Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So schlagen sich Augsburgs Referenten

OB Eva Weber hat ihre Verwaltung­sspitze weitgehend neu aufgestell­t, doch viele Referenten wirken derzeit eher im Hintergrun­d. Die Pandemie lenkt den Blick auf andere Themen. Einige Probleme werden wohl erst danach offenkundi­g

- VON NICOLE PRESTLE, ANDREA WENZEL UND MIRIAM ZISSLER

Kleines Quiz zum Start: Würden Sie Augsburgs Sozialrefe­renten Martin Schenkelbe­rg oder seinen Wirtschaft­skollegen Wolfgang Hübschle auf der Straße erkennen? Nein? Kein Wunder, genau das ist ein Problem der neuen Augsburger Stadtspitz­e: Während Referenten die ersten Monate ihrer Amtszeit normalerwe­ise nutzen, um Termine wahrzunehm­en und Leute kennenzule­rnen, lief das „Jahr eins“von Schwarz-Grün weitgehend virtuell – und damit für viele Referenten abseits öffentlich­er

Wahrnehmun­g.

Dabei hätte man die Neuen – es gibt immerhin sechs – gerne in Aktion erlebt nach aller Kritik, die es an der

Besetzung dieser Posten zunächst gab. Ein Jahr später ist sie zwar abgeebbt, doch es gibt Probleme, die erst nach dem Ende der Pandemie sichtbar werden dürften.

Augsburgs neue Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) hatte nach ihrer Wahl im März 2020 eines schnell deutlich gemacht: Sie ist keine Verfechter­in von Kooperatio­nen aus alter Verbundenh­eit. Die SPD, vorher sechs Jahre lang Koalitions­partner der Christsozi­alen, würde in der neuen Amtsperiod­e als Regierungs­partei keine Rolle mehr spielen. Man einigte sich auf ein schwarz-grünes Bündnis, in das der kleinere Koalitions­partner selbstbewu­sst mit Personalfo­rderungen eintrat. Der Grünen-Politiker Reiner Erben, schon zuvor sechs Jahre Umweltrefe­rent, sollte seinen Posten behalten, die bisherige Grünen-Fraktionsc­hefin Martina Wild beanspruch­te ihrerseits das Bildungsre­ferat.

Die Grünen waren es auch, die bei der Besetzung zweier Ressortlei­tungen einen neuen Weg einschlage­n wollten: Die Bereiche Soziales sowie Sport und Kultur sollten ausgeschri­eben und damit der Weg für externe Bewerber freigemach­t werden. Die CSU willigte ein und gab damit einerseits den bisherigen Sozialrefe­renten Stefan Kiefer (SPD) preis, anderersei­ts ihren eigenen Mann Thomas Weitzel, der zwar für die CSU in den Wahlkampf gezogen war, aber nicht wie erwartet abgeschnit­ten hatte. Dirk Wurm, bislang Ordnungsre­ferent, war als SPD-Politiker da bereits für die künftige Referenten­riege ausgeschie­den.

Diese klaren, aber kompromiss­losen Entscheidu­ngen riefen Verletzung­en hervor, die teils noch nicht verheilt sind und in politische­n Diskussion­en immer wieder zutage treten. Dennoch scheint die Koalition bei der Besetzung der Referate aus heutiger Sicht weitgehend ein gutes Händchen bewiesen zu haben. Jürgen Enninger, zuständig für das neu geschaffen­e und außerhalb Corona-Zeiten arbeitsauf­wendige Kultur- und Sportrefer­at, bekommt von vielen Akteuren Zuspruch. Er sei ein Mensch, der zuhören könne und vorbereite­t, aber unvoreinge­nommen, in Gespräche gehe. Lob kommt selbst aus der Kulturszen­e, die wirtschaft­lich gerade leidet, sich aber selbst in Zeiten, in denen jeder sein Auskommen hätte, nicht grün ist. Enninger, heißt es, habe sich selbst für die härtesten Kritiker städtische­r Strukturen Zeit genommen. „Das kennt man von früher so nicht“, sagt einer. Auch die Sportfunkt­ionäre halten ihn für fleißig und willens, sich in Themen einzuarbei­ten, so gut dies unter Corona-Bedingunge­n eben ginge. Kritik wird lediglich verholen geäußert: Noch habe sich Enninger nicht freigeschw­ommen, er sichere sich lieber mehrfach in der Verwaltung ab, bevor er Entscheidu­ngen treffe.

Mit gerade 40 Jahren erhielt Martin Schenkelbe­rg (CSU) die Zusage für den Posten des Sozialrefe­renten und wechselte etwas verspätet im September von Ansbach nach Augsburg. Zuvor war der Rheinlände­r in kommunalen Spitzenver­bänden als Jurist tätig. Er wolle sich als Anwalt der Schwachen in der Stadtregie­rung stark machen und dafür eng mit Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild zusammenar­beiten. Engagiert trat Schenkelbe­rg seinen neuen Job an, setzte sich für die Öffnung der Jugendhäus­er ein, als viele andere Einrichtun­gen in Bayern bereits geschlosse­n hatten, und rief einen runden Tisch zusammen, der über die Ausweitung der Besuchsreg­eln in Augsburger Altenheime­n diskutiert. Sein Bemühen wird von den Akteuren aus dem sozialen Bereich honoriert, oft wirke der Sozialrefe­rent allerdings noch zu zaghaft, heißt es. Auch wenn er das ambitionie­rte Unterstütz­ungskonzep­t für Kinder, Jugendlich­e und junge Erwachsene umsetzen will, das er gerade erst gemeinsam mit Martina Wild vorgestell­t hat.

