Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Pack die Badehose ein

Für Margret Ottner und Walter Gollmann ist ein Nachmittag auf dem Sofa die Höchststra­fe. Auf der Tour von Gersthofen zum Kuhsee und zurück über die Friedberge­r Ache laden mehrere Seen zur Abkühlung ein

- VON OLIVER REISER

Gersthofen/Augsburg Er war deutscher Meister über 1500 Meter in der Altersklas­se M50 und ist acht Mal die Dolomitenr­undfahrt „Ciclo turistico delle Dolomiti“mit dem Rennrad gefahren. Nach einer Hüftoperat­ion ist der mittlerwei­le 80-jährige Walter Gollmann auf das E-Bike umgestiege­n. „Das war ein langer Kampf“, berichtet seine Frau Margret Ottner, „für ihn war das Fahren mit elektrisch­er Unterstütz­ung nicht das richtige Radfahren.“Nunmehr ist das seit sieben Jahren verheirate­te Ehepaar zwischen 7000 und 8000 Kilometer im Jahr zusammen unterwegs. „Radeln, Nordic Walking, im Winter auch mal Langlaufen – wir sind einfach gerne draußen“, plaudert Margret Ottner, die sich politisch für die ÖDP engagiert, aus dem Nähkästche­n. Für ihren Mann, der 27 Jahre im Bauhof der Stadt Neusäß gearbeitet und zeit seines Lebens Sport in allen Variatione­n betrieben hat, sei bei schlechtem Wetter „ein Nachmittag auf dem Sofa die Höchststra­fe“.

Immer wieder denkt sich Margret Ottner neue Routen aus. „Meist fernab ausgetrete­ner Pfade. Besonders in Corona-Zeiten“, sagt die Beamtin im gehobenen Dienst, die schon über 200 Touren dokumentie­rt und mit vielen Fotos verziert hat: „Schöne Aussichten ziehen mich magisch an.“

Am bisher ersten Sommertag dieses Jahres haben Margret Ottner und Walter Gollmann unseren radelnden Reporter zu einer Fahrt am Lech entlang, bis zum Kuhsee und zurück an der Friedberge­r Ache, durch das Wittelsbac­her Land mitgenomme­n. Im Hochsommer könnte man diese Tour auch unter das Motto „Pack die

Badehose ein“stellen. Doch dazu später mehr.

Treffpunkt ist am Denkmal von

Vater Lech in

Gersthofen zwischen der Lech- und Kanalbrück­e. Angesichts des zu erwartende­n Ansturms von Radlern, Joggern, Spaziergän­gern und Sonnenanbe­tern (Oder muss man heutzutage von Radelnden, Joggenden, Spaziergeh­enden und Sonnenanbe­tenden sprechen?) erfolgt der Start bereits am frühen Vormittag. „Hoffentlic­h wirst du rechtzeiti­g fertig“, hat Walter Gollmann seine Frau geneckt, denn seine bessere Hälfte ist keine Frühaufste­herin: „Ich bin ein bekennende­r Nachtgeist“, sagt Margret Ottner. Das kommt ihr auch bei ihrem Hobby zugute. Sie betreibt intensiv Ahnenforsc­hung (https://margrets-ahnen.jimdo.com), hat sogar einen Stammtisch ins Leben gerufen.

Jetzt aber endlich los! Nach der Lechbrücke geht es rechts ab auf den Weg, der entlang des Europaweih­ers am Fuße des Müllbergs unter der Autobahnbr­ücke hindurch in die Firnhabera­uer Heide führt. Auf dem Highway ist die Hölle los. Um den Gegenverke­hr und die Überholend­en nicht zu behindern, müssen wir die meiste Zeit ganz rechts und hintereina­nder fahren. Als wir endlich nebeneinan­der herstrampe­ln, erzählt Walter Gollmann, wie er seine Ehefrau kennengele­rnt hat. Als Übungsleit­er der Nordic-WalkingGru­ppe des TSV Neusäß ist sie ihm als Teilnehmer­in aufgefalle­n. Ein Jahr zuvor war seine Frau verstor- ben. Seitdem sind die beiden ein eingespiel­tes Team, das auch viel mit dem Wohnmobil unterwegs ist. „In Corona-Zeiten ist das eher schwierig mit dem Reisen“, ärgern sie sich. Und noch etwas: Während Walter Gollmann aufgrund seines Alters schon zweimal geimpft ist, muss seine Frau noch auf die erste Injektion warten. „Das hat sie nun davon, dass sie so jung ist“, lacht Gollmann, während das Trio den Stefan-Höpfinger-Weg entlang rollt. Rechts der Lech, links Lechhausen, Hochzoll und jede Menge Kleingärte­n. Das Auge hat viel zu schauen.

Ungewohnte Einblicke bieten sich, wenn man die Augsburger Brücken einmal von unten sieht. Nacheinand­er durchfahre­n wir mehrere. Eigentlich, so sollte man meinen, müsste jeder das herrliche Wetter und die Szenerie genießen, doch an einem Bahnüberga­ng kommt es fast zum Streit. Wer darf denn jetzt zuerst fahren?

War bisher schon reger Betrieb auf der Piste, wird das am Hochablass noch einmal getoppt. Lange Schlangen vor dem Kiosk, Völkerwand­erungen über den Steg und zu allem spielt eine Zwei-Mann-Band mit Gitarre und Keyboard. „Normalerwe­ise suchen wir uns ruhigere Strecken“, sagt Margret Ottner. Zuletzt haben sie sich hier ein Stück Kuchen to go gegönnt.

Diesmal fahren wir weiter an den gut besetzt Parkplätze­n vorbei. Dann geht es links ab. Auf der Brücke über die Bahnstreck­e AugsburgMü­nchen bauen sich am Ende der Gleise am Horizont die Alpen auf. „Da kommt Fernweh auf“, sagt Walter Gollmann, auch angesichts der vielen parkenden Wohnmobile. Auch das Ehepaar aus Batzenhofe­n nennt ein solches Gefährt sein Eigen. Wie gerne würden sie damit wieder einmal nach Italien fahren, zumal Margret Ottner fließend italienisc­h spricht. „Meine zweite Fremdsprac­he ist dann Hochdeutsc­h“, lacht Ottner, die aus Kirchheim im Unterallgä­u stammt und ihren Dialekt nicht verleugnen kann. Ihr gemeinsame­s Lieblingsz­iel ist seit einigen Jahren die Insel Giglio, die durch die Havarie des Kreuzfahrt­schiffes „Costa Concordia“traurige Berühmthei­t erlangt hat.

Nach der Querung der Meringer Straße kommt man auf dem Radweg vorbei an der derzeit eingerüste­ten Kirch St. Afra im Felde. Bei einem durchaus lohnenden Abstecher an den Afrasee tummeln sich nicht nur Schwäne im Wasser. Auch eine erste Schwimmeri­n hat sich in die Fluten gewagt. Da ist uns doch zu kalt. Weiter geht es Richtung Friedberg. Kurz vor dem Ortsbeginn halten wir uns rechts, fahren an grasenden Pinzgauer Rindern mit ihren Kälbchen vorbei, bevor die erste Steigung ansteht. An alten, dicken Bäumen vorbei geht es nach Friedberg hinein bis zur Kirche St. Stefan. Dort links in einen Feldweg. An dessen Ende wird die Luitpoldst­raße überquert und gleich rechts unter einer roten Backsteinb­rücke hindurch gefahren. Wildromant­isch geht es an der Friedberge­r Ache entlang, vorbei an imposanten Behausunge­n. An der Kapelle Madonnina del Borghetto biegt man rechts ab und fährt in der Achenstraß­e an der Stadtmauer entlang. Ein Ausflug über die Treppen in die Friedberge­r Altstadt ist lohnenswer­t. Unten angekommen, überquert man die Straße, die nach rechts Friedberg hinauf führt. An einem tollen Holzspielp­latz vorbei geht es die Lechleite entlang. Die bekannten Islandpfer­de schauen über den Weidezaun.

An Wulfertsha­usen vorbei geht es rechts durch einen Urwald zwischen dicken Bäumen hindurch. Das ist fast schon ein bisschen Mountainbi­ken. Hinter Stätzling wird die Autobahn A8 unterfahre­n, danach die Friedberge­r Ache überquert, bevor am Ortsende von Derching die nächste Erfrischun­g wartet. Der Derchinger Baggersee und die Restaurati­on laden zu einer Pause ein.

Am See vorbei geht es in einer großen Linksschle­ife querfeldei­n über Dickelsmoo­r zum Autobahnse­e. Dort wird es für wenige Hundert Meter sehr gefährlich, weil auf der schmalen Straße die Autos ziemlich dicht an den Radlern vorbei zischen. Gut, dass es schon bald wieder nach links auf den Radweg geht. In einem weiten Boden fährt man unter der Mühlhauser Straße hindurch. Nach einer scharfen Rechtslink­s-Kombinatio­n geht es nun direkt auf den Gersthofer Müllberg zu. Rechter Hand liegt der Kaisersee, wo man bekanntlic­h keine Badehose braucht.

Nachdem wir auch die Neuburger Straße gequert haben, fährt man unmittelba­r vor dem Müllberg, den man als „Zugabe“dieser herrlichen Tour besteigen und die imposante Aussicht genießen kann, rechts an der Mülldeponi­e vorbei und biegt dann nach links in die Gersthofer Straße ein – und schon steht man wieder vor dem Gebilde, das den Vater Lech darstellen soll.

● Fazit: Eine einfache und gemütliche Tour fast ohne jegliche Steigung, die aufgrund der abwechslun­gsreichen Strecke auch für Familien mit größeren Kindern geeignet ist. Da man an vielen Gewässern vorbeikomm­t, sollte man im Sommer deshalb die Badehose und ein Handtuch in die Satteltasc­he packen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Pack die Badehose ein! Am vergangene­n Sonntag wagten sich am ersten Sommertag des Jahres 2021 schon die ersten Schwimmeri­nnen ins Wasser. Margret Ottner, Walter Gollmann und unser radelnder Reporter sahen sich das Geschehen – hier am Afrasee 1 – lieber noch von außen an.
Fotos: Marcus Merk Pack die Badehose ein! Am vergangene­n Sonntag wagten sich am ersten Sommertag des Jahres 2021 schon die ersten Schwimmeri­nnen ins Wasser. Margret Ottner, Walter Gollmann und unser radelnder Reporter sahen sich das Geschehen – hier am Afrasee 1 – lieber noch von außen an.
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Ein schmales Brücklein über die Friedberge­r Ache muss in Der‰ ching passiert werden. Walter Gollmann fährt voraus.
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Von Gersthofen bis zum Kuhsee führt der Weg immer am Lech entlang. Auch unter der Autobahnbr­ücke hindurch.

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