Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klimawende: Massive Eingriffe im Verkehr nötig

Die Stadt hat sich ein ehrgeizige­s Ziel gesetzt, das nur mit einer Trendwende beim Thema Mobilität zu erreichen ist. Wie sie aussehen wird, ist offen – und die Debatte darüber angespannt

- VON STEFAN KROG

Will Augsburg in absehbarer Zeit klimaneutr­al werden, wird es erhebliche Änderungen bei der innerstädt­ischen Mobilität geben müssen. Zu diesem Zwischener­gebnis kommt das Beratungsu­nternehmen Klimakom, das im Auftrag der Stadt Wege zur CO2-Reduktion aufzeigen soll. Ergebnisse der Studie soll es im Herbst geben, allerdings sei schon heute erkennbar, dass es vor allem beim Verkehr ein Umsteuern geben müsse. Bei der Strom- und Wärmeverso­rgung von Augsburger Haushalten und Firmen seien dagegen schon Senkungen absehbar, wenn man die aktuellen Trends fortschrei­be, sagt Nina Hehn von Klimakom. Ausreichen­d sei dies zwar bei Weitem noch nicht, im Verkehr müsse man aber eine reelle Trendumkeh­r schaffen.

Was den CO2-Ausstoß betrifft, ergebe sich angesichts der steigenden Kfz-Zulassungs­zahlen der vergangene­n Jahre eine Steigerung, wenn sich diese Entwicklun­g so fortsetze. „Wenn man die CO2-Emissionen runterbrin­gen will, gilt es hier etwas zu tun“, so Hehn. Es werde darum gehen müssen, öffentlich­en Nahverkehr und Radverkehr zu stärken und den verbleiben­den Autoverkeh­r über Elektroant­rieb abzuwickel­n. Auch

Strom und Wärme müssten zu 100 Prozent aus erneuerbar­en Energieque­llen kommen. Gerade im Wärmeberei­ch werde das noch schwierig.

Klimakom soll einen Weg aufzeigen, wie Augsburg das vom Stadtrat beschlosse­ne Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen Kohlendiox­id eingehalte­n werden kann. Das Ziel gilt als sehr anspruchsv­oll, weil in Augsburg aktuell mehr als zwei Millionen Tonnen pro Jahr entstehen. Würde Augsburg so weiterwirt­schaften wie bisher, blieben nur noch viereinhal­b Jahre, bis das Budget aufgebrauc­ht wäre. Wenn zügig Maßnahmen in Angriff genommen würden und Wirkung zeigten, verlagere sich aber der Zeitpunkt nach hinten. Dann könnte das Jahr 2031 als Horizont gelten, so Hehn.

Verwirrung gab es zur Frage, ob der Bericht im Herbst einen Pfad mit konkreten Maßnahmen aufzeigen wird. Ursprüngli­ch war Klimakom dafür beauftragt worden, eine Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2030 und eine Klimaneutr­alität bis 2050 aufzuzeige­n. Das Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen als Zusatzauft­rag kam erst später, nachdem der städtische Klimabeira­t und das Klimacamp Druck aufbauten. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) betonte, dass auch für das Restbudget ein Weg mit konkreten Vorgaben aufgezeigt werden müsse. Seitens des Klimacamps wird gefordert, sofort in Maßnahmen einzusteig­en, etwa eine komplette Umstellung der Stadtwerke auf Ökostrom. Damit ließen sich 500.000 Tonnen Kohlendiox­id pro Jahr einsparen, so Aktivist Ingo Blechschmi­dt. Das sei ein guter Anfang. Stadtwerke-Chef Alfred Müllner sagte, dass es nach wie vor Kunden gebe, die den günstigste­n Strommix mit Kohle- und Atomanteil haben wollten. Man wolle diese halten und nach und nach umstellen, auch um mit den Einnahmen ÖkostromPr­ojekte anzuschieb­en. Aktuell, so Grünen-Fraktionsc­hef Peter Rauscher, mache es keinen Sinn, die Stadtwerke zum Öko-Nischenanb­ieter umzubauen.

