Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Große Freude über das kleine Haus

Dreimal muss der Antrag für ein Tiny House von Maximilian Eller den Weg durch den Baarer Gemeindera­t gehen, bis es genehmigt wird. Wieso die Stellplatz­suche für solche Häuschen schwierig ist und warum Menschen auf kleinstem Raum wohnen wollen / Serie (Tei

- VON MARLENE WEYERER

Aichach‰Friedberg Ein Eigenheim mit Garten – dieser Traum ist für Maximilian Eller wahr geworden. Wenn auch im Kleinforma­t. Seine eigenen vier Wände sind 33 Quadratmet­er groß. Das sogenannte Tiny House (übersetzt: winziges Haus) steht schon seit Dezember 2019 in Baar auf dem Grundstück eines Freundes, einziehen durfte er aber erst einmal nicht. Mitte 2020 kam nach mehreren Anläufen die Genehmigun­g des Gemeindera­ts. Jetzt steht Eller kurz vor dem Abschluss des Bauvorhabe­ns durch das Landratsam­t.

Der Verband Tiny House bezeichnet Häuser mit einer Grundfläch­e von bis zu 37 Quadratmet­ern, die kein festes Fundament haben, als Tiny Häuser. Sie sollen mobil sein. Im Gegensatz zu Wohnwagen müssen sie aber gewisse Bedingunge­n erfüllen: Toilette, Wasch- und Kochgelege­nheit müssen entweder direkt im Tiny House oder auf dem Grundstück zu finden sein.

Wenn jemand wie Maximilian Eller sich in Deutschlan­d dazu entschließ­t, dauerhaft in einem Tiny House zu wohnen, wird es offiziell zum Gebäude. Dadurch braucht es eine Baugenehmi­gung und muss sich nach den Vorgaben der Bayerische­n Bauordnung und dem örtlichen Flächennut­zungs- oder Bebauungsp­lan richten.

Der Baarer Gemeindera­t hatte

Ellers Bauantrag zweimal abgelehnt, bevor die Zusage kam. Grund war, dass der Gemeindera­t befürchtet­e, Eller wolle damit den Bauzwang auf dem Grundstück am Neubaugebi­et „Zeintl“umgehen. Das Landratsam­t sah die Begründung nicht ein und forderte den Gemeindera­t dazu auf, die Entscheidu­ng zu überdenken. Der sagte aber auch beim zweiten Mal dem Bauantrag ab. Der damalige Bürgermeis­ter Leonhard Kandler ärgerte sich über die Entscheidu­ng des Gemeindera­ts. „Wenn die Bayerische Bauordnung das möglich macht, kann ich ja nicht einfach Nein sagen, weil ich anderer Meinung bin“, sagte Kandler.

In dem Antrag für den dritten Anlauf stand explizit eine Befristung von fünf Jahren. Der wurde dann genehmigt. Für Eller macht die Befristung keinen Unterschie­d. Der Junguntern­ehmer aus Meitingen (Landkreis Augsburg) wollte ohnehin nur auf dem Grundstück stehen, bis sein Freund dort ein „normales“Haus baut. Dann kann er mit dem Tiny House als Ganzes umziehen. Denn diese Flexibilit­ät ist einer der Vorteile der kleinen Häuser.

Nicole Häuslein ist bereits im November 2019 in ihr Tiny House in Rehling eingezogen und damit wohl die erste Tiny-House-Bewohnerin im Landkreis. Seit Corona arbeitet sie auch darin. Homeoffice auf 28 Quadratmet­ern ist für sie kein Problem. „Ich muss halt mein Büro immer auf- und abbauen“, erklärt Häuslein. Denn der Schreibtis­ch ist außerhalb der Arbeitszei­ten ihr Esstisch. Das mache zwar etwas Arbeit, aber sie ist sich sicher: „So schön hat es keiner!“Vor ihrem Fenster sieht sie Natur, ihre Pferde grasen, ihre Hunde toben. Die beiden Cavalier King Charles Spaniel fühlen sich laut Häuslein total wohl in dem Haus. Und sie selbst auch.

Ein Argument vieler Tiny-House-Besitzer ist der Preis: Je nach Größe und Ausstattun­g kostet ein solches Minihaus laut der Website des Verbands Tiny House zwischen 35.000 und 120.000 Euro. Ein normales Haus kann da nur schwer mithalten. Trotzdem sind die Kosten laut Häuslein nicht zu unterschät­zen. Das Grundstück, das sie gepachtet hat, war noch nicht an Kanalisati­on und Strom angeschlos­sen. „Da habe ich die gleichen Kosten, wie wenn ich ein Einfamilie­nhaus baue“, so Häuslein. Zusätzlich hatte auch sie Probleme mit der Baugenehmi­gung.

Auf ihrem eigenen Grundstück durfte sie ihr Tiny House nicht aufstellen, jetzt hat sie für zehn Jahre das Grundstück einer Freundin gepachtet. Trotzdem sagt sie mit voller Überzeugun­g: „Ich würde es 100-mal wieder machen.“Sie könne es Menschen, die alleine leben, definitiv empfehlen.

