Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Umfahrung Adelsried – was hat’s gebracht?

Seit knapp sechs Monaten ist der Millionenb­au eröffnet. Anwohner berichten von weniger Verkehr innerhalb der Gemeinde, aber auch von der „Rennstreck­e Umfahrung“. Zeit für eine erste Bilanz

- VON PHILIPP KINNE

Adelsried Das Erdbeerhäu­schen steht jetzt nicht mehr auf dem Supermarkt­parkplatz in Adelsried, sondern an der neuen Umfahrung. „Der Chef meint, hier ist mehr los“, sagt Verkäuferi­n Ramona Loferer. Ende November wurde die 6,5 Kilometer lange und rund 24 Millionen Euro teure neue Strecke für den Verkehr freigegebe­n. Anwohner berichten nun von deutlich weniger Verkehr in Adelsried. Während die einen sich über mehr Ruhe freuen, sehen die anderen neue Gefahren. Was bringt die neue Umgehung?

Werner Reschke, Fachbereic­hsleiter der Straßenver­kehrsbehör­de im Landratsam­t, liefert Fakten. Er sagt: „Es ist eine deutliche Entlastung in Adelsried zu spüren.“Das bestätigt auch die Statistik. Waren 2015 noch durchschni­ttlich etwa 6500 Autos und Lastwagen täglich im Ort unterwegs, wurden zuletzt nur noch rund 4500 Fahrzeuge am Tag gezählt. Knapp sechs Prozent davon sind Lastwagen. Auch Anwohnerin Barbara Tangl stellt fest, dass es etwas ruhiger wurde. Die wohnt direkt an der Augsburger Straße. Ihr Mann habe zu Beginn nachgezähl­t, erzählt Tangl: „Er hat alle Autos am Kreisverke­hr beobachtet, etwa 40 Prozent sind in den Ort gefahren, die anderen auf die Umfahrung.“

Weniger Autos sind es zwar geworden, meint auch die Adelsriede­rin Laura Birling. Doch besonders in der Kurve an der Raiffeisen­bank werde viel zu schnell gefahren. Dennoch sei sie „wahnsinnig happy“, dass besonders weniger Laster durch den Ort brausen. „Man kann jetzt auch mal sonntags auf der Terrasse sitzen und sich unterhalte­n“, sagt Birling. Ihr 66-jähriger Nachbar bestätigt das. Ihn stört allerdings etwas anderes: „Die Umfahrung ist zur Rennstreck­e geworden“, sagt er. Mit diesem Eindruck ist er nicht allein. Aber stimmt das?

„Subjektiv mag das so wahrgenomm­en werden“, sagt Werner Reschke von der Straßenver­kehrsbehör­de. Objektiv aber nicht unbedingt. Denn die durchschni­ttliche Geschwindi­gkeit auf der neuen Umfahrung liege bei 97 Kilometern pro Stunde, wie eine Messung zwischen März und April ergab. „Für diese Geschwindi­gkeit ist die Straße ja auch gebaut“, sagt Reschke. Allerdings: Ausreißer gibt es immer wieder. So habe man während der Messung zum Beispiel einen Raser mit knapp 180 Sachen erwischt. Doch das sei die absolute Ausnahme, so der Verkehrsex­perte. Auch die Polizei bestätigt, dass die Strecke bislang nicht negativ auffalle. In diesem Jahr habe es allerdings bereits drei Unfälle auf der Strecke gegeben, sagt Raimund Pauli, Chef der Polizei in Zusmarshau­sen. Zwei davon wegen glatter Fahrbahn und unangepass­ter Geschwindi­gkeit. Im März verlor eine 55-Jährige auf der neuen Umfahrung ihr Leben.

Stefan Scheider, Bürgermeis­ter in Welden, stellt fest, dass einzelne Fahrzeuge auf der Strecke „massiv“gegen das Tempolimit von 100 Sachen verstoßen. Langfristi­g müsse man deshalb über eine Reduzie68-Jährige rung der Geschwindi­gkeitsbegr­enzung nachdenken. Grundsätzl­ich sei die Umfahrung aber ein Erfolg. „Sie wird gut angenommen“, meint Scheider. Aus Richtung Wertingen komme man nun schneller zur Autobahn, was besonders Pendler freuen dürfte. Doch nicht alle freuen sich über weniger Verkehr im Ort. Getankt wird seit Eröffnung der Umgehung in Adelsried weniger, sagt Tankstelle­n-Mitarbeite­rin Christine Göttinger. Allerdings: „Ob das an der Umfahrung oder an der Pandemie liegt, lässt sich schwer sagen.“Schließlic­h sind in Zeiten des Lockdowns ohnehin weniger Menschen mit dem Auto unterwegs.

Für Bürgermeis­ter Bernhard liegt der Vorteil der neuen Straße auf der Hand: „Der Schwerlast­verkehr durch Adelsried und Kruichen ist deutlich weniger, das bekommt man auch im Rathaus mit“, sagt er. Anderswo stören sich Anwohner aber an mehr Lastwagen. Stefan Vogg von der Bürgerinit­iative (BI) Streitheim fürchtete schon vor Baubeginn mehr Laster in den kleinen Ortschafte­n Streitheim und Auerbach.

„Das hat sich bestätigt“, sagt er. Dass die neue Straße ihren Zweck erfüllt sei unstrittig, dennoch fühlt sich Vogg von der Politik im Stich gelassen. Seit Jahren kämpft er für ein LKW-Verbot durch Auerbach und Streitheim. Besonders nach Unfällen auf der A8 reihen sich die umgeleitet­en Laster im Ort, sagt der Streitheim­er.

Horgaus Bürgermeis­ter Thomas Hafner kann das bestätigen. Sobald die Autobahn dicht ist, staue es sich regelmäßig. Der Gemeindera­t hatte zusammen mit dem in Zusmarshau­sen versucht, ein LKW-Verbot in Auerbach und Streitheim durchzuset­zen. Doch das Vorhaben scheiterte. Für Kreisstraß­en ist der Landkreis und nicht die Kommune zuständig. Weiterhin einsetzen will sich Hafner für einen Kreisverke­hr an der Kreuzung Staatsstra­ße 2025/Kreisstraß­e A5. Der würde die Situation bei Stau entschärfe­n, meint Hafner. Lange Zeit habe sich das zuständige Bauamt dagegen gewehrt. Nun sei man offener für die Idee, sagt Hafner. Derzeit sei man dabei, die Lage mit den Grundstück­seigentüme­rn zu sondieren.

Einzelne Fahrer verstoßen „massiv“gegen das Tempolimit

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Foto: Marcus Merk Ein knappes halbes Jahr fahren Autos und Lastwagen nun auf der neuen Umfahrung Adelsried. Doch, was hat das Millionenp­rojekt verändert?

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