Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erlebt Laschet seinen Schröder‰Moment?

Der Kanzlerkan­didat reist als Krisenmana­ger ins Hochwasser­gebiet. Sein Auftritt in Gummistief­eln ist für ihn Chance und Risiko zugleich

- VON MICHAEL STIFTER

Altena Es sind diese Momente, die Wahlen entscheide­n können. Das begreift auch Armin Laschet – und sagt sein Treffen mit Markus Söder spontan ab. Eigentlich wollte der Kanzlerkan­didat an diesem Donnerstag zur CSU-Klausur ins oberbayeri­sche Kloster Seeon reisen. Nun steht er in der Kleinstadt Altena, mitten im nordrhein-westfälisc­hen Überschwem­mungsgebie­t. Dort, wo tags zuvor ein Feuerwehrm­ann im Einsatz ertrunken war.

Laschet erkennt gerade noch rechtzeiti­g, dass ein Ministerpr­äsident in einer solch dramatisch­en Situation vor Ort sein muss. Zugleich will er den Eindruck vermeiden, er versuche die Katastroph­e für Wahlkampfz­wecke auszunutze­n. Und so widersteht Laschet zunächst der Versuchung, seinen Auftritt als Krisenmana­ger medial zu inszeniere­n. Er nimmt keine Journalist­en mit.

Doch die Zurückhalt­ung hält nicht lange an. In einem Videointer­view mit der Bild berichtet er selbst wie ein Reporter über die Lage in den völlig verwüstete­n Orten – und weckt damit Erinnerung­en an einen anderen legendären Politiker-Auftritt in Gummistief­eln.

In Berlin hält sich bis heute die These, dass Gerhard Schröder die Bundestags­wahl gegen Edmund Stoiber nicht gewonnen hat, weil die Menschen seine Politik so überzeugen­d fanden, sondern weil er die Macht der Bilder für sich zu nutzen verstand. Als eine Jahrhunder­tflut im Sommer 2002 ganze Landstrich­e in Ostdeutsch­land verwüstet, steckt der Bundeskanz­ler im Umfragetie­f. Die Naturkatas­trophe markiert einen Wendepunkt in seinem Wahlkampf. Schröder spürt sofort, dass er nach Sachsen muss. Er spricht den verzweifel­ten Menschen dort Mut zu und kündigt schnelle, unbürokrat­ische Hilfe an. Die Kameras laufen mit.

Der SPD-Politiker setzt sich – wie einst sein Parteifreu­nd Helmut Schmidt bei der Hamburger Sturmflut – als Macher in Szene, als einer, der die Ärmel hochkrempe­lt und die Sache jetzt selbst in die Hand nimmt. In Wahrheit kann er akut rein gar nichts gegen das Hochwasser und die Not der Betroffene­n tun. Aber er ist da – im Gegensatz zu seinem Herausford­erer Stoiber. Der Bayer zögert, will aus nachvollzi­ehbaren Gründen nicht wie ein Katastroph­entourist daherkomme­n und belässt es bei aufmuntern­den Worten

aus der Ferne. Wenige Wochen später scheitert er bei der Bundestags­wahl hauchdünn gegen den Manager in Gummistief­eln.

Erlebt nun Laschet seinen Schröder-Moment? Ist das seine Chance, allen zu beweisen, dass man sich auf ihn verlassen kann, wenn es darauf ankommt? Ganz so einfach wird das wohl nicht werden. Denn das Hochwasser

im Westen spült ja nicht nur die Frage auf die politische Tagesordnu­ng, wie man den Menschen jetzt helfen kann, die Angehörige oder ihr Hab und Gut verloren haben. Hier kann Laschet sich mit entschloss­enem Handeln tatsächlic­h profiliere­n. Es geht aber eben auch darum, wie aus kleinen Bächen reißende Fluten werden, die Menschenle­ben kosten und ganze Ortschafte­n verwüsten. Und um die Frage, welche Rolle der Klimawande­l bei solchen Wetterextr­emen spielt. Kritiker werfen dem CDUChef vor, zu wenig Interesse an solchen Fragen zu zeigen. Und immer wieder wird ihm ein unglücklic­hes Zitat um die Ohren gehauen, das schon zwei Jahre alt ist. „Aus irgendeine­m Grund ist das Klimathema plötzlich zu einem weltweiten Thema geworden“, sagte Laschet damals. Seine Gegner warfen ihm Naivität und Ignoranz vor.

An diesem Donnerstag ist das Klimathema auch ein Thema für den Kanzlerkan­didaten der Union. In Hagen, wo ebenfalls „Land unter“herrscht, sagt er, die zunehmende­n Starkregen- und Hitzeereig­nisse seien mit dem Klimawande­l verbunden – und fordert mehr Dynamik beim Klimaschut­z.

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Foto: Roberto Pfeil, dpa Armin Laschet am Donnerstag in Hagen, das besonders hart vom Hochwasser ge‰ troffen wurde.

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