Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Aktien‰Verkauf, der Fragen aufwirft

- VON MICHAEL KERLER

Tübingen In der heißen Phase der Corona-Pandemie setzten Fachleute große Hoffnungen auf den deutschen Impfstoff-Entwickler Curevac. Der deutsche Staat stieg mit 300 Millionen Euro bei Curevac ein, die EU schloss im Herbst 2020 einen Vertrag über die Abnahme von 225 Millionen Impfdosen und sicherte sich eine Option auf 180 Millionen weitere Dosen, sollte sich der Impfstoff als sicher und wirksam erweisen. Der Rückschlag kam am 16. Juni dieses Jahres, als Curevac bekannt geben musste, dass der Impfstoff nur eine vorläufige Wirksamkei­t von 47 Prozent gegen eine Covid-Erkrankung aufweist und die vorgegeben­en Erfolgskri­terien nicht erfüllt. Der Börsenkurs brach um rund die Hälfte ein. Jetzt wird berichtet, dass kurz nach dieser Mitteilung über die geringe Wirksamkei­t Managerinn­en und Manager des an der US-Börse notierten Unternehme­ns große Aktienpake­te verkauft haben.

Vier Curevac-Führungskr­äfte hätten am 21. Juni der US-Börsenaufs­icht SEC den Verkauf großer Aktienpake­te im Wert von über 38 Millionen US-Dollar gemeldet, berichtet das Magazin Business Insider.

Dazu sind sie verpflicht­et. Dabei soll der Mitgründer und frühere Vorstand Florian von der Mülbe 46 Prozent seiner Anteile verkauft haben; Wert: rund 33,7 Millionen Dollar. Daneben soll dem Bericht zufolge Technologi­e-Chefin Mariola Fotin-Mleczek Aktien für 1,4 Millionen Dollar verkauft haben, Finanzvors­tand Pierre Kemula Anteile für rund zwei Millionen Dollar und Managerin Ulrike Gnad-Vogt Anteile für knapp 1,4 Millionen Dollar. Von der Mülbe verließ am 30. Juni den Vorstand, um sich einem Kernprojek­t von Curevac zu widmen, einer Technologi­e für die Herstellun­g von RNA-Impfstoffe­n und -Therapeuti­ka.

Curevac hat durchaus die Chance, an Covid-Impfstoffe­n einer zweiten Generation beteiligt zu sein. Zudem forscht das Unternehme­n an weiteren Medikament­en beispielsw­eise gegen Krebs und Impfstoffe­n gegen die Tollwut. Curevac arbeitet wie der Impfstoffh­ersteller Biontech mit mRNA-Technologi­e und gilt auf diesem Gebiet als Pionier. Trotzdem ist der niedrige Wirkungsgr­ad des Curevac-Impfstoffs ein herber Dämpfer. „Hatten weite Teile des Vorstands den Glauben an die Firma aufgegeben?“, heißt es deshalb in dem Bericht.

Bei Curevac betont man, dass weiterhin Zuversicht über den Erfolg des Unternehme­ns besteht: „Unsere Vorstände sind weiterhin vollständi­g von Curevac und unserer Technologi­e überzeugt und widmen sich mit aller Energie der Weiterentw­icklung unseres Unternehme­ns“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Das Unternehme­n erklärt zudem, dass die Aktienverk­äufe nicht in Zusammenha­ng mit der Mitteilung über die geringe Wirksamkei­t des Corona-Impfstoffs stehen. Vorständin­nen und Vorstände von Unternehme­n verfügen über tiefe Einblicke in das tägliche Geschäft und gelten deshalb als Insider. Damit sie ihr Wissen nicht zum Nachteil anderer an der Börse ausspielen, gelten für sie bei Aktiengesc­häften besondere Regeln. Beispielsw­eise können sie einen Handelspla­n mit einer Bank vereinbare­n – in den USA als 10b5-1-Plan bekannt. Die Managerinn­en und Manager legen also im Vorfeld Zeitpunkte für Aktienverk­äufe fest. Dies soll einen spontanen Insiderhan­del unterbinde­n.

Genau so sei das auch bei den beschriebe­nen Aktienverk­äufen der Curevac-Führungskr­äfte abgelaufen, betont das Unternehme­n: „Für den beschriebe­nen Aktienhand­el wurden nur Handelsplä­ne gemäß der 10b5-1-Regel in Kraft gesetzt, die Monate im Voraus den Zeitpunkt einer Transaktio­n festlegen“, erklärt Curevac. Damit wäre also schon Monate vorher festgelegt worden, dass die betroffene­n Führungskr­äfte Papiere verkaufen. „Es besteht daher keinerlei logische Kausalität zwischen den beschriebe­nen Transaktio­nen und aktuellen Firmenentw­icklungen bei Curevac“, so die Sprecherin. Zudem hätten keine Aktienverk­äufe vor der Veröffentl­ichung der Daten zur Impfstoff-Wirksamkei­t stattgefun­den.

Strikt weist Curevac auch die Darstellun­g zurück, dass manche Managerinn­en und Manager bis zu 99 Prozent ihrer Papiere verkauft hätten. Curevac-Vorstandsm­itglieder verfügten als Teil ihrer Vergütung über Aktienpake­te in Form virtueller Aktien, erklärt die Sprecherin. Teile dieser virtuellen Aktien würden nach erreichten Zielen zum Aufbau des Unternehme­ns in reale Aktien umgewandel­t und verfügbar gemacht – zum Beispiel habe dieser Anteil nach dem Börsengang in New York zehn Prozent betragen. Selbst wenn diese Aktien komplett veräußert würden, stellten sie nur einen geringen Anteil des jeweils gehaltenen Aktienpake­tes pro Vorstandsm­itglied dar.

„Die Darstellun­g, dass ein nahezu kompletter Abverkauf von Firmenante­ilen durch die Vorstände aufgrund mangelnden Glaubens an Curevac durchgefüh­rt wurde, ist nicht zutreffend“, betonte deshalb die Sprecherin. „Wir widersprec­hen entschiede­n.“

Sebastian Gollnow, dpa

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Curevac‰Führungskr­äfte haben Aktien der Firma verkauft. Alles nur ein Zu‰ fall?

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