Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein AktienVerkauf, der Fragen aufwirft
Tübingen In der heißen Phase der Corona-Pandemie setzten Fachleute große Hoffnungen auf den deutschen Impfstoff-Entwickler Curevac. Der deutsche Staat stieg mit 300 Millionen Euro bei Curevac ein, die EU schloss im Herbst 2020 einen Vertrag über die Abnahme von 225 Millionen Impfdosen und sicherte sich eine Option auf 180 Millionen weitere Dosen, sollte sich der Impfstoff als sicher und wirksam erweisen. Der Rückschlag kam am 16. Juni dieses Jahres, als Curevac bekannt geben musste, dass der Impfstoff nur eine vorläufige Wirksamkeit von 47 Prozent gegen eine Covid-Erkrankung aufweist und die vorgegebenen Erfolgskriterien nicht erfüllt. Der Börsenkurs brach um rund die Hälfte ein. Jetzt wird berichtet, dass kurz nach dieser Mitteilung über die geringe Wirksamkeit Managerinnen und Manager des an der US-Börse notierten Unternehmens große Aktienpakete verkauft haben.
Vier Curevac-Führungskräfte hätten am 21. Juni der US-Börsenaufsicht SEC den Verkauf großer Aktienpakete im Wert von über 38 Millionen US-Dollar gemeldet, berichtet das Magazin Business Insider.
Dazu sind sie verpflichtet. Dabei soll der Mitgründer und frühere Vorstand Florian von der Mülbe 46 Prozent seiner Anteile verkauft haben; Wert: rund 33,7 Millionen Dollar. Daneben soll dem Bericht zufolge Technologie-Chefin Mariola Fotin-Mleczek Aktien für 1,4 Millionen Dollar verkauft haben, Finanzvorstand Pierre Kemula Anteile für rund zwei Millionen Dollar und Managerin Ulrike Gnad-Vogt Anteile für knapp 1,4 Millionen Dollar. Von der Mülbe verließ am 30. Juni den Vorstand, um sich einem Kernprojekt von Curevac zu widmen, einer Technologie für die Herstellung von RNA-Impfstoffen und -Therapeutika.
Curevac hat durchaus die Chance, an Covid-Impfstoffen einer zweiten Generation beteiligt zu sein. Zudem forscht das Unternehmen an weiteren Medikamenten beispielsweise gegen Krebs und Impfstoffen gegen die Tollwut. Curevac arbeitet wie der Impfstoffhersteller Biontech mit mRNA-Technologie und gilt auf diesem Gebiet als Pionier. Trotzdem ist der niedrige Wirkungsgrad des Curevac-Impfstoffs ein herber Dämpfer. „Hatten weite Teile des Vorstands den Glauben an die Firma aufgegeben?“, heißt es deshalb in dem Bericht.
Bei Curevac betont man, dass weiterhin Zuversicht über den Erfolg des Unternehmens besteht: „Unsere Vorstände sind weiterhin vollständig von Curevac und unserer Technologie überzeugt und widmen sich mit aller Energie der Weiterentwicklung unseres Unternehmens“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Das Unternehmen erklärt zudem, dass die Aktienverkäufe nicht in Zusammenhang mit der Mitteilung über die geringe Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs stehen. Vorständinnen und Vorstände von Unternehmen verfügen über tiefe Einblicke in das tägliche Geschäft und gelten deshalb als Insider. Damit sie ihr Wissen nicht zum Nachteil anderer an der Börse ausspielen, gelten für sie bei Aktiengeschäften besondere Regeln. Beispielsweise können sie einen Handelsplan mit einer Bank vereinbaren – in den USA als 10b5-1-Plan bekannt. Die Managerinnen und Manager legen also im Vorfeld Zeitpunkte für Aktienverkäufe fest. Dies soll einen spontanen Insiderhandel unterbinden.
Genau so sei das auch bei den beschriebenen Aktienverkäufen der Curevac-Führungskräfte abgelaufen, betont das Unternehmen: „Für den beschriebenen Aktienhandel wurden nur Handelspläne gemäß der 10b5-1-Regel in Kraft gesetzt, die Monate im Voraus den Zeitpunkt einer Transaktion festlegen“, erklärt Curevac. Damit wäre also schon Monate vorher festgelegt worden, dass die betroffenen Führungskräfte Papiere verkaufen. „Es besteht daher keinerlei logische Kausalität zwischen den beschriebenen Transaktionen und aktuellen Firmenentwicklungen bei Curevac“, so die Sprecherin. Zudem hätten keine Aktienverkäufe vor der Veröffentlichung der Daten zur Impfstoff-Wirksamkeit stattgefunden.
Strikt weist Curevac auch die Darstellung zurück, dass manche Managerinnen und Manager bis zu 99 Prozent ihrer Papiere verkauft hätten. Curevac-Vorstandsmitglieder verfügten als Teil ihrer Vergütung über Aktienpakete in Form virtueller Aktien, erklärt die Sprecherin. Teile dieser virtuellen Aktien würden nach erreichten Zielen zum Aufbau des Unternehmens in reale Aktien umgewandelt und verfügbar gemacht – zum Beispiel habe dieser Anteil nach dem Börsengang in New York zehn Prozent betragen. Selbst wenn diese Aktien komplett veräußert würden, stellten sie nur einen geringen Anteil des jeweils gehaltenen Aktienpaketes pro Vorstandsmitglied dar.
„Die Darstellung, dass ein nahezu kompletter Abverkauf von Firmenanteilen durch die Vorstände aufgrund mangelnden Glaubens an Curevac durchgeführt wurde, ist nicht zutreffend“, betonte deshalb die Sprecherin. „Wir widersprechen entschieden.“
Sebastian Gollnow, dