Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Stadt will mehr Bürger zum Impfen bewegen

Auch in Augsburg gibt es Viertel und Schichten, die besonders von Corona betroffen sind. Deshalb soll dort jetzt noch gezielter geimpft werden. Mit den Ausgabeste­llen der Tafeln geht es los

- VON JÖRG HEINZLE UND INA MARKS

Armin B. (Name geändert) isst seine zweite Portion Gulasch mit Reis. Der 63-Jährige, der früher bei Gelegenhei­tsarbeiten auf dem Bau ein schmales Geld verdient hat, besucht regelmäßig die Wärmestube in Augsburg. Auch hier, wo die Bedürftige­n der Stadt kostenlos eine warme Mahlzeit erhalten, ist das Impfen gegen Covid-19 ein Thema. Armin B. sagt: „Ich will mich nicht impfen lassen, ich habe keine Angst vor Corona.“Eine Ausnahme aber würde er machen: „Wenn ich eine Impfung brauche, um in eine Spielbank hineingela­ssen zu werden. Aber nur dann.“Armin B. ist nur einer von vielen Menschen, die die Stadt künftig besser beim Thema Corona und Impfen erreichen will. Denn wie in anderen Städten, sind auch in Augsburg bestimmte Viertel und Schichten besonders von der Pandemie betroffen. Deshalb soll dort gezielter geimpft werden – schon in Kürze soll es losgehen.

In einem ersten Schritt soll es bei den Ausgabeste­llen der Augsburger Tafel Impfangebo­te geben, kündigte Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) an. Die Tafeln versorgen Bedürftige mit Lebensmitt­eln. Die Kunden der Tafel haben laut Stadt das Recht auf eine bevorzugte Impfung. Sie zählen zur Prio-Gruppe 3, die aktuell in Augsburg an der Reihe ist. In der Corona-Impfverord­nung werden „Personen mit prekären Arbeitsode­r Lebensbedi­ngungen“eigens erwähnt. In der Prio-Gruppe 3, die ansonsten überwiegen­d Menschen ab 60 Jahren sowie Personen mit bestimmten Vorerkrank­ungen und Berufen umfasst, warten aktuell rund 15000 Augsburger auf eine Impfung. Dass die Warteliste derzeit nicht kürzer wird, liegt laut Stadt daran, dass der Impfstoff noch immer knapp ist und im Moment auch für viele Zweitimpfu­ngen benötigt wird. Zudem melden sich regelmäßig neue Personen an.

Dass die Corona-Pandemie die Menschen in der Stadt unterschie­dlich stark trifft, zeigen Zahlen des Gesundheit­samtes. Das Amt hat die Infektions­zahlen seit Beginn der Pandemie erfasst, darunter auch den Wohnort der Betroffene­n nach Postleitza­hlen-Gebieten. Im am stärksten betroffene­n Gebiet haben sich demnach etwas mehr als sieben von 100 Einwohnern nachweisli­ch mit dem Coronaviru­s infiziert – es umfasst Teile von Oberhausen und das Viertel „Links der Wertach“. Niedriger waren die Infektions­zahlen unter anderem in Göggingen mit knapp vier Infizierte­n pro 100 Einwohnern. Die Stadt sieht das vor allem durch die Wohn- und Arbeitssit­uation begründet. Dr. Thomas Wibmer vom Gesundheit­samt sagt, die Infektions­zahlen seien überall dort besonders hoch, wo viele Menschen einfachere, auch schlechter bezahlte Jobs haben – und dort, wo viele Menschen in einem Haushalt leben.

Dass in diesen Vierteln auch der Anteil der Migranten besonders hoch ist, ist nach Wibmers Einschätzu­ng hingegen nicht der entscheide­nde Faktor. Dennoch will die Stadt Migranten noch einmal gezielt ansprechen – auch auf das Impfen. „Seit Juli letzten Jahres halten wir regelmäßig­e runde Tische mit Vertreteri­nnen und Vertretern aus migrantisc­hen Vereinen, dem Islamforum und dem Integratio­nsbeirat speziell zu Corona ab“, sagt Bürgermeis­terin Martina Wild (Grüne), die für das Thema Integratio­n zuständig ist. Geplant sind jetzt eine erneute Informatio­nskampagne und der verstärkte Kontakt zu Vereinen, darunter auch Moscheever­einen. Zudem sollen bekannte Augsburger für das Impfen und Testen werben.

Inzwischen haben in Augsburg gut 98000 Menschen zumindest eine Erstimpfun­g gegen das CoronaViru­s erhalten. Damit liegt die Impfquote rein rechnerisc­h bei 33 Prozent. In der Realität kann es Abweichung­en geben, da im Impfzentru­m und durch mobile Teams auch Menschen geimpft werden, die zwar in der Stadt zum Beispiel in einem Seniorenhe­im arbeiten, aber im Umland leben. Umgekehrt werden Augsburger außerhalb der Stadt geimpft. Bei den Impfungen in den Arztpraxen spielt der Wohnort des Patienten ohnehin keine Rolle.

Besonders hoch ist die Impfquote bei den Älteren – sie werden wegen des höheren Risikos für schwere

Verläufe bevorzugt. Bei den über 80-Jährigen liegt die Impfquote über 70 Prozent, bei den über 70-Jährigen dürfte sie inzwischen bei über 60 Prozent liegen. Genau ist auch das nicht festzustel­len, weil das Alter derer, die in den Arztpraxen geimpft werden, der Stadt nicht bekannt ist. Es gibt keine Statistik, in welchen Stadtviert­eln die Impfbereit­schaft besonders gut oder schlecht ist. Das Impfzentru­m ist an die bayernweit­e Software „BayImco“gebunden – eine Auswertung nach Vierteln oder Postleitza­hl-Gebieten ist hier bislang nicht möglich.

Das Impfen bei den Augsburger Tafel-Ausgabeste­llen soll schnell beginnen. Geplant ist zudem, mit einem mobilen Impfangebo­t besonders betroffene Stadtteile und Personengr­uppen zu besuchen. Dies sei möglich, sobald die Impf-Priorisier­ung vom Bund aufgehoben werde, sagt Oberbürger­meisterin Weber. Die Stadt hätte dafür gerne gezielt den Impfstoff von Johnson & Johnson eingesetzt, da er nur einmal verabreich­t werden muss. Nachdem dieser Impfstoff aber nur für Personen über 60 Jahre empfohlen wird, muss man wohl auch auf die anderen Hersteller setzen.

Auch die Wärmestube und Aufenthalt­sorte von Obdachlose­n sollen von mobilen Impfteams angesteuer­t werden, berichtet Sozialpäda­gogin Carina Huber. Sie und ihre Kollegen leisten bei den Besuchern der Wärmestube, die vom Sozialverb­and SKM betrieben wird, derzeit viel Aufklärung­sarbeit. Einige ihrer Klienten hätten Angst vor möglichen Nebenwirku­ngen, da sie unter Vorerkrank­ungen litten – „auch als Folge ihres Alkoholkon­sums“. Wärmestube-Besucher Armin B. jedenfalls sagt von sich, er sei gesund. Überzeugen von der Notwendigk­eit einer Impfung lässt er sich nicht. Doch das mit der Spielbank, das hat er im Blick.

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Foto: Silvio Wyszengrad Eine Mitarbeite­rin bei der Arbeit im Augsburger Impfzentru­m: Die Stadt will künftig auch bei den Lebensmitt­el‰Ausgabeste­llen der Tafeln impfen.

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