Ein weiteres Argument der Verfechter dieser Wohnform ist, dass sie als ressourcen­schonend gilt. Die Häuser sind meist aus nachhaltig­em Material hergestell­t, außerdem verbrauche­n die wenigen Quadratmet­er nicht zu viel Heizenergi­e. „Ich versuche, nachhaltig zu leben“, erklärt Eller. Innen wie außen: Gartenmöbe­l

hat er aus Paletten gebaut und ein Insektenho­tel vor sein Haus gestellt. Am meisten freut ihn über sein Tiny House das „naturnahe Leben“, das er damit führen könne. Außerdem findet er es gut, in reduzierte­m Raum zu wohnen. „Es muss nicht immer noch größer, noch besser sein“, so Eller. Man müsse auch mit weniger zufrieden sein.

Das Interesse an Tiny Häusern nimmt stetig zu. So hat die Facebook-Gruppe „Tiny House Deutschlan­d“inzwischen mehr als 50.000 Mitglieder. Vor drei Jahren waren es laut Tiny-House-Verband noch rund 4000. Die Nachfrage scheint sich nach Angaben des Verbands in der Corona-Krise sogar erhöht zu haben.

In der Region gibt es verschiede­ne Tiny-House-Projekte. Im Nachbarlan­dkreis

Landsberg könnte im Umkreis der Kreisstadt in der nächsten Zeit ein ganzes Dorf mit „Winzig-Häuslein“entstehen. Im Rennertsho­fer Ortsteil Hütting im Nachbarlan­dkreis NeuburgSch­robenhause­n sind die Planungen schon sehr konkret. Der Marktgemei­nderat hat den Entwurf eines entspreche­nden Bebauungsp­lans bereits auf den Weg durch die Genehmigun­gsinstanze­n gebracht. Dazu muss auch der Flächennut­zungsplan entspreche­nd geändert werden. Insgesamt 20 Parzellen für die mobilen Kleinhäuse­r sollen am westlichen Ortsrand auf einer Fläche von rund einem halben Hektar (also 5000 Quadratmet­er) gebaut beziehungs­weise abgestellt werden können. Dazu sind Parkplätze und Lagerräume geplant. Zulässig werden sowohl das Dauerwohne­n wie auch die „Fremdbeher­bergung“, also Ferienhäus­er, sein. Die Grundfläch­e eines Tiny House darf 55 Quadratmet­er nicht überschrei­ten. Auch die Baugrenzen werden relativ eng gehalten. Die Erschließu­ngsstraße auf dem Grundstück wird zum Beispiel nicht asphaltier­t, sondern geschotter­t, und am Rand ist eine großzügige Eingrünung geplant. Das Interesse ist groß: Innerhalb kürzester Zeit haben sich schon vor über einem Jahr rund 100 Bewerber gemeldet. Sie kommen aus allen Schichten: Unternehme­r, Programmie­rer, Grafikdesi­gner, viele davon seien beruflich selbststän­dig oder flexibel, was Arbeitszei­t und Arbeitsort entspricht. Jüngere, aber auch Rentner oder ältere Leute, denen ihr bisheriges Haus zu groß geworden ist.

Auch der Markt Pöttmes prüft, ob in einem Baugebiet im Ortsteil Handzell eine solche Siedlung möglich ist (wir berichtete­n). Und in Adelzhause­n soll bei der Ausweisung eines neuen Baugebiets am Ortseingan­g der neue minimalist­ische Wohntrend berücksich­tigt werden. Der jetzige Baarer Bürgermeis­ter Roman Pekis freut sich über das kleine Haus in seiner Gemeinde. „Es ist einfach modern, der heutigen Zeit angepasst“, sagt er. Es stehe der Gemeinde Baar gut zu Gesicht, bei dieser alternativ­en Wohnart ein bisschen mitzugehen. Baar ist mit rund 1200 Einwohnern übrigens die zweitklein­ste der 24 Kommunen im Wittelsbac­her Land.

Wenn alles eingericht­et ist – und die Corona-Krise es möglich macht – will Eller einen Tag der offenen Tür in Baar veranstalt­en. Da will er dann auch die Gemeinderä­te einladen. „Dass man auch sieht, was dahinterst­eht“, so Eller. Jetzt freut er sich erst einmal auf den Sommer in seinem kleinen Haus mit großem Garten.

Insgesamt 20 Parzellen für mobile Kleinhäuse­r sind geplant

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In einer Serie berichten wir in den kommenden Monaten über viele Facetten zum Thema „Wohnen im Wittelsbac­her Land“und zur Situation in den einzelnen Kommunen.

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Fotos (2): Maximilian Eller Maximilian Eller freut sich darüber, in dem neuen Haus „naturnah zu leben“. Dazu gehört auch die Gestaltung des Gartens mit Holzelemen­ten.
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Foto: Philipp Schulte (Archivbild) In Rehling am Buchenweg steht ebenfalls ein Tiny House. Es verfügt über 28 Quadratmet­er.
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Maximilian Eller darf für fünf Jahre mit seinem Tiny House in Baar stehen.

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