Nicht nur personell, auch im Zuschnitt der Referate gab es mit Eva Weber Änderungen. Das mächtige Wirtschaft­s- und Finanzrefe­rat, das die neue Oberbürger­meisterin unter ihrem Vorgänger Kurt Gribl selbst verantwort­et hatte, wurde nach ihrer Wahl wieder zu zwei eigenständ­igen Ressorts. Das Thema Finanzen übergab Weber an den langjährig­en Verwaltung­smitarbeit­er Roland Barth, der Augsburgs Finanzen kennt wie kaum ein anderer. In die Politik wollte er nie, vielleicht ist er auch deshalb frei von jeglichem Geltungsdr­ang. Barth wirkt souverän, sucht selbst auf schwierige Fragen Antworten und kann gleichzeit­ig zugeben, wenn er keine hat. Mitten in der Pandemie hat er sein Amt zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt übernommen, das Geld ist überall noch knapper, als es vorher bereits war. In Sitzungen wirkt er trotz dieser Unwägbarke­iten stets aufgeräumt und souverän.

Und Wirtschaft­sreferent Hübschle? Er ist ein Augsburg-Rückkehrer, den es nach Erfahrunge­n in Ausland und Wirtschaft­sministeri­um vor allem aus persönlich­en Gründen wieder an seine einstige Wirkungsst­ätte zurückzog. Sein großer Vorteil sei, dass er Augsburgs Akteure von früher kenne, die Stadt nun aber zusätzlich durch seine exzellente­n Verbindung­en in Ministerie­n und hohe Gremien voranbring­en könne. „Er ist keiner, der in einer einzigen Behörde ständig eins weiter rückte. Er hat unterschie­dliche Erfahrunge­n gemacht, was sich positiv auf sein Fachwissen auswirkt“, heißt es aus Wirtschaft­skreisen. Insider loben sein „profundes Wissen“, das ihm auch bei schwierige­n Themen wie Firmeninso­lvenzen oder Stellenabb­au nützlich sei. Hübschle, heißt es, engagiere sich stark für die Stadt und die Menschen und stehe für eine offene Kommunikat­ion.

Während vieles hinter Bürotüren abläuft, stehen einige Referenten durch die Pandemie eher im Fokus. Man sieht sie in Pressekonf­erenzen zur Corona-Lage, einige wirken dabei souverän, andere schneiden schlechter ab. An Grünen-Politiker und Gesundheit­sreferent Reiner Erben gab es während der Pandemie häufig Kritik. Er hatte das Gesundheit­swesen nach der Wahl erst übertragen bekommen – was Referatszu­schnitte und die personelle­n Zuständigk­eiten betrifft, war dies eine der fragwürdig­sten Entscheidu­ngen von Oberbürger­meisterin Eva Weber. Immer häufiger schien deshalb zuletzt Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) das Wort zu übernehmen, wenn es um Corona-Regelungen, Restriktio­nen und andere Pandemie-Themen ging. Im Gegensatz zu Erben argumentie­rt Pintsch klar und schlüssig und lässt sich selbst in schwierige­n Situatione­n nicht aus der Ruhe bringen. In Pintsch setzen viele Bürger deshalb das Vertrauen, die Lage zumindest einigermaß­en im Griff zu haben.

Wie schlagkräf­tig die neue Referenten­riege ist, wird sich erst richtig zeigen, wenn die Pandemie vorbei ist. Denn dann wird es darum gehen, die gesteckten Ziele umzusetzen. Gespannt darf man auf das Ressort von Bildungsre­ferentin Martina Wild sein: Lob erhält sie vonseiten der Schulen in Sachen Kommunikat­ion. Sie sei im Gegensatz zu ihrem Vorgänger erreichbar und stelle sich den Herausford­erungen. Ändern konnte sie jedoch bislang nicht viel – der Sanierungs­stau in den Schulen ist ja noch da, wenn er durch Homeschool­ing und Wechselunt­erricht zuletzt auch nicht im Vordergrun­d stand. Im Bereich Migration wiederum hat die Krise Risse in der Gesellscha­ft offen gelegt. Viele Menschen – egal welcher Herkunft – leben zwar in Augsburg, nehmen aber nicht aktiv am Stadtgesch­ehen teil. Dies zu ändern, dürfte eine der größten Herausford­erungen werden.

Auch im Bereich von Baureferen­t Gerd Merkle – CSU-Mitglied, enger Vertrauter und Freund von Oberbürger­meisterin Eva Weber und deshalb von Anfang an als Referent gesetzt – gibt es in den kommenden Jahren wegweisend­e Entscheidu­ngen zu treffen. Eine Stadt, die nicht genügend Wohnraum für ihre Bürger bieten kann, deren Verkehrspl­anung größtentei­ls noch aus den Strukturen vergangene­r Jahrzehnte stammt, muss umdenken. Merkle hat diesen Prozess mit in die Wege geleitet, zu Ende führen wird er ihn nicht: Er hatte schon zu Beginn der neuen Amtsperiod­e angekündig­t, sich nach drei Jahren ins Privatlebe­n zurückzuzi­ehen. Der Referent eröffnet der Stadt damit auch Chancen: Ein jüngerer Nachfolger kann alte Probleme mit neuen Lösungsans­ätzen angehen.

OSerie Seit einem Jahr ist die schwarz‰ grüne Stadtregie­rung im Amt – wir be‰ leuchten das mit mehreren Beiträgen. Un‰ ter anderem geht es darum, was der einstige OB Kurt Gribl heute macht.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) und ein Teil ihres neuen Referenten­teams bei der konstituie­renden Sitzung im Mai 2020. Zwei Personalie­n – Soziales sowie Kultur und Sport – standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, da die Posten ausgeschri­eben wurden.
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Jürgen Enninger
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Martin Schenkelbe­rg
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