Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Paddelt Tasiadis jetzt zu Gold?

In einem nervenaufr­eibenden EM-Finale qualifizie­rt sich der Augsburger für die Olympische­n Spiele in Tokio. Zum dritten Mal reist der 31-Jährige zu den außergewöh­nlichen Wettkämpfe­n. Dennoch wird vieles neu sein

- VON JOHANNES GRAF

Sonntagnac­ht war Sideris Tasiadis erst aus Italien heimgekomm­en, am Montagvorm­ittag war der Augsburger schon wieder unterwegs. Zum Impfen nach München. An sich ist ein solcher Termin für viele Menschen dieser Tage erfreulich, hoffen sie doch, so ihr normales Leben zurückzube­kommen. Eines ohne Corona-Einschränk­ungen. Für Tasiadis war aber nicht nur das Impfen erfreulich, vor allem auch der Anlass dafür. Ehe Team Deutschlan­d im Sommer zu den Olympische­n Spielen nach Tokio reist, werden dessen Mitglieder geimpft. Eben ein solches ist Tasiadis.

Bei der Europameis­terschaft im italienisc­hen Ivrea qualifizie­rte sich der 31-Jährige für die Wettkämpfe, die Ende Juli in Japan beginnen sollen. Nach London und Rio wird der erfolgreic­he Slalomkanu­te zum dritten Mal an Olympische­n Spielen teilnehmen. „Ich freue mich riesig“, sagt Tasiadis. Die Flut an Glückwünsc­hen, Anrufen und Kurznachri­chten konnte er am Sonntag gar nicht bewältigen, berichtet er.

Im Finale ging Tasiadis volles Risiko. „Ich habe mir gedacht: Alles oder nichts. Und das ist mir ganz gut gelungen.“Hinter dem Franzosen Denis Gargaud Chanut und dem Slowenen Matej Benus holte sich der Augsburger die Bronzemeda­ille. Das genügte, um den OlympiaQuo­tenplatz zu sichern. Tasiadis’ Plan war aufgegange­nen, auf den Punkt genau rief er die beste Leistung ab. „Darauf habe ich hingearbei­tet“, betont Tasiadis. Jetzt weiß der Canadierfa­hrer, warum er sich im Winter, bei eisigen Temperatur­en, den Augsburger Wildwasser­kanal hinunterst­ürzte. Weil es sich lohnen kann.

Wie die Impfung am Montag zeigte, beginnt nahtlos die Vorbereitu­ng auf den sportliche­n Höhepunkt dieses Jahres. Weil er längere Zeit auf Regenerati­on verzichten musste, gönnt er sich eine Woche der Ruhe. „Das ist jetzt vernünftig, dass ich pausiere“, sagt er. Dann wird er das Training nochmals intensivie­ren.

Tasiadis ist ein erfahrener Leistungss­portler. Über Jahre hinweg hat er gelernt, was sein Körper braucht. Und was nicht. Wann er sich quälen muss, wann er die Beine hochlegen kann. Auch die Vorbereiau­f Olympia wird der Polizist aus der Sportförde­rgruppe routiniert angehen. Aus Sicht von Tasiadis macht es Sinn, die Herangehen­sweise beizubehal­ten. Einerseits fehle die Zeit, Abläufe zu verändern, erzählt er. Anderersei­ts ähnelt die Ausgangsla­ge der vor der EM in Italien. Tasiadis betont: „Letztlich geht es darum, auf den Punkt seine Leistung abrufen zu können.“

Dass er dazu imstande ist, hat er zweimal bewiesen. 2012 gewann er bei seiner Olympia-Premiere in London Silber, 2016 verpasste er in Rio als Fünfter knapp die Medaillenr­änge. In Tokio wird er sich erneut mit hohen Erwartunge­n in sein Boot setzen. Ob es diesmal sogar zu Gold reicht? Tasiadis verweist auf starke Konkurrenz und das ausgeglich­ene Starterfel­d. Betont aber auch: „Das Ziel ist klar. Jeder Sportler, der an den Start geht, will seine bestmöglic­he Leistung zeigen.“

Als Generalpro­be dienen die letzten Weltcups dieser Saison, erst im tschechisc­hen Prag, dann das deutsche Heimspiel im sächsische­n Markkleebe­rg. „Dort geht es darum, Sicherheit zu bekommen“, erklärt Tasiadis. In diesen Wettkämpfe­n vor Tokio will er sich testen. Wie viel Risiko kann er eingehen, ohne Fehler zu provoziere­n?

Knapp drei Wochen vor Beginn der Spiele wird Tasiadis nach Tokio reisen. So der Plan. Die Sportler dürfen auf der Strecke testen. Tasiadis kennt den Kurs aus einem Trainingsl­ehrgang, vergleicht diesen mit jenem in Rio. Gewöhnungs­bedürftung tig wird auch die Atmosphäre sein. Tasiadis stellt sich auf Stimmung wie bei einem Fußball-Geisterspi­el ein. Die Spiele werden ohne ausländisc­he Zuschauer stattfinde­n, womöglich auch ohne japanische.

Tasiadis erinnert sich an seine bisherigen Spiele, an die Besuche anderer Wettkämpfe. Darauf wird er verzichten müssen. Vor allem das Leben im olympische­n Dorf wird sich unterschei­den. Bislang diente dieses als Begegnungs­stätte für Menschen aus aller Welt, dort schlossen sie Bekannt- und Freundscha­ften, dort pflegten sie den olympische­n Gedanken, das Dabeisein ist alles. Diesmal wollen die Organisato­ren das Gegenteil bewirken. Möglichst selten sollen sich Sportler über den Weg laufen. „Ich rechne damit, dass man sich nicht mehr frei bewegen kann. Darauf wird bestimmt geachtet werden“, sagt Tasiadis.

Der Augsburger hofft, mit Erfolgen nicht nur sich, sondern auch seine Sportart in den Vordergrun­d zu rücken. In Augsburg werden Tasiadis (Kanu Schwaben Augsburg) oder Hannes Aigner (Augsburger Kajak Verein), der ebenfalls für Tokio qualifizie­rt ist, erkannt, darüber hinaus zählt Kanu zu jenen Sportarten, für die Olympia alle vier Jahre als große Bühne dient. In Tokio dabei ist ebenso die Wahl-Augsburger­in Ricarda Funk, die für Bad Kreuznach startet. „Wir können Werbung in eigener Sache betreiben“, sagt Tasiadis. Erst recht, wenn er eine weitere Medaille gewinnt.

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Foto: Jan Woitas, dpa Voller Fokus auf Olympia: Sideris Tasiadis hat sich zum dritten Mal die Teilnahme an Olympische­n Spielen gesichert. 2016 in London hat der Canadierfa­hrer die Silber‰ medaille gewonnen.

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