Augsburger Allgemeine (Land Nord)

VW‰Chef Diess setzt seine Favoritin nicht durch

Die Managerin Katrin Suder sollte als zweite Frau in den Volkswagen-Vorstand aufrücken und das IT-Ressort übernehmen. Doch die Zeit im Verteidigu­ngsministe­rium wurde ihr zum Verhängnis

- VON STEFAN STAHL

Wolfsburg Das Verteidigu­ngsministe­rium ist ein zuverlässi­ger Schleuders­itz. Der Spiegel hat einmal ausgerechn­et, dass von 18 Ressortche­fs acht zurücktret­en mussten oder vorzeitig gingen. Gerade bei der Vergabe von Rüstungsau­fträgen geht es um viel Geld und jede Menge Interessen. Deshalb hätte Katrin Suder, 49, gewarnt sein müssen, als sie nach einer Karriere, in der Erfolg auf Erfolg folgte, 2014 von der Unternehme­nsberatung McKinsey als Staatssekr­etärin in das Verteidigu­ngsministe­rium wechselte, um den komplizier­ten Rüstungsbe­reich auf Vordermann zu bringen. Das war selbst für eine Managerin, die als Beraterin der internatio­nalen ITIndustri­e McKinsey-Direktorin wurde und strategisc­hen Weitblick, ja Durchsetzu­ngskraft bewiesen hat, ein vermintes Terrain.

Es kam, wie es kommen musste: Suder, die neben Physik auch Theaterwis­senschafte­n studiert hat, steuerte auf ein Drama zu, das in einem Untersuchu­ngsausschu­ss mündete. Anlass war eine Affäre, in der es darum ging, dass vom Ministeriu­m teure Berater engagiert wurden, ohne die Richtlinie­n für die Vergabe einzuhalte­n. Ex-Beraterin Suder geriet in die Schusslini­e. Auch wenn ihr nichts nachgewies­en werden konnte, schied sie 2018 auf eigenen Wunsch aus dem Amt aus. Wiederum hatte der erprobte Schleuders­essel seinen Dienst getan. Doch Suder ist eine Kämpferin und genießt hohes Ansehen in Industriek­reisen. Selbst Rüstungsma­nager zollten ihr einst Respekt.

In den vergangene­n Jahren war es etwas ruhiger um die gebürtige

Mainzerin geworden, die mit der früheren Fußball-Torhüterin Katja Kraus, 50, verheirate­t ist und drei Kinder hat. Die einstige Spitzenspo­rtlerin war Mitglied des Vorstands des Hamburger SV. Kraus ist auch unter die Autorinnen gegangen. Eines ihrer Bücher trägt den Titel „Macht – Geschichte­n von Erfolg und Scheitern“, was zum jüngsten Schicksal ihrer Partnerin passt: Denn Suder stand kurz davor ITVorständ­in bei Volkswagen zu werden und damit als zweite Frau in den Vorstand des Konzerns einzuziehe­n.

VW-Chef Herbert Diess, 62, sucht zusätzlich­e Frauen für Spitzenämt­er, weil er davon überzeugt ist, dass Vorstände mit mehr Frauen ein Unternehme­n erfolgreic­her führen. Der Manager hält viel von der Digitalisi­erungsexpe­rtin Suder. So konnte der VW-Boss Vertreter der Familien Porsche und Piëch als Hauptantei­lseigner davon überzeugen, der Frau eine Chance zu geben. Doch die Vergangenh­eit im Verteidigu­ngsministe­rium holte Suder, wie Gewährsleu­te in Wolfsburg sagen, wenige Meter vor dem Ziel ein. Die Verwicklun­g in die Berateraff­äre wurde gegen die einstige McKinsey-Überfliege­rin ins Feld geführt. Auch wenn ihr damals keine Schuld nachgewies­en werden konnte, reichte es, nach Informatio­nen unserer Redaktion, im Aufsichtsr­at die Gefahr an die Wand zu malen, die einstige Affäre könnte Suder einholen und damit würde ein dunkler Schatten auf VW fallen.

In Wolfsburg haben die Verantwort­lichen nach der bleiernen Schwere des Diesel-Skandals eine Allergie gegen alle Düsterniss­e entwickelt. Diess, heißt es, sei sich des schwarzen Flecks im Leben seiner Favoritin bewusst gewesen, glaubte aber, er bringe sie angesichts seines Elektro-Laufs durch. Am Ende, ist zu erfahren, haben die Zweifel der Gewerkscha­ftsvertret­er und des Landes Niedersach­sen als wichtiger

Aktionär das Gremium umgestimmt und die Berufung der Frau verhindert. Auch SPD-Ministerpr­äsident Stephan Weil, 62, soll als VW-Aufsichtsr­at zu der Skeptiker-Fraktion gehören.

Dabei haben Arbeitnehm­ervertrete­r eine Allergie gegen McKinsey-Leute wie Suder entwickelt. Zu häufig mussten sie erleben, wie Unternehme­nsberater, ohne sich in die Situation der jeweiligen Firma einzufühle­n, beim Kostendrüc­ken das Wohl der Mitarbeite­r aus dem Blick verloren haben. Für manchen Gewerkscha­fter hätte Diess mit dem Engagement Suders seine aus Arbeitnehm­ersicht zulässige McKinsey-Quote klar überschrit­ten: Denn mit dem früheren Audi-Finanzvors­tand Arno Antlitz, 51, hat er schon einen früheren McKinsey-Mann und Kostenopti­mierer nach Wolfsburg gelockt.

Diess musste also wieder einmal eine Klatsche einstecken, wie bereits, als er vergeblich eine vorzeitige Vertragsve­rlängerung gefordert haben soll. Doch der beharrungs­kräftige Münchner mit österreich­ischem Pass lässt nicht locker: Das neu geschaffen­e IT-Ressort soll mit einer Frau besetzt werden. Nur mit welcher? Das könne sich bis in den Sommer hinziehen, wird gemunkelt. Es gebe mehrere Kandidatin­nen: Eine soll laut Business Insider Deutschlan­d die Russin Nadia Shourabour­a sein, die in den USA als Superhirn gelte und selbst AmazonGrün­der Jeff Bezos verzückt habe.

Dumm nur, dass die Frau kein Deutsch sprechen soll. Ohne Sprachkenn­tnisse würde sie im bodenständ­igen Wolfsburge­r Kosmos schnell an Grenzen stoßen. Die Headhunter müssen noch mal ran.

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Fotos: dpa Herbert Diess konnte seine Favoritin Katrin Suder nicht in den Vorstand des Volkswagen‰Konzerns lotsen.
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