Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kopftuch: Verbot ist erlaubt
EU-Urteil räumt Arbeitgebern mehr Spielräume ein
Luxemburg Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte von Arbeitgebern gestärkt, die muslimischen Mitarbeiterinnen das Tragen von Kopftüchern verbieten. Die Richter entschieden vor dem Hintergrund von zwei Streitfällen in Deutschland, dass ein Kopftuchverbot gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitgeber gegenüber Kunden ein Bild der Neutralität vermitteln oder soziale Konflikte vermeiden will. Zugleich machten sie deutlich, dass dann auch keine anderen sichtbaren Bekundungen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen erlaubt sein dürfen. Demnach ist zum Beispiel kein Kopftuchverbot möglich, wenn gleichzeitig einer katholischen Frau das offene Tragen einer Kette mit einem religiösen Kreuz gestattet wird. Die Richter betonten zudem, dass Arbeitgeber klarmachen müssen, dass ein Kopftuchverbot für sie wirklich relevant ist. So muss es zum Beispiel in der Kita den Wunsch von Eltern geben, dass ihre Kinder von Personen beaufsichtigt werden, die nicht ihre Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen.
Hintergrund waren zwei Fälle aus Hamburg und Nürnberg. Zum einen war eine muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kindertagesstätte mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur
Arbeit gekommen war. Vor dem Arbeitsgericht Hamburg ging es um die Frage, ob die Einträge aus der Personalakte gelöscht werden müssen. Das Gericht bat den EuGH daher um Auslegung von EU-Recht. Ähnlich ging das Bundesarbeitsgericht 2019 mit dem Fall einer Muslimin bei Nürnberg vor, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte.
In beiden Fällen fühlen sich die Frauen durch das Kopftuchverbot diskriminiert. Sie verweisen auf das Gleichbehandlungsgesetz sowie das Grundrecht auf Religionsfreiheit.
Die andere Seite argumentiert mit der durch die EU-GrundrechteCharta geschützten unternehmerischen Freiheit. Das abschließende Urteil in den beiden deutschen Fällen müssen nun die zuständigen Gerichte treffen. Der EuGH gesteht ihnen dabei durchaus Entscheidungsspielräume zu – etwa wenn es beim Schutz der Religionsfreiheit günstigere nationale Vorschriften gebe.
Das Urteil des EuGH präzisiert eine Entscheidung von 2017. Damals hatte der EuGH entschieden, dass ein allgemeines internes Verbot von politischen oder religiösen Symbolen am Arbeitsplatz keine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Der Wunsch von Arbeitgebern, ihren Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, sei legitim und gehöre zur unternehmerischen Freiheit, so die Richter. Ob gleichzeitig auch das Tragen anderer religiöser Symbole verboten werden muss, blieb damals noch unklar. Zumindest für den Kindertagesstättenbetreiber dürfte die nun erfolgte Klarstellung zu dem Thema ohnehin keine weitreichenden Konsequenzen haben. Er verbietet Mitarbeitern auch das Tragen von christlichen Kreuzen, jüdischen Kippas und anderen religiös oder weltanschaulich bestimmten Kleidungsstücken. Eine Mitarbeiterin, die eine Halskette mit Kreuz trug, musste diese ablegen.