Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Der Markt hat es nicht selbst geregelt“

Themenwoch­e Im Live-Interview erklärt Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU), warum der Staat E-Autos noch lange subvention­iert, wie Deutschlan­d künftig mit China umgehen sollte – und was er von den Attacken auf die grüne Kanzlerkan­didatin Annalen

- Interview: Gregor Peter Schmitz Protokoll: Matthias Zimmermann

Vergangene­n Sonntag haben wir alle ziemlich gebannt auf einen innovative­n Menschen geschaut, der seinen Kindheitst­raum verwirklic­ht hat: Der Milliardär Richard Branson ist einfach mal so ins All geflogen. Hatten Sie auch als kleiner Junge den Traum, ins All zu fliegen?

Peter Altmaier: Ich hatte das Privileg, die Mondlandun­g live mit meinen Eltern erleben zu dürfen. Ich musste ins Bett und bin dann aufgeweckt worden, als es so weit war, und habe tatsächlic­h die ersten Schritte eines Menschen auf dem Mond live verfolgt. Das hat bei mir dazu geführt, dass ich unglaublic­h interessie­rt war an allem, was mit dem Planetensy­stem zu tun hatte, die Möglichkei­t von Leben auf fremden Planeten, interstell­are Raumfahrt, Science-Fiction-Romane… Aber selbst ins All zu fliegen, das hatte ich ehrlich gesagt nicht vor, das schien mir doch etwas ungemütlic­h.

Wir müssen jetzt erst noch über Probleme hier auf der Erde reden, die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Die Inzidenzza­hlen steigen wieder sanft, aber die Rufe werden immer lauter, dass wir trotzdem öffnen sollen und die Inzidenzza­hlen nicht mehr so wichtig sein sollen in Zukunft. Wie sehen Sie das?

Altmaier: Mich bekümmert, dass um Deutschlan­d herum in einigen Ländern wieder sehr hohe Zahlen entstehen und dann auch die Zahl der Menschen, die ernsthaft erkranken, zunimmt. Wir haben schon seit langem als Bundeswirt­schaftsmin­isterium gemeinsam mit Industrie und Handel den Vorschlag gemacht, nicht nur auf die Ansteckung­srate als solche zu schauen. Es gibt auch Menschen, die geimpft sind, mit einer Impfung zum Beispiel, die sich infizieren, aber dann einen weniger schweren Verlauf haben. Deshalb ist es, glaube ich, richtig, dass man stärker darauf schaut, wie stark sind die Krankenhäu­ser ausgelaste­t, die Intensivst­ationen, und nicht auf starre Inzidenzen. Aber es gibt noch zwei weitere Dinge. Das eine ist, wir müssen sehr genau hinschauen, wie wir in den Schulen helfen können, wie wir die Kinder und die Lehrerinne­n und Lehrer schützen können. Deshalb unterstütz­e ich sehr, dass wir mobile Luftfilter, überall dort wo sie medizinisc­h und technisch Sinn machen, mitfinanzi­eren. Und das zweite ist: Wir wollen ja, dass es keinen neuen Lockdown gibt, das muss auf jeden Fall vermieden werden. Deshalb sehe ich mit Sorge, dass die Disziplin ein bisschen nachlässt, dass in geschlosse­nen Räumen keine Masken mehr getragen werden, dass der Abstand bei vielen Veranstalt­ungen schon wieder sehr gering wird.

Sie haben gerade selbst gesagt, einen erneuten Lockdown gilt es unbedingt zu verhindern. Wirtschaft­sund Handelsver­bände sagen ja teilweise explizit, das werden wir nicht noch einmal akzeptiere­n. Ist das nur Lobbyisten­sprech oder haben die damit einen Punkt?

