Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Umfahrung Adelsried – was hat’s gebracht?
Seit knapp sechs Monaten ist der Millionenbau eröffnet. Anwohner berichten von weniger Verkehr innerhalb der Gemeinde, aber auch von der „Rennstrecke Umfahrung“. Zeit für eine erste Bilanz
Adelsried Das Erdbeerhäuschen steht jetzt nicht mehr auf dem Supermarktparkplatz in Adelsried, sondern an der neuen Umfahrung. „Der Chef meint, hier ist mehr los“, sagt Verkäuferin Ramona Loferer. Ende November wurde die 6,5 Kilometer lange und rund 24 Millionen Euro teure neue Strecke für den Verkehr freigegeben. Anwohner berichten nun von deutlich weniger Verkehr in Adelsried. Während die einen sich über mehr Ruhe freuen, sehen die anderen neue Gefahren. Was bringt die neue Umgehung?
Werner Reschke, Fachbereichsleiter der Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt, liefert Fakten. Er sagt: „Es ist eine deutliche Entlastung in Adelsried zu spüren.“Das bestätigt auch die Statistik. Waren 2015 noch durchschnittlich etwa 6500 Autos und Lastwagen täglich im Ort unterwegs, wurden zuletzt nur noch rund 4500 Fahrzeuge am Tag gezählt. Knapp sechs Prozent davon sind Lastwagen. Auch Anwohnerin Barbara Tangl stellt fest, dass es etwas ruhiger wurde. Die wohnt direkt an der Augsburger Straße. Ihr Mann habe zu Beginn nachgezählt, erzählt Tangl: „Er hat alle Autos am Kreisverkehr beobachtet, etwa 40 Prozent sind in den Ort gefahren, die anderen auf die Umfahrung.“
Weniger Autos sind es zwar geworden, meint auch die Adelsriederin Laura Birling. Doch besonders in der Kurve an der Raiffeisenbank werde viel zu schnell gefahren. Dennoch sei sie „wahnsinnig happy“, dass besonders weniger Laster durch den Ort brausen. „Man kann jetzt auch mal sonntags auf der Terrasse sitzen und sich unterhalten“, sagt Birling. Ihr 66-jähriger Nachbar bestätigt das. Ihn stört allerdings etwas anderes: „Die Umfahrung ist zur Rennstrecke geworden“, sagt er. Mit diesem Eindruck ist er nicht allein. Aber stimmt das?
„Subjektiv mag das so wahrgenommen werden“, sagt Werner Reschke von der Straßenverkehrsbehörde. Objektiv aber nicht unbedingt. Denn die durchschnittliche Geschwindigkeit auf der neuen Umfahrung liege bei 97 Kilometern pro Stunde, wie eine Messung zwischen März und April ergab. „Für diese Geschwindigkeit ist die Straße ja auch gebaut“, sagt Reschke. Allerdings: Ausreißer gibt es immer wieder. So habe man während der Messung zum Beispiel einen Raser mit knapp 180 Sachen erwischt. Doch das sei die absolute Ausnahme, so der Verkehrsexperte. Auch die Polizei bestätigt, dass die Strecke bislang nicht negativ auffalle. In diesem Jahr habe es allerdings bereits drei Unfälle auf der Strecke gegeben, sagt Raimund Pauli, Chef der Polizei in Zusmarshausen. Zwei davon wegen glatter Fahrbahn und unangepasster Geschwindigkeit. Im März verlor eine 55-Jährige auf der neuen Umfahrung ihr Leben.
Stefan Scheider, Bürgermeister in Welden, stellt fest, dass einzelne Fahrzeuge auf der Strecke „massiv“gegen das Tempolimit von 100 Sachen verstoßen. Langfristig müsse man deshalb über eine Reduzie68-Jährige rung der Geschwindigkeitsbegrenzung nachdenken. Grundsätzlich sei die Umfahrung aber ein Erfolg. „Sie wird gut angenommen“, meint Scheider. Aus Richtung Wertingen komme man nun schneller zur Autobahn, was besonders Pendler freuen dürfte. Doch nicht alle freuen sich über weniger Verkehr im Ort. Getankt wird seit Eröffnung der Umgehung in Adelsried weniger, sagt Tankstellen-Mitarbeiterin Christine Göttinger. Allerdings: „Ob das an der Umfahrung oder an der Pandemie liegt, lässt sich schwer sagen.“Schließlich sind in Zeiten des Lockdowns ohnehin weniger Menschen mit dem Auto unterwegs.
Für Bürgermeister Bernhard liegt der Vorteil der neuen Straße auf der Hand: „Der Schwerlastverkehr durch Adelsried und Kruichen ist deutlich weniger, das bekommt man auch im Rathaus mit“, sagt er. Anderswo stören sich Anwohner aber an mehr Lastwagen. Stefan Vogg von der Bürgerinitiative (BI) Streitheim fürchtete schon vor Baubeginn mehr Laster in den kleinen Ortschaften Streitheim und Auerbach.
„Das hat sich bestätigt“, sagt er. Dass die neue Straße ihren Zweck erfüllt sei unstrittig, dennoch fühlt sich Vogg von der Politik im Stich gelassen. Seit Jahren kämpft er für ein LKW-Verbot durch Auerbach und Streitheim. Besonders nach Unfällen auf der A8 reihen sich die umgeleiteten Laster im Ort, sagt der Streitheimer.
Horgaus Bürgermeister Thomas Hafner kann das bestätigen. Sobald die Autobahn dicht ist, staue es sich regelmäßig. Der Gemeinderat hatte zusammen mit dem in Zusmarshausen versucht, ein LKW-Verbot in Auerbach und Streitheim durchzusetzen. Doch das Vorhaben scheiterte. Für Kreisstraßen ist der Landkreis und nicht die Kommune zuständig. Weiterhin einsetzen will sich Hafner für einen Kreisverkehr an der Kreuzung Staatsstraße 2025/Kreisstraße A5. Der würde die Situation bei Stau entschärfen, meint Hafner. Lange Zeit habe sich das zuständige Bauamt dagegen gewehrt. Nun sei man offener für die Idee, sagt Hafner. Derzeit sei man dabei, die Lage mit den Grundstückseigentümern zu sondieren.
Einzelne Fahrer verstoßen „massiv“gegen das Tempolimit