Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Pack die Badehose ein
Für Margret Ottner und Walter Gollmann ist ein Nachmittag auf dem Sofa die Höchststrafe. Auf der Tour von Gersthofen zum Kuhsee und zurück über die Friedberger Ache laden mehrere Seen zur Abkühlung ein
Gersthofen/Augsburg Er war deutscher Meister über 1500 Meter in der Altersklasse M50 und ist acht Mal die Dolomitenrundfahrt „Ciclo turistico delle Dolomiti“mit dem Rennrad gefahren. Nach einer Hüftoperation ist der mittlerweile 80-jährige Walter Gollmann auf das E-Bike umgestiegen. „Das war ein langer Kampf“, berichtet seine Frau Margret Ottner, „für ihn war das Fahren mit elektrischer Unterstützung nicht das richtige Radfahren.“Nunmehr ist das seit sieben Jahren verheiratete Ehepaar zwischen 7000 und 8000 Kilometer im Jahr zusammen unterwegs. „Radeln, Nordic Walking, im Winter auch mal Langlaufen – wir sind einfach gerne draußen“, plaudert Margret Ottner, die sich politisch für die ÖDP engagiert, aus dem Nähkästchen. Für ihren Mann, der 27 Jahre im Bauhof der Stadt Neusäß gearbeitet und zeit seines Lebens Sport in allen Variationen betrieben hat, sei bei schlechtem Wetter „ein Nachmittag auf dem Sofa die Höchststrafe“.
Immer wieder denkt sich Margret Ottner neue Routen aus. „Meist fernab ausgetretener Pfade. Besonders in Corona-Zeiten“, sagt die Beamtin im gehobenen Dienst, die schon über 200 Touren dokumentiert und mit vielen Fotos verziert hat: „Schöne Aussichten ziehen mich magisch an.“
Am bisher ersten Sommertag dieses Jahres haben Margret Ottner und Walter Gollmann unseren radelnden Reporter zu einer Fahrt am Lech entlang, bis zum Kuhsee und zurück an der Friedberger Ache, durch das Wittelsbacher Land mitgenommen. Im Hochsommer könnte man diese Tour auch unter das Motto „Pack die
Badehose ein“stellen. Doch dazu später mehr.
Treffpunkt ist am Denkmal von
Vater Lech in
Gersthofen zwischen der Lech- und Kanalbrücke. Angesichts des zu erwartenden Ansturms von Radlern, Joggern, Spaziergängern und Sonnenanbetern (Oder muss man heutzutage von Radelnden, Joggenden, Spaziergehenden und Sonnenanbetenden sprechen?) erfolgt der Start bereits am frühen Vormittag. „Hoffentlich wirst du rechtzeitig fertig“, hat Walter Gollmann seine Frau geneckt, denn seine bessere Hälfte ist keine Frühaufsteherin: „Ich bin ein bekennender Nachtgeist“, sagt Margret Ottner. Das kommt ihr auch bei ihrem Hobby zugute. Sie betreibt intensiv Ahnenforschung (https://margrets-ahnen.jimdo.com), hat sogar einen Stammtisch ins Leben gerufen.
Jetzt aber endlich los! Nach der Lechbrücke geht es rechts ab auf den Weg, der entlang des Europaweihers am Fuße des Müllbergs unter der Autobahnbrücke hindurch in die Firnhaberauer Heide führt. Auf dem Highway ist die Hölle los. Um den Gegenverkehr und die Überholenden nicht zu behindern, müssen wir die meiste Zeit ganz rechts und hintereinander fahren. Als wir endlich nebeneinander herstrampeln, erzählt Walter Gollmann, wie er seine Ehefrau kennengelernt hat. Als Übungsleiter der Nordic-WalkingGruppe des TSV Neusäß ist sie ihm als Teilnehmerin aufgefallen. Ein Jahr zuvor war seine Frau verstor- ben. Seitdem sind die beiden ein eingespieltes Team, das auch viel mit dem Wohnmobil unterwegs ist. „In Corona-Zeiten ist das eher schwierig mit dem Reisen“, ärgern sie sich. Und noch etwas: Während Walter Gollmann aufgrund seines Alters schon zweimal geimpft ist, muss seine Frau noch auf die erste Injektion warten. „Das hat sie nun davon, dass sie so jung ist“, lacht Gollmann, während das Trio den Stefan-Höpfinger-Weg entlang rollt. Rechts der Lech, links Lechhausen, Hochzoll und jede Menge Kleingärten. Das Auge hat viel zu schauen.
Ungewohnte Einblicke bieten sich, wenn man die Augsburger Brücken einmal von unten sieht. Nacheinander durchfahren wir mehrere. Eigentlich, so sollte man meinen, müsste jeder das herrliche Wetter und die Szenerie genießen, doch an einem Bahnübergang kommt es fast zum Streit. Wer darf denn jetzt zuerst fahren?