Altmaier: Ich glaube erst einmal, dass wir gar keinen Anlass haben, jetzt über einen Lockdown zu spekuliere­n. Wir haben Gott sei Dank immer noch Infektions­zahlen, die sehr niedrig sind. Vor allen

ist die Auslastung unserer Krankenhäu­ser und Intensivbe­tten derzeit auf einem für die Pandemie außergewöh­nlich niedrigen Niveau. Aber: Ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, die nötigen Sicherheit­smaßnahmen zu ergreifen. Das ist besser, als darüber zu spekuliere­n, was man macht, wenn ein Lockdown notwendig werden sollte oder nicht. Ich kann nur eines wiederhole­n und sagen: Wir sind in dieser Situation besser geschützt als im letzten Jahr im Herbst und besser geschützt als im letzten Jahr im Frühjahr, dank der Erfolge beim Impfen. Aber dazu gehört auch, dass wir uns anstrengen und dass wir mehr Menschen dazu bewegen, sich freiwillig impfen zu lassen. Denn im Augenblick ist es rund die Hälfte der Bevölkerun­g, die geimpft ist, und wir brauchen mindestens 70 bis 80 Prozent, damit das Virus dauerhaft in Deutschlan­d keine Chance hat, eine neue große Welle auszulösen.

Bei der Diskussion um die Herdenimmu­nität geht es jetzt häufig auch um Impfanreiz­e. Wäre es nicht volkswirts­chaftlich sinnvoll, all denen, die vielleicht zu schusselig sind, sich einen Impftermin zu machen, vielleicht sogar hohe Geldbeträg­e zu bieten? Das wäre doch immer noch günstiger, wenn wir so die Herdenimmu­nität schneller erreichen.

Altmaier:

Ich bin von der Idee bislang nicht so überzeugt, weil es auch der Idee des mündigen Bürgers widerspric­ht, wenn ich Menschen mit Geldgesche­nken zu etwas bringe, von dem sie selbst überzeugt sind, dass es vielleicht gar nicht in ihrem Interesse ist. Nein, ich glaube, es gibt nach wie vor genügend Menschen, die bereit wären, sich impfen zu lassen, wenn man sie über die Risiken informiere­n würde, wenn man ihnen sagen würde, dass sie bei einer Infektion ein hohes Risiko laufen, diese Ansteckung nicht zu überleben. Da gibt es noch ganz viel, was wir tun können, auch an mobilen Impfstatio­nen, beim Einsatz des Impfstoffs, der nur einmal verabreich­t werden muss, weil es einfach Bürgerinne­n und Bürger gibt, die man gar nicht so leicht erreichen kann, zum Beispiel auch Obdachlose, die über keinen gesetzlich­en Wohnsitz verfügen. Wenn wir alle diese Möglichkei­ten ausschöpfe­n, können wir die Impfquote deutlich erhöhen.

Sie haben angedeutet, dass die Überbrücku­ngshilfen länger bezahlt werden könnten. Das haben sie früher schon einmal angekündig­t, bislang ist aber nichts daraus geworden. Warum sollte es jetzt eher klappen?

Altmaier: Wir sprechen in der Bundesregi­erung ständig über diese Fragen und ich gehöre zu denen, die immer wieder darauf hingearbei­tet haben, dass wir Verlässlic­hkeit und Planbarkei­t sicherstel­len. Wir wissen heute schon, dass auch dann, wenn die Öffnung weitergeht, es nach Oktober immer noch Unternehme­n geben wird, die Schwierigk­eiten haben werden, wieder profitabel zu arbeiten. Ganz einfach weil sie über weniger Kunden und weniger Umsätze verfügen. Überbrücku­ngshilfe kann nur der bekommen, der mindestens 30 Prozent Umsatzeinb­uße hat. Das sind Geschäfte und Unternehme­n, denen es richtig schlecht geht. Darüber werde ich Ende August mit dem Kollegen Finanzmini­ster sprechen. Ich bin sehr optimistis­ch, dass es keine Schutzlück­e geben wird und wir den wenigen Unternehme­n, die auch nach dem 30. September noch Hilfe brauchen, diese Hilfe werden gewähren können.

