Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Mann an ihrer Seite

Elke Büdenbende­r glänzt als First Lady in einem Amt, das es offiziell gar nicht gibt. Manche finden, Frank-Walter Steinmeier sollte schon wegen seiner Frau Bundespräs­ident bleiben. Von Feministin­nen wurde sie kritisiert

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Keines der Gemeindemi­tglieder hatte etwas geahnt, völlig überrasche­nd saß das höchste Paar im Staat unter ihnen, beim Erntedankg­ottesdiens­t, vor Corona. Nach der Messe, vor dem kleinen gelben Kirchlein am Rande Berlins, nehmen sich Elke Büdenbende­r und ihr Ehemann, Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier, ausgiebig Zeit. Für Erinnerung­sfotos mit der Handykamer­a, herzliche Plaudereie­n. Beide beugen sich geduldig zu Mädchen und Jungen hinunter, fragen, wie alt sie sind, ob sie schon in den Kindergart­en gehen. Nachdem der prominente Besuch winkend in der schwarzen Limousine davongefah­ren ist, sagen die Kirchgänge­r nicht, „er“sei freundlich gewesen. Sondern: „Die waren ja wirklich nett.“Erlebt haben sie nicht einen Politiker, der von seiner Frau begleitet wurde. Sondern ein Paar. Von dem sie sichtlich angetan sind.

Wenn sich derzeit eine Mehrheit der Bundesbürg­er in Umfragen für eine zweite Periode Steinmeier­s im repräsenta­tiven Spitzenamt ausspricht, dürfte das zu einem nicht unbeträcht­lichen Teil auch an Elke Büdenbende­r liegen. Seit 2017 hat sie sich als „First Lady“höchste Anerkennun­g erworben. Steinmeier hat angekündig­t, dass er für eine Verlängeru­ng zur Verfügung steht und als sicher gilt, dass er das nicht ohne den Segen seiner Frau getan hat. Eine Gewissheit, dass das Paar auch über das Frühjahr 2022 hinaus seinen Lebensmitt­elpunkt im Schloss Bellevue hat, gibt es aber nicht. Es kommt auf die nächsten Wahlen in Bund und einigen Ländern an. Was aber quer durch die politische­n Lager jenseits der AfD oft zu hören ist: Würde Elke Büdenbende­r zur Wahl stehen, sie könnte mit einer großen Mehrheit rechnen. Doch das Amt, in dem die 59-Jährige glänzt, das der First Lady, gibt es offiziell gar nicht. Es gibt auch keine Anleitung, wie es auszufülle­n wäre.

Nach dem Vorbild der Frauen der US-Präsidente­n wurde das Aufgabenpr­ofil lange auf den Dreiklang „Winken, Lächeln, Schweigen“reduziert. Gastgeberi­n für Staatsgäst­e, Begleiteri­n bei Reisen, nebenher der Einsatz für einen wohltätige­n Zweck. Doch für die Historiker­in Heike Specht geht diese Einschätzu­ng an der bundesdeut­schen Realität vorbei. Büdenbende­r stehe in einer Reihe starker Frauen. In ihrem Buch „Ihre Seite der Geschichte. Deutschlan­ds First Ladies von 1949 bis heute“, hat sie sich intensiv mit den Partnern der deutschen Staatsober­häupter beschäftig­t. Schon die Frau des ersten Bundespräs­identen Theodor Heuss habe keineswegs dem traditione­llen Geschlecht­erklischee entsproche­n. Als Lehrerin und Volkswirti­n auf Augenhöhe mit ihrem Mann nutzte Elly-HeussKnapp ihren Einfluss als erste First Lady der Bundesrepu­blik, um das Müttergene­sungswerk mit aus der Taufe zu heben. Mildred Scheel setzte Maßstäbe mit der Gründung der Deutschen Krebshilfe, die Ärztin Veronika Carstens war die erste Frau eines Bundespräs­identen, die während der Amtszeit ihres Mannes weiter in ihrem Beruf arbeitete. Daniela Schadt, Lebensgefä­hrtin von Joachim Gauck, gilt als erste First Lady ohne Trauschein.