War bisher schon reger Betrieb auf der Piste, wird das am Hochablass noch einmal getoppt. Lange Schlangen vor dem Kiosk, Völkerwanderungen über den Steg und zu allem spielt eine Zwei-Mann-Band mit Gitarre und Keyboard. „Normalerweise suchen wir uns ruhigere Strecken“, sagt Margret Ottner. Zuletzt haben sie sich hier ein Stück Kuchen to go gegönnt.
Diesmal fahren wir weiter an den gut besetzt Parkplätzen vorbei. Dann geht es links ab. Auf der Brücke über die Bahnstrecke AugsburgMünchen bauen sich am Ende der Gleise am Horizont die Alpen auf. „Da kommt Fernweh auf“, sagt Walter Gollmann, auch angesichts der vielen parkenden Wohnmobile. Auch das Ehepaar aus Batzenhofen nennt ein solches Gefährt sein Eigen. Wie gerne würden sie damit wieder einmal nach Italien fahren, zumal Margret Ottner fließend italienisch spricht. „Meine zweite Fremdsprache ist dann Hochdeutsch“, lacht Ottner, die aus Kirchheim im Unterallgäu stammt und ihren Dialekt nicht verleugnen kann. Ihr gemeinsames Lieblingsziel ist seit einigen Jahren die Insel Giglio, die durch die Havarie des Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“traurige Berühmtheit erlangt hat.
Nach der Querung der Meringer Straße kommt man auf dem Radweg vorbei an der derzeit eingerüsteten Kirch St. Afra im Felde. Bei einem durchaus lohnenden Abstecher an den Afrasee tummeln sich nicht nur Schwäne im Wasser. Auch eine erste Schwimmerin hat sich in die Fluten gewagt. Da ist uns doch zu kalt. Weiter geht es Richtung Friedberg. Kurz vor dem Ortsbeginn halten wir uns rechts, fahren an grasenden Pinzgauer Rindern mit ihren Kälbchen vorbei, bevor die erste Steigung ansteht. An alten, dicken Bäumen vorbei geht es nach Friedberg hinein bis zur Kirche St. Stefan. Dort links in einen Feldweg. An dessen Ende wird die Luitpoldstraße überquert und gleich rechts unter einer roten Backsteinbrücke hindurch gefahren. Wildromantisch geht es an der Friedberger Ache entlang, vorbei an imposanten Behausungen. An der Kapelle Madonnina del Borghetto biegt man rechts ab und fährt in der Achenstraße an der Stadtmauer entlang. Ein Ausflug über die Treppen in die Friedberger Altstadt ist lohnenswert. Unten angekommen, überquert man die Straße, die nach rechts Friedberg hinauf führt. An einem tollen Holzspielplatz vorbei geht es die Lechleite entlang. Die bekannten Islandpferde schauen über den Weidezaun.
An Wulfertshausen vorbei geht es rechts durch einen Urwald zwischen dicken Bäumen hindurch. Das ist fast schon ein bisschen Mountainbiken. Hinter Stätzling wird die Autobahn A8 unterfahren, danach die Friedberger Ache überquert, bevor am Ortsende von Derching die nächste Erfrischung wartet. Der Derchinger Baggersee und die Restauration laden zu einer Pause ein.
Am See vorbei geht es in einer großen Linksschleife querfeldein über Dickelsmoor zum Autobahnsee. Dort wird es für wenige Hundert Meter sehr gefährlich, weil auf der schmalen Straße die Autos ziemlich dicht an den Radlern vorbei zischen. Gut, dass es schon bald wieder nach links auf den Radweg geht. In einem weiten Boden fährt man unter der Mühlhauser Straße hindurch. Nach einer scharfen Rechtslinks-Kombination geht es nun direkt auf den Gersthofer Müllberg zu. Rechter Hand liegt der Kaisersee, wo man bekanntlich keine Badehose braucht.
Nachdem wir auch die Neuburger Straße gequert haben, fährt man unmittelbar vor dem Müllberg, den man als „Zugabe“dieser herrlichen Tour besteigen und die imposante Aussicht genießen kann, rechts an der Mülldeponie vorbei und biegt dann nach links in die Gersthofer Straße ein – und schon steht man wieder vor dem Gebilde, das den Vater Lech darstellen soll.
● Fazit: Eine einfache und gemütliche Tour fast ohne jegliche Steigung, die aufgrund der abwechslungsreichen Strecke auch für Familien mit größeren Kindern geeignet ist. Da man an vielen Gewässern vorbeikommt, sollte man im Sommer deshalb die Badehose und ein Handtuch in die Satteltasche packen.