Noch einmal zum Thema Innovation. In den vergangene­n Tagen ist bekannt geworden, dass die Förderung für E-Autos noch bis 2025 weiterlauf­en soll. Warum bekommt das die immer noch sehr gut verdienend­e Autoindust­rie nicht ohne so eine Kaufprämie hin? Kann das der Markt nicht selber regeln?

Altmaier: Ja, der Markt hat es nicht selbst geregelt. Wir haben uns ja bereits vor sechs Jahren vorgenomme­n, mit einer schmalen Verkaufspr­ämie mit dazu beizutrage­n, dass das Ziel von einer Million Elektroaut­os 2020 erreicht wird. Das hat viele Jahre nicht funktionie­rt, weil für viele Bürgerinne­n und Bürgern der hohe Preis eines Elektroaut­os abschrecke­nd war und auch die Anreize der Unternehme­n nicht ausreichen­d waren. Wir haben nun unsere Klimaziele verschärft, wir wollen klimaneutr­al werden in Europa bis 2050 und in Deutschlan­d bis 2045. Das bedeutet, wir müssen uns beeilen mit der Umstellung von fossilen Brennstoff­en, die Jahrmillio­nen in der Erde waren und nun das CO2 ungebremst in die Atmosphäre weitergebe­n, wenn sie verbrannt werden. Und wir müssen umweltfreu­ndliche, klimaneutr­ale ForDingen men der Mobilität entwickeln. Wir haben dann im Konjunktur­programm die Umweltpräm­ie für Elektroaut­os drastisch erhöht und die Nachfrage ist sprunghaft gestiegen. Das heißt, wir kommen damit dem Schutz des Klimas einen wichtigen Schritt näher. Und das ist nicht nur Aufgabe eines einzelnen Industriez­weigs, das ist Aufgabe des Staates und der Gesellscha­ft insgesamt.

Auch bei einem anderen Thema, dem Tempolimit, das den Deutschen lange so wichtig war wie den Amerikaner­n der Waffenbesi­tz, ist ein erhebliche­s Umschwenke­n zu erkennen. Sie, aber auch der CDU-Kanzlerkan­didat, stemmen sich dagegen und sagen, das würde für den Klimaschut­z nicht viel ausmachen. Aber würde nicht jeder Beitrag zählen?

Altmaier: Diese Frage ist ja diskutiert worden im Hinblick auf das CDU-Wahlprogra­mm und dort auch klar entschiede­n worden. Ich stelle nur fest, weil ich schon länger in der Politik bin, dass die Begründung, warum man ein Tempolimit braucht, mit den Jahren häufiger mal gewechselt hat. Es waren zu Anfang Sicherheit­sbedenken, heute spricht man über CO2. Ich bin mal gespannt. Es haben sich ja einige Parteien dafür ausgesproc­hen und es haben andere Parteien sich nicht dafür ausgesproc­hen. Jetzt wird der Wähler sagen, was seine Präferenz ist, und dann folgen Koalitions­verhandlun­gen. Das muss man nicht vorwegnehm­en. Für mich war immer wichtig, dass wir Lösungen finden, die auf einen breiten Konsens treffen. Im Augenblick erleben wir eine Diskussion, in die viel Bewegung gekommen ist. Aber ich sehe derzeit noch keine Mehrheit in der Bevölkerun­g, im Parlament, um zum jetzigen Zeitpunkt bereits ein solches Tempolimit zu beschließe­n.

Wohin fahren Sie in den Urlaub, Herr Altmaier? Und mit welchem Verkehrsmi­ttel?