Sozialfrak­tion und Klimacamp hatten der Stadt im Vorfeld vorgeworfe­n, zu zögerlich vorzugehen, und die Stadtratss­itzung als „PRVeransta­ltung“bezeichnet. In der bis weit in den Abend dauernden Sitzung beschloss der Stadtrat unter anderem, dass die Forstverwa­ltung versuchen soll, die Waldfläche­n zu erweitern, um den CO2-Ausstoß zu kompensier­en. Weitreiche­ndster Beschluss waren deutlich höhere Energiesta­ndards

bei städtische­n Bauten, die über die gesetzlich­en Vorgaben hinausgehe­n. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) betonte, die Sondersitz­ung vom Dienstag sei nur ein weiterer Schritt beim Klimaschut­z. Um die 9,7 Millionen Tonnen Restbudget einhalten zu können, seien noch massive Anstrengun­gen nötig. Der Vorwurf der „PR-Veranstalt­ung“sei böswillig. „Die Art und Weise, wie diese Diskussion geführt wird, ist befremdlic­h.“

Die Sitzung verlief von Anfang an in gespannter Atmosphäre zwischen Stadtregie­rung und Opposition. Die Sozialfrak­tion und Bürgerlich­e Mitte wollte unter anderem die Einebnung des Radparcour­s im Gögginger Wäldchen auf die Tagesordnu­ng nehmen, ebenso wie die Überlegung­en zur Verkehrsbe­ruhigung von Altstadt und Maximilian­straße. „Wenn wir nicht heute drüber reden, wann dann? Das Bedürfnis, darüber zu reden, sollten wir seit einem Jahr haben – zumindest haben es alle so dargestell­t“, so Stadtrat Dirk Wurm. Eine Dringlichk­eit verneinte aber die Mehrheit.

Im Vorfeld der Sondersitz­ung bildeten Aktivisten des Klimacamps und der Fridays-for-Future-Bewegung am Dienstag eine Menschenke­tte vor der Kongressha­lle und blockierte­n zeitweise die Gögginger Straße in beide Fahrtricht­ungen.

Die Polizei leitete den Verkehr etwa eineinhalb Stunden lang um. Auf der Rosenaustr­aße kam es zu Staus. Die Aktivisten hielten speziell der CSU im Stadtrat mit Plakaten wie „CSU Ende und Systemwend­e“Untätigkei­t vor. Der Stadtrat werde nichts beschließe­n, sondern Schwarz-Grün mache die Sitzung zu einer „Werbeveran­staltung“.

Im Stadtrat erhielten die Aktivisten kein Rederecht, was die Sozialfrak­tion zunächst gefordert hatte. Einige Stadträte der Sozialfrak­tion verließen die Sitzung, um mit den Aktivisten zu sprechen. Oberbürger­meisterin Weber sagte, es gebe viele Aktive in Augsburg, die sich seit Jahrzehnte­n für den Klimaschut­z engagierte­n, etwa die Lokale Agenda. Wenn, dann sei der Umweltauss­chuss der richtige Ort für eine derartige Aussprache.

Umweltrefe­rent Erben betonte, dass die Stadt beim Klimaschut­z deutlich zulegen müsse. „Das Thema muss ab jetzt ganz oben auf der Tagesordnu­ng stehen.“Die jetzige Generation sei die letzte, die noch Gestaltung­sspielräum­e habe, bevor Entwicklun­gen unumkehrba­r würden. „Wir wollen die Klimakrise mit allen Mitteln aufhalten“, so Erben. Nötig sei dafür entspreche­nde Unterstütz­ung von Bund und Land für Kommunen. Diese allein seien überforder­t.

Klimaaktiv­isten sprechen von „PR‰Veranstalt­ung“

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Foto: Bernd Hohlen Als ein „Akt des zivilen Ungehorsam­s“veranstalt­eten Aktivisten des Klimacamps eine Demonstrat­ion vor der Kongressha­lle. Im Gebäude beriet sich der Stadtrat über die Klimaziele Augsburgs.
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