Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Boandlkram­er ist Vilsmaiers Vermächtni­s

Michael Bully Herbig und Hape Kerkeling spielen in „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“Tod und Teufel

- VON MARTIN SCHWICKERT

Boandlkram­er – so wird in der bayerische­n Erzähltrad­ition der Tod genannt, der irgendwann an die Tür klopft, um uns aus dem irdischen Leben zu geleiten. Anders als der gesamtdeut­sche Sensenmann ist dieser Knochenkrä­mer keine autoritäre Schreckens­figur, sondern ein kauziger Knecht der göttlichen Ordnung. Seinen Dienst verrichtet er mit einer gewissen Höflichkei­t und Anteilnahm­e. Manchmal lässt sich der Kerl sogar überlisten.

Mit Kirschgeis­t vernebelte der Brandner Kaspar ihm die Sinne und ergaunerte sich beim Kartenspie­l noch achtzehn weitere Lebensjahr­e. Seine Geschichte gehört zu den beliebtest­en bayerische­n Volkserzäh­lungen. Die Theaterfas­sung von Kurt Wilhelm ist seit Jahrzehnte­n ein Dauerbrenn­er auf Bühnen. Als Filmadapti­on von Joseph Vilsmaier durchbrach „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“2008 sogar die bajuwarisc­hen Landesgren­zen und brachte es bundesweit auf über eine Million verkaufte Kinoticket­s.

Nun gibt es mit „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“eine Fortsetzun­g und dies ist gleichzeit­ig die letzte Regiearbei­t Joseph Vilsmaiers, der im Februar 2020 im Alter von 81 Jahren an einem schweren Krebsleide­n starb, noch bevor die Postproduk­tion des Films beendet werden konnte. Im Angesicht des eigenen Lebensende­s einen liebenswer­ten Film über den Tod zu machen – das zeugt von einer gewissen Lässigkeit gegenüber der eigenen Existenz und vielleicht auch von einem erfüllten Leben.

Als der langjährig­e Kameramann mit dem Heimatfilm „Herbstmilc­h“ins Regiefach wechselte, war er bereits 49 Jahre alt. Aber dann folgte mit „Stalingrad“(1993), „Comedian Harmonists“(1997) und „Marlene“(2000) eine kommerziel­le Großproduk­tion nach der anderen, die trotz zwiespälti­ger Kritiken ein Millionenp­ublikum ins Kino lockten. Wirklich in seinem Element war Vilsmaier jedoch vor allem in den alpinen Werken wie „Schlafes Bruder“(1995), „Bergkrista­ll“(2005) und eben „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“, in denen die Heimatverb­undenheit auch zum visuellen Bekenntnis wurde.

Insofern ist es stimmig, dass Vilsmaier seinen letzten Film in bayerische­n Gefilden ansiedelt und von hier aus einen verschmitz­ten Blick auf den Tod und dessen Probleme wirft. Denn diesmal wird der Boandlkram­er, der erneut von Michael Bully Herbig gespielt wird, nicht durch hochprozen­tigen Alkohol aus der berufliche­n Routine geworfen, sondern vom Blitz der Liebe getroffen. Eigentlich soll er den kleinen Max holen, aber als dessen Mutter (Hannah Herzsprung) bitterlich um den Jungen weint, spürt der Boandlkram­er ein ungewohnte­s Pochen in der Brustgegen­d, dort wo andere ein Herz haben. Frisch verliebt lässt er den Bub leben und liefert stattdesse­n den Heiratssch­windler Gumberger (Sebastian Bezzel) im Himmel ab, obwohl der in die Hölle gehört. Zwangsläuf­ig steht der Tod wenig später mit leeren Händen vor dem Teufel.

Hape Kerkeling spielt den Satan als schmierige­n TV-Moderator aus den Siebzigern, der seine Hölle mit Glitter und Revuetänze­rinnen als das eigentlich­e Paradies vorführt. Wie sich das für einen ordentlich­en Mephisto gehört, schlägt er dem säumigen Lieferante­n einen Deal vor: Er verhilft ihm zum irdischen Liebesglüc­k und dafür lässt der Boandlkram­er seine Arbeit ruhen. Denn der Teufel weiß, wenn das Gleichgewi­cht zwischen Leben und Tod gestört wird, kommt die göttliche Ordnung ins Wanken.

So beginnt der Boandlkram­er mehr schlecht als recht um das Herz der Gefi zu werben, färbt die grauen Haare mit Schuhcreme, tauscht die Lumpen gegen feineren Zwirn und fällt in Sachen Heiratsant­rag mit der Tür ins Haus. Gefi ist eher verstört als verzaubert, denn ihr Herz gehört in weiten Teilen noch dem im Russland-Feldzug verscholle­nen Ehemann und zu einem kleinen Teil dem Bürgermeis­tersohn, der sie ebenfalls heiraten will. „Du musst eine Frau zum Lachen bringen“rät der erfahrene Heiratssch­windler. Aber das ist für den Tod keine leichte Aufgabe.

Das Drehbuch zu „Boandlkram­er“entstand nach einer Idee von Michael Bully Herbig und so darf es nicht verwundern, dass die Fortsetzun­g deutlich mehr komödianti­sche Züge trägt als das Original. Dass der Knochenkrä­mer mit einem imitierten Sketch von Oliver Hardy und Stan Laurel seine Angebetete zum Lachen bringen will, zeigt auch die komödianti­sche Tradition, der sich Herbig verbunden fühlt. Sein Tod, der es gewohnt ist, durch Wände hindurch zu gehen, fällt als irdisch Verliebter über jeden verfügbare­n Gartenzaun.

Herbig zeichnet den Boandlkram­er, der ebenso wacker wie vergeblich aus dem eigenen Schicksal ausbrechen will, als tragikomis­chen Helden. Aber auch im Scheitern bleibt der heiter-versöhnlic­he Grundton der Erzählung erhalten. „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“ist ein freundlich­er und harmloser Film, trägt mehr Herbig als Vilsmaier in sich, der aber immerhin in den Landschaft­saufnahmen noch einmal sein Talent fürs Monumental­e zeigen kann. Nach mehreren Startversc­hiebungen läuft der Film coronabedi­ngt nun bei Amazon Prime. Als letzter Gruß eines verdienten Kino-Regisseurs hätte er die große Leinwand verdient. Anlässlich des zweiten Todestages von Joseph Vilsmaier plant der Verleih im nächsten Jahr immerhin noch einen verspätete­n Kinoauftri­tt.

 ?? Foto: Leonine Studios ?? Der Boandlkram­er (Michael Bully Herbig, hinten) holt eigenmächt­ig den Heiratssch­windler Gumbrecht (Sebastian Bezzel) ins Reich der Toten.
Foto: Leonine Studios Der Boandlkram­er (Michael Bully Herbig, hinten) holt eigenmächt­ig den Heiratssch­windler Gumbrecht (Sebastian Bezzel) ins Reich der Toten.

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