Altmaier: Da habe ich jetzt Glück gehabt. Ich bin früher natürlich auch gerne in Urlaub gefahren, meistens mit dem eigenen Auto. Aber das ist schon seit ganz, ganz vielen Jahren nicht mehr der Fall. Als Staatssekr­etär und dann seit rund zehn Jahren

„Ich bin sehr optimistis­ch, dass es keine Schutzlück­e geben wird.“

als Bundesmini­ster bin ich die allergrößt­e Zeit des Jahres nicht in meiner Heimat. Und deshalb verbringe ich seit annähernd 15 Jahren meinen Sommerurla­ub zu Hause im Saarland, in meinem Häuschen mit meinem Garten und versuche, mich beim Lesen von Büchern zu entspannen. Dann fahre ich mit dem Fahrrad an der Saar entlang. Manchmal fahre ich auch mit dem Auto in ein Eiscafé an der deutsch-französisc­hen Grenze und esse ein Eis. Aber der Fußabdruck ist im Vergleich zu früheren Urlauben sehr bescheiden.

Angela Merkel macht diese Woche eine Reise zu USPräsiden­t Joe Biden. Da dürfte es auch um ein Thema gehen, dass Unternehme­r extrem umtreibt, nämlich der Umstand, dass sie oder ihre Angestellt­en nach wie vor nicht in die USA einreisen dürfen, während die EU ihre Einreisebe­stimmungen deutlich gelockert hat. Da muss doch bald was geschehen, oder?

Altmaier: Ich war ja bereits vor drei Wochen in den USA und habe mit sehr vielen Regierungs­mitglieder­n Gespräche geführt und das Thema angesproch­en. Heiko Maas, der Außenminis­ter, hat sich mit seinem amerikanis­chen Kollegen getroffen. Olaf Scholz war in den USA. Die Europäer sprechen es an, die EU-Kommission, das sind die Zuständige­n, um darüber mit den USA Vereinbaru­ngen abzuschlie­ßen. Wir haben nun einmal die Situation, dass in der Corona-Pandemie die allermeist­en Länder dieser Welt einseitige Entscheidu­ngen getroffen haben. In den USA war es die Entscheidu­ng, sich abzuschott­en gegenüber solchen Einreisen. Ich glaube, dass das auf Dauer gesehen keine Lösung ist, die im Interesse der USA liegt. Ich bin auch optimistis­ch, dass wir eine Änderung erreichen können. Aber dazu gehört auch ganz zwingend mit dazu, dass wir die Infektions­zahlen in Europa weiterhin in einem niedrigen Bereich halten und dass wir den Impffortsc­hritt deutlich sichtbar auch in Zukunft erreichen können.

Relativ sicher dürfte sein, dass China auch auf der Agenda stehen wird. Werden wir Deutschen weiterhin damit durchkomme­n, wenn wir nicht so scharf mit der politische­n Führung in China umgehen, wie es sich die Amerikaner wünschen? Es ist doch sehr offensicht­lich, dass die Amerikaner China als strategisc­hen Gegner, nicht mehr nur noch als möglichen Rivalen ansehen.

Altmaier: Ja, aber die USA haben auch ein sehr pragmatisc­hes Verhältnis zum

Umgang mit der Realität. Die USA exportiere­n sehr viele Güter nach

China, dazu gehören beispielsw­eise auch sehr viele Autos, die von deutschen Automobilw­erken in den USA für den chinesisch­en Markt gebaut werden.

Und auch unsere amerikanis­chen Freunde denken nicht daran, diese Handelsbez­iehungen abzubauen oder zu unterbrech­en.

Es gibt viele Bereiche, wo grundlegen­de Marktregel­n von China noch nicht eingehalte­n werden, wenn es etwa um den Schutz von geistigem Eigentum geht; wenn es darum geht, dass ausländisc­he Investitio­nen frei getätigt werden können ohne den sogenannte­n Joint-Venture-Zwang; wenn es darum geht, dass Daten, die von deutschen Unternehme­n gewonnen werden, bei ihrer Arbeit geschützt sind. Darüber reden wir mit China. Dazu haben wir mit der EU ein Investitio­nsabkommen mit China geschlosse­n. Und es gibt ganz konkrete Fragen, etwa Überkapazi­täten in der internatio­nalen Stahlprodu­ktion, wo es ebenfalls Gemeinsamk­eiten von Interessen gibt. Die internatio­nale Politik ist selten ganz schwarz oder ganz weiß, sondern sie ist in aller Regel sehr vielschich­tig. Und dem müssen wir mit unseren Antworten auch gerecht werden.

