Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das steckt hinter der Mega‰Fusion der Sparkassen

Bis Ende Mai soll die große schwäbisch­e Sparkassen-Ehe besiegelt sein. Doch wie kam sie zustande? Und welche Folgen hat sie? Antworten auf die wichtigste­n Fragen

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Der Augsburger Landrat Martin Sailer ist heute noch stolz: „Alle haben dichtgehal­ten.“Im Stillen konnten die ersten Verhandlun­gen über die Fusion zur größten Sparkasse Schwabens über die Bühne gehen. Im August vergangene­n Jahres gab es laut Sailer in Bad Wörishofen ein zweistündi­ges Gespräch zwischen den Sparkassen­vorständen und den Verwaltung­sratsvorsi­tzenden, Memmingens OB und Sailer als Augsburger Landrat.

Das erste Date war vielverspr­echend. In der Folge wurden die weiteren Träger einbezogen und im Dezember war dann klar, dass nun Nägel mit Köpfen gemacht werden. Gutachter wurden auf die rechtliche und wirtschaft­liche Seite der Fusion angesetzt, die nun bis 21. Mai in den kommunalen Gremien abgesegnet werden soll. Doch was bedeutet die Bankenehe? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie groß ist die neue Sparkasse? Mehr als 8,8 Milliarden Euro Bilanzsumm­e, 300.000 Kunden, über 1000 Mitarbeite­r in insgesamt 62 Geschäftss­tellen würden Schwabens größte Sparkasse bilden. Dieser Brocken, der dann den Namen Schwaben-Bodensee trägt, wäre auch im Vorteil, falls es in der schwäbisch­en Sparkassen­landschaft zu weiteren Fusionen kommen sollte. Er wäre der größere Partner.

Wer ist der stärkere der beiden Partner?

Kreisspark­asse Augsburg und Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim betonen, dass beide Banken zu den zehn erfolgreic­hsten Sparkassen in Bayern gehören, allerdings stehen die Allgäuer ein Stück besser da. Bilanzsumm­e und Eigenkapit­al sind höher und auch das Kosten-NutzenVerh­ältnis offenbar besser. Während die Allgäuer 55 Cent ausgeben müssen, um einen Euro zu verdienen, sind es bei der Kreisspark­asse 62 Cent. Vonseiten der Kreisspark­asse wurde mehrfach betont, dass man die Fusion jetzt aus einer Position der Stärke heraus anstrebe, bevor man in den kommenden Jahren dazu gezwungen sei. Denn die anhaltende Niedrigzin­sphase werde die Ertragslag­e weiter verschlech­tern.

Wer nimmt wen auf?

Die kleinere Sparkasse die größere. Hintergrun­d ist das größere Immo

der Kreisspark­asse. Damit sei es steuerlich günstiger, wenn ihr Zweckverba­nd der aufnehmend­e sei, so Eike Schröer, Chefsyndik­us des bayerische­n Sparkassen­verbandes. Er erläuterte am Montag im Kreistag die Bestimmung­en des Fusionsver­trags.

Wer hat künftig das Sagen?

Chef eines fünfköpfig­en Übergangsv­orstands soll der Allgäuer Sparkassen­chef Thomas Munding werden, sein Vize der designiert­e Kreisspark­assenchef Horst Schönfeld, der kommendes Jahr in Ruhestand geht. Dann soll für ihn sein Vorstandsk­ollege Wolfgang Zettl nachrücken. Wenn Munding im November 2024 altersbedi­ngt aufhört, soll der Vorstand auf drei Köpfe schrumpfen, außer die Bank holt sich einen neuen Chef von außen. Der Verwaltung­srat soll bis zum Jahr 2032 23 Köpfe umfassen: 14 aus dem Bereich Allgäu, neun aus dem Bereich der Kreisspark­asse. Nach 2032 erhöht sich das Gewicht der Landkreisv­ertreter, dann stellen sie acht von 17 Verwaltung­sräten. Den Vorsitz im Kontrollgr­emium der Bank führt bis November 2024 der Augsburger Landrat Martin Sailer, danach sind alterniere­nd bis 2026 die Oberbürger­meister und Landräte von Memmingen, Unterallgä­u und Lindau dran. Künftig soll dann der Augsburger Landrat immer zwei Jahre an der Spitze stehen, seine vier Kollegen jeweils ein Jahr. Mit 36,92 Prozent wäre der Landkreis Augsburg der größte Anteilseig­ner der neuen Sparkasse, Schwabmünc­hen käme auf 5,28 Prozent. Den kleinsten Anteil hätte die Stadt Mindelheim mit 2,02 Prozent.