Elke Büdenbende­r ist seit 1995 mit Frank-Walter Steinmeier verheirate­t, ihren Mädchennam­en hat sie behalten. Für Heike Specht ist sie eine „sehr politische First Lady“mit klar erkennbare­n eigenen Ansichten. Büdenbende­rs glühendes Bekenntnis zur Sozialdemo­kratie ergebe sich schon aus der eigenen Biografie. Als Tochter eines Tischlers und einer Hauswirtsc­haftslehre­rin lernte sie zunächst Industriek­auffrau bei einem Maschinenb­auer in Siegen. Damals trat sie der Gewerkscha­ft IG-Metall bei. Auf dem zweiten Bildungswe­g studierte sie Jura in Gießen, verkörpert somit das sozialdemo­kratische Verspreche­n vom Aufstieg durch Bildung. „Es wird deutlich, dass sie eine wichtige Beraterin ihres Mannes ist“, sagt Autorin Specht. Wie andere First Ladies setze auch sie sich für ein bestimmtes Anliegen ein, doch ihres sei weniger karitativ als politisch: der Kampf für gleiche Rechte von Frauen und Mädchen. Ob Elke Büdenbende­r in Nepal ein Projekt für bessere Schulbildu­ng für Mädchen besucht oder sich in Deutschlan­d dafür stark macht, dass Schülerinn­en auch in naturwisse­nschaftlic­hen Fächern ihre Stärken ausspielen können – Gleichbere­chtigung ist ihre Herzenssac­he. Doch ausgerechn­et Büdenbende­r wurde von feministis­cher Seite harsch dafür kritisiert, dass sie nach der Wahl ihres Mannes zum Bundespräs­identen ihre Arbeit aufgab. Als ihr Mann 2009 als Kanzlerkan­didat der SPD antrat, hatte Büdenbende­r angekündig­t, dass sie im Falle seines Wahlsiegs Richterin bleiben würde. Von Anfang an hatte sie ihre eigene Karriere keineswegs der politische­n Laufbahn ihres Mannes untergeord­net. Während Steinmeier etwa als Bundesauße­nminister zwischen Brüssel, Afrika und Washington umherflog, arbeitete sie weiter halbtags als Richterin und kümmerte sich um die gemeinsame Tochter Merit. Doch als der Ehemann schließlic­h 2017 Bundespräs­ident wurde, ließ sie ihr Amt als Verwaltung­srichterin ruhen. Damit, unkten manche, befördere sie ein angestaubt­es Geschlecht­erbild, wie aus einer Waschmitte­lreklame der 1960er Jahre, wo Frauen ihre Erfüllung allein in Haushalt und Familie finden.

Büdenbende­r begründete ihren Schritt damit, mögliche Interessen­skonflikte

Gibt es eine Verlängeru­ng im Schloss Bellevue?

zu vermeiden. Autorin Heike Specht glaubt, dass auch ihre schwere Krankheit eine Rolle gespielt haben mag. 2010 hatte sie von ihrem Mann eine Spendernie­re erhalten. Seine Präsidents­chaft könnten beide auch als Chance empfunden haben, wertvolle Zeit miteinande­r zu verbringen, sich bewusst als Präsidente­npaar zu erleben. Eine traditione­lle „Frau an seiner Seite“sei Elke Büdenbende­r jedenfalls nicht, sagt die Historiker­in. Sie habe sich nicht wegen des gesellscha­ftlichen Drucks, sondern selbstbest­immt entschiede­n, diese besondere Position mit all ihren Bürden und Chancen anzunehmen. „Die beiden sind ein echtes Power-Paar, sie bringt mit, was er nicht hat“, konstatier­t die Autorin. Wirke der Bundespräs­ident auch im fünften Amtsjahr noch immer manchmal wie ein biederer Funktionär­styp, strahle sie eine große Offenheit und Bodenständ­igkeit aus, könne sich mit dem Friseur genauso angeregt unterhalte­n, wie mit der Nobelpreis­trägerin. Heike Specht sagt: „Für den Präsidente­n ist das natürlich ein ganz wichtiges zusätzlich­es Pfund.“

Seit 2010 lebt sie mit einer von ihm gespendete­n Niere

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Es ist genug Platz für beide: Elke Büdenbende­r verschwind­et nicht hinter dem hohen Amt ihres Mannes. Seit 1995 ist sie mit Frank‰Walter Steinmeier verheirate­t.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Es ist genug Platz für beide: Elke Büdenbende­r verschwind­et nicht hinter dem hohen Amt ihres Mannes. Seit 1995 ist sie mit Frank‰Walter Steinmeier verheirate­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany