundheitsamt ihre Quarantäne für beendet erklärt. Danach kehren sie wieder in ihre normalen Unterkünfte zurück. Die Belegungszahlen schwanken naturgemäß stark in Abhängigkeit vom aktuellen Infektionsgeschehen. „Dabei geht es nicht nur um die Corona-Infektion als solche, sondern auch um die Frage, ob sich die Betroffenen mit einer der besorgniserregenden Virusvarianten angesteckt haben, die wir getrennt voneinander unterbringen müssen“, so der Pressesprecher der Regierung von Schwaben. Je nach aktueller Lage war die Einrichtung auch schon mal ganz leer, zum Beispiel Anfang März. Wenige Wochen zuvor, Anfang Februar, war das Haus mit 21 Personen belegt. Dann waren es in der letzten Aprilwoche wieder mehr als 60 Bewohner.
Einen Ausweg aus der Krise bietet das Impfen. Aber gerade benachteiligte Schichten mit Sprachbarriere stehen einer Impfung oftmals noch skeptisch gegenüber oder sind mit den bürokratischen Hürden überfordert.
Dabei werden Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften mit erhöhter Priorisierung (Prio 2) geimpft. „Unsere deutschsprachige Impfdebatte geht an vielen Geflüchteten vorbei“, gibt Simon Oschwald von der Diakonie zu bedenken. Es fehlt an Information und Aufklären rung. Hier sei man zusammen mit dem Landkreis bemüht, mehr Aufklärungsarbeit zum Impfen zu leisten. Denn eine digitale Anmeldung über die Software BayIMCO sei ja schon für deutschsprachige Bürger manchmal nicht ganz einfach. Hinzu komme, dass etliche Asylsuchende – oft aufgrund der beengten Wohnverhältnisse – bereits mit Corona infiziert waren und nicht geimpft werden können, so Oschwald.
Um die vielen Hürden zur Impfung leichter zu überwinden, plant der Landkreis in den Unterkünften Impftermine über mobile Impfteams anzubieten. Wie Pressesprecher Jens Reitlinger erklärt, würde zurzeit in allen Unterkünften (in den dezentralen Unterbringungen und in den Gemeinschaftsunterkünften der Regierung von Schwaben) abgefragt, ob sich von den Bewohnern jemand impfen lassen möchte. „Bisher beläuft sich das Interesse in unseren Unterkünften auf circa 30 Prozent“, so der Sprecher. Teils würden große Vorbehalte gegen die Schutzimpfung bestehen. Sobald die Ergebnisse aus den Unterkünften vorliegen, wird der Landkreis die Impfangebote vor Ort planen.
Auch Obdachlose sollen, sobald der Impfstoff von Johnson&Johnson verfügbar ist, der nur einmal verimpft werden muss, dann in den Kommunen vor Ort unbürokratisch geimpft werden, falls sie das wollen.
43 Infizierte in Quarantäne in Untermeitinger Einrichtung