Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Europa hat keine andere Wahl, als grüner zu werden
Eine erfolgreiche Energiewende erfordert klare Vorgaben der Politik und vor allem mehr Ehrlichkeit. Dann können Unternehmen entsprechend handeln
Der Mittwoch war ein guter Tag für Europa, ja den ganzen Planeten. Denn die Politik hat das beherzigt, was sie in Krisenzeiten – und die Klima-Katastrophe ist die größte Krise überhaupt – tun muss: Sie hat klare Vorgaben gemacht und die Klimaziele verschärft. Auch wenn es Lobbyisten vieler Industrieverbände offiziell nie zugeben würden, erwarten sie ein derart entschlossenes Vorgehen der Verantwortlichen.
Denn Ungewissheit ist das Schlimmste, was man Firmenlenkern antun kann. Entsprechend entspannt hat vor allem VW-Chef Herbert Diess auf die Brüsseler Öko-Verkündigung reagiert. Er selbst ist zum Umwelt-Glauben konvertiert und weiß, dass Europa, damit sich die Lebensqualität der Menschen mit Hitzewellen und Überschwemmungen nicht weiter verschlechtert, zügig grüner werden muss. Zur Wahrheit gehört indes auch: Wenn Brüssel die CO2-Daumenschrauben nicht immer mehr angezogen hätte, würden deutsche Ingenieure noch in zehn Jahren die letzten Effizienzsteigerungen aus Diesel- und Benzinmotoren herauskitzeln. Auf Profit und Joberhalt ausgerichtete Konzerne wie VW steuern Investitionssummen dorthin, wo sie auch in 15 Jahren noch Geld verdienen können. Wenn aber ab 2035 keine neuen Wagen mehr mit Verbrennungsmotor auf den Markt kommen sollen, führt an Elektroautos als derzeit einzig wirtschaftlich sinnvoller, also für Hersteller und Verbraucher bezahlbarer Lösung kein Weg vorbei. E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, sind zwar eine faszinierende Alternative, aber sie gelten bei weitem noch nicht als wettbewerbsfähig.
Dem Verbrenner – und hier hat Brüssel endgültig für Klarheit gesorgt – droht zumindest in Europa das Aus. Doch die unmissverständliche Ansage und das Umsteuern der Autohersteller reichen bei weitem nicht für eine erfolgreiche Energiewende aus. Als dritter wesentlicher Pfeiler muss gerade hierzulande in der politischen Debatte mehr Ehrlichkeit einkehren: Denn wenn all die schönen und leisen Elektroautos, die sich wendewillige Bürger kaufen, nach wie vor in hohem Maße mit fossiler, also klimaschädlicher Energie aufgeladen werden, könnten die Verbraucher gleich ihre extrem effizienten Dieselautos weiterfahren. Auf derart eklatante Schwachstellen der Energiewende weisen nicht nur Öko-Aktivisten, sondern Unternehmer hin. So kritisiert Christian Bruch, Chef von Siemens Energy, es bringe nichts, allein die Klimaziele immer wieder zu verschärfen, vielmehr sei es notwendig, konkret zu überlegen, wie Jahr für Jahr die nächsten Schritte ausfallen müssen, um die Vorhaben überhaupt zu erreichen. Manager entwickeln hier Businesspläne, setzen sich Meilensteine und arbeiten sie ab.
Ein derart strukturiertes Vorgehen behagt vielen Politikern nicht. Sonst hätten die Verantwortlichen der Bundesregierung mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier an der Spitze alles daran gesetzt, den Ausbau der Stromtrassen von Nord nach Süd zu beschleunigen. Denn nur wenn reichlich Windenergie zu den Industriezentren im Süden und zum Aufladen der Elektroautos fließt, wird Deutschland wirklich grüner und tut nicht nur einfach so, als sei es eine Öko-Republik.
Angesichts der Dramatik des Klimawandels ist die German Behäbigkeit ein Unding. Wenn es von der Ausschreibung bis zur Fertigstellung sechs bis zwölf Jahre dauert, ehe regenerativer Strom nach Süden fließt, wird die Energiewende zur Farce. Jedes Jahr zählt im Kampf gegen die Klima-Katastrophe. Gerade jüngere Menschen haben, wie das Verfassungsgericht festgestellt hat, ein Recht darauf, dass rasch und umfassend für effektiven Klimaschutz gesorgt wird.
Elektroautos allein reichen nicht