Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rehe weg: Kleingärtn­er atmen auf

In der Anlage „Am Wertachdam­m“hatten sich Bambi und Co. zu einer echten Plage entwickelt. Selbst ein neuer Zaun half nichts. Nun fanden Experten eine Lösung

- VON EVA MARIA KNAB

Für Spaziergän­ger sind Rehe ein schöner Anblick. Für Gartenbesi­tzer kann Wild jedoch zur Plage werden. So war es in den Kleingärte­n „Am Wertachdam­m“in Göggingen. Jahrelang hielten sich in der idyllische­n Grünanlage wilde Rehe auf, die großen Appetit entwickelt­en und nicht zu vertreiben waren. Besonders gerne ließen sie sich Blumen und Gemüse in den Beeten schmecken, was so manchen Kleingärtn­er zur Verzweiflu­ng brachte. Nach mehreren vergeblich­en Versuchen, das tierische Problem in den Griff zu bekommen, scheint nun ein glückliche­s Ende in Sicht. Dafür war eine aufwendige Aktion notwendig.

Normalerwe­ise leben Rehe in Wäldern. Genau am Rand eines solchen Wäldchens liegt die städtische Kleingarte­nanlage Göggingen 2. Rund 70 Kleingärtn­er genießen dort die Abgeschied­enheit inmitten der Natur. Das Problem: Schon vor Jahren schlichen sich als ungebetene Gäste Rehe in die Anlage ein und machten den Gartlern das Leben schwer. Die Wildtiere fühlten sich so wohl, dass sie Nachwuchs bekamen. Die mittlerwei­le sechsköpfi­ge Rehfamilie fraß dort alles, was für Kleingärtn­er schön und wichtig ist, von Blumen und Gemüse bis hin zu Büschen und Obstbäumen.

2020 musste wegen des Projektes Wertach-Vital teilweise ein neuer Zaun an der Kleingarte­nanlage errichtet werden. Bei dieser Gelegenhei­t sollte auch das Rehproblem mit gelöst werden. Der Zaun sollte hoch genug sein, dass ihn kein Reh mehr überspring­en kann. Nach Angaben des städtische­n Liegenscha­ftsamtes wurde er um 30 Zentimeter auf 1,90 Meter erhöht, um Wild fernzuhalt­en. Allerdings stellte sich bald heraus, dass wohl nicht alle Rehe die Anlage verlassen hatten, bevor die neue Absperrung fertig war. Zwei Jungtiere hatte man wohl übersehen. Das Pärchen hielt sich weiterhin in der Anlage auf und verputzte munter die Pflanzunge­n in den Gartenparz­ellen. Sabina Gassner vom Tierschutz­verein und ihre Mitarbeite­r haben sie beobachtet. Sie sagt, die „Tiere sind gewitzt und schlau, sie brechen zwischen Hecken locker durch und Absperrung­en an den Türchen sind für sie eher eine kleine sportliche Abwechslun­g.“

Was also tun? Diese Frage sorgte für einiges Kopfzerbre­chen. Aus Sicht von Fachleuten kam weder infrage, die Rehe mit einem Betäubungs­schuss außer Gefecht zu setzen und sie abzutransp­ortieren, noch sie in Form einer „Treibjagd“aus dem Areal zu scheuchen. Das wäre zu gefährlich gewesen. Ausgewachs­ene Rehe sind stark genug, um in Panik einen Menschen umzurennen. Mit vielen Büschen und Hecken ist die Anlage für solche Methoden auch zu unübersich­tlich.

Die Stadt schaltete den Tierschutz­verein Augsburg und eine Tierärztin als Berater ein, um nach einer anderen, verträglic­hen Lösung zu suchen. Dafür war einiger Aufwand nötig. Das Liegenscha­ftsamt beschaffte einen Bauzaun, um die Rehe innerhalb der Anlage abzusonder­n. Die Tiere wurden mit Leckerlis angefütter­t und in den eingegrenz­ten Bereich gelockt, der vorhandene Zaun nach draußen wurde an einer Stelle geöffnet. So war der Weg in Richtung Wald frei. „Diese umfangreic­he und zeitintens­ive Vorgehensw­eise wurde in Abstimmung mit dem Tierschutz­verein und einer Tierärztin gewählt, um die Unversehrt­heit der Tiere weitmöglic­hst sicherzust­ellen“, sagt Thomas Wineck, städtische­r Fachbereic­hsleiter für Gebäudeman­agement. Damit sollte den Tieren die Möglichkei­t gegeben werden, stressfrei und aus Eigeniniti­ative die Anlage zu verlassen. Nach Angaben des Liegenscha­ftsamtes hat das Experiment geklappt. Am Sonntag hätten die beiden Rehe die Kleingarte­nanlage verlassen.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolbild) Rehe gehören nicht in eine Kleingarte­nanlage, mehrere Jahre versuchte man sie in Göggingen loszuwerde­n – erst jetzt mit Erfolg.

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