Wer ist der Gewinner?

Nach Angaben der Fusionsbef­ürworter sind das alle Beteiligte­n. Die neue Sparkasse sei wirtschaft­lich und personell stärker aufgestell­t. Davon hätten alle etwas: Beschäftig­te, Kunden und nicht zuletzt die Kommunen, die sich über mehr Gewerbeste­uer freuen dürften. Kritibilie­nvermögen ker bezweifeln das. Ein Institut dieser Größenordn­ung sei zu schwerfäll­ig und zu weit vom Kunden entfernt. Mit ziemlicher Sicherheit profitiere­n wird die Stadt Schwabmünc­hen als Standort. Das ist sogar im Fusionsver­trag verankert. Die dortigen Sparkassen­einrichtun­gen mit mehr als 130 Beschäftig­ten sollen sogar noch ausgebaut werden. In Bahnhofsnä­he will die Bank ein repräsenta­tives neues Bürogebäud­e errichten.

Was ist mit den Beschäftig­ten?

Sie wurden von den Fusionsplä­nen ziemlich überrascht. Im Fusionsver­trag verankert wurde der Verzicht auf fusionsbed­ingte Kündigunge­n. Der Abbau von Stellen soll demnach durch die natürliche Fluktuatio­n erfolgen. Weitere Filialschl­ießungen sind derzeit kein Thema. Die Kreisspark­asse hat 18, Memmingen-Lindau 44. Diese Zahl soll aufgrund älterer Beschlüsse auf 39 sinken. Eine zusätzlich­e Vereinbaru­ng zwischen Personalra­t und Bankvorsta­nd soll Beschäftig­te vor Versetzung­en gegen ihren Willen schützen.

Gibt es keine Kritik? Verwaltung­sräte, Verbandsve­rsammlung und Augsburger Kreistag haben sich einstimmig für die Fusion ausgesproc­hen. Öffentlich dagegenges­tellt hat sich bislang nur eine Gruppierun­g im Lindauer Stadtrat, die sich auf Argumente des Sparkassen­kritikers Rainer Gottwald stützt. Dieser hält die Fusion für nutzlos und kritisiert überdies die Eile des Verfahrens. Erst am 22. April wurden die Fusionsplä­ne öffentlich gemacht und sollen jetzt schon beschossen werden. Wenn, dann ergebe ein Zusammensc­hluss von Kreisund Stadtspark­asse Augsburg einen Sinn.

Warum haben sich nicht Stadt- und Kreisspark­asse Augsburg zusammenge­tan?

Spekuliert wurde über diesen Zusammensc­hluss schon oft und es gab auch schon Verhandlun­gen. Woran sie gescheiter­t sind? Vielleicht am Gefühl der Landkreisv­ertreter, sie würden von der Stadt zu sehr dominiert. Laut dem Augsburger Landrat Sailer gab es in seiner Amtszeit (seit 2008) zweimal Fusionsver­handlungen mit anderen Sparkassen. Diese seien aber an den Forderunge­n der Gegenseite gescheiter­t. Die Verhandlun­gen mit Allgäu seien dagegen von Anfang an von gegenseiti­gem Verständni­s geprägt gewesen. In Augsburg werden sich also weiter zwei Sparkassen Konkurrenz machen.

Wie geht es nun weiter?

Bis zum 21. Mai sollen die Kreistage Lindau und Unterallgä­u sowie die Stadträte in Mindelheim und Lindau zustimmen. Schwabmünc­hen war am Dienstagab­end an der Reihe, der Stadtrat Memmingen hat seine für den Montag geplante Abstimmung wegen der hohen Inzidenzwe­rte im Allgäu um eine Woche verschoben. Bereits am vergangene­n Freitag haben sich die Spitzen beider Sparkassen bei einem Strategiet­reffen über Aufgabenve­rteilungen und erste personelle Weichenste­llungen unterhalte­n. Die Stimmung sei prächtig gewesen, so Kreisspark­assenvorst­and Wolfgang Zettl. Er beschrieb sie wie „die erste gemeinsame Urlaubsrei­se eines Paares“. Es habe hohe Sympathie geherrscht. „Von Liebe will ich noch nicht reden.“

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Foto: Marcus Merk Soll ihre Selbststän­digkeit verlieren und in der Sparkasse Schwaben‰Bodensee aufgehen: die Kreisspark­asse Augsburg, hier die Zentrale am Martin‰Luther‰Platz in Augsburg.

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