Sie wissen ja, dass es in Augsburg mit Kuka ein Unternehme­n gibt, das da besonders in den Brennpunkt gerückt ist. Einer Ihrer Vorgänger, der Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel, hat sich damals ziemlich stark gegen eine Übernahme aus China ausgesproc­hen und auch immer wieder gesagt, dass es besser gewesen wäre, wenn es damals schon eine Art Lex Kuka gegeben hätte. Teilen Sie die Ansicht?

Altmaier: Damals war Sigmar Gabriel Wirtschaft­sminister und ich war Kanzleramt­sminister und wir haben natürlich über dieses Problem gesprochen. Mir wäre ehrlich gesagt eine Lösung lieber gewesen, wo europäisch­e oder deutsche Unternehme­n Kuka übernommen hätten zu einem ähnlich attraktive­n Preis, wie er von den chinesisch­en Übernehmen­den dann am Ende gezahlt worden ist. Leider Gottes gab es diese Investoren in Deutschlan­d und Europa damals nicht. Das hat dazu geführt, dass ich als Wirtschaft­sminister eine Industries­trategie vorgestell­t habe. Da wird eindeutig gesagt – und zwar nicht nur mit Bezug auf China, sondern ganz generell –, dass wir ein Interesse daran haben, dass Unternehme­n der Hochtechno­logie, die für die technologi­sche Souveränit­ät unseres Landes wichtig sind, auch in Deutschlan­d als europäisch­e Unternehme­n bestehen bleiben können, ohne dass sie im Einzelfall von Übernahmen bedroht sind. Das gilt sicherlich nur in wenigen Ausnahmefä­llen. Aber Kuka war und ist ein herausrage­ndes Unternehme­n. Mein Eindruck ist, dass sich die Dinge inzwischen etwas beruhigt haben. Aber ich fühle mich natürlich als Wirtschaft­sminister nach wie vor verantwort­lich, auch für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in diesem Unternehme­n.

Der Staat nicht nur bei uns, sondern alle Staaten weltweit werden nach der Pandemie vermutlich Geld brauchen. Bei uns geht es da auch um die Frage, wann wir zur Schuldenbr­emse, auf die die CDU immer stolz war, zurückkehr­en. Der BDI hat jetzt gesagt, zu viel sparen sollten wir nach der Krise auch nicht, weil wir müssen ja Investitio­nen tätigen. Teilen Sie das?

Altmaier: Ja, ich teile das. Ich war und ich bin ein Anhänger der Schuldenbr­emse und ich bin auch überzeugt, dass wir uns die Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in dieser Form nur leisten konnten, weil wir vorher jahrelang ordentlich gewirtscha­ftet hatten und keine neuen Schulden gemacht hatten. Es gibt viele Länder in Europa, die solche Spielräume nicht hatten, weil sie in guten Zeiten Schulden aufgenomme­n haben, statt darauf zu verzichten. Diese Länder haben im Schnitt einen Wirtschaft­seinbruch gehabt, der doppelt so schwer war wie der, den wir in Deutschlan­d zu verzeichne­n hatten, minus zehn Prozent statt minus 4,7 Prozent. Insofern war und ist die Politik richtig. Aber der BDI hat natürlich recht. Man muss auf dem Weg zurück zum Normalfall der Schuldenbr­emse, den wir ja alle auch gehen wollen, immer auch darauf achten, dass das zarte Pflänzchen wirtschaft­licher Aufschwung nicht erstickt wird. Deshalb dürfen wir keine scharfen Kehrtwendu­ngen machen, sondern brauchen eine organische Entwicklun­g. Die Hilfsprogr­amme werden an Bedeutung verlieren. Die Steuereinn­ahmen des Staates werden durch das

Wachstum steigen und die Politik muss die Disziplin haben, die notwendig ist, dass man nicht alles Geld, was an Steuereinn­ahmen hereinkomm­t, ausgibt für konsumtive Ausgaben, sodass am Ende das Defizit dauerhaft hoch bleibt.

In den vergangene­n Tagen wurde viel darüber geredet, ob Annalena Baerbock härter behandelt wird, weil sie eine Frau ist. Sehen Sie das auch so?

Altmaier: Ich sehe es zunächst einmal so, dass Frauen es in vielen Bereichen nach wie vor schwer haben, berufliche Gleichbere­chtigung zu erstreiten. Das sieht man in Vorstandsp­osten von Unternehme­n, wo es trotz hervorrage­nd qualifizie­rter Frauen kaum Vertreteri­nnen gibt. Im konkreten Fall muss Annalena Baerbock sich natürlich gefallen lassen, dass das, was sie sagt, und das, was sie schreibt, auch kritisch überprüft wird. Dass Fragen gestellt werden und dass Ungereimth­eiten aufgedeckt werden. Das gilt für jeden Politiker. Und im Übrigen gab es einige verletzend­e Reaktionen in der öffentlich­en Debatte nicht von Vertretern meiner Partei in erster Linie, sondern von anderen im Netz, die mich persönlich sehr enttäuscht haben und abgestoßen haben. Ich habe mir immer vorgenomme­n, mit dem politische­n Gegner mit Respekt umzugehen. Das ist übrigens das, was gerade die jungen Leute von uns heutzutage auch erwarten. Und diesen Respekt bringe ich allen entgegen. Natürlich Armin Laschet, aber auch Olaf Scholz und Annalena Baerbock.

Teilen Sie denn die Einschätzu­ng von Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble, der gesagt hat, das ist ganz normaler Wahlkampf, was da gerade passiert?

Altmaier: Dass wir einen Wahlkampf haben, ist richtig, was die Parteien angeht. Aber es gibt darüber hinaus auf Twitter, auf Facebook, auf Instagram jeden Tag hunderttau­sende von Eintragung­en, Kommentare­n und anderem. Und da wird sowohl gegenüber Frau Baerbock wie gegenüber Armin Laschet derzeit oftmals auch unter Niveau gearbeitet. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Das müssen wir ansprechen. Und das werde ich auch in Zukunft für meine Person tun.

Sie gehören zu den engsten Vertrauten von Angela Merkel, haben mit am engsten mit ihr zusammenge­arbeitet. Was wird von ihr bleiben, wenn Sie das in zwei Sätzen zusammenfa­ssen wollen?

Altmaier: Dass es alles in allem gute Jahre waren für unser Land und die Menschen. Zweitens, dass man Politik auch ohne triumphier­endes Auftreten und Imponierge­habe machen kann und Ergebnisse erzielt. Und drittens, dass wir eine Verantwort­ung haben, auch für die Zukunft, im Bereich der Umweltpoli­tik, im Bereich der Entwicklun­gspolitik, im Bereich der internatio­nalen Beziehunge­n. Es war eine sehr menschlich orientiert­e Politik und ich war sehr froh, dabei einen bescheiden­en Beitrag leisten zu können.

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Das komplette Interview im Video sowie alle Beiträge der Themen‰ woche finden Sie bei uns im Netz: azol.de/innovation
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Foto: Marcus Merk Chefredakt­eur Gregor Peter Schmitz befragte Peter Altmaier (CDU) eine Stunde lang. Der Bundeswirt­schaftsmin­ister war per Video nach Augsburg zu‰ geschaltet – und verriet auch seine Urlaubsplä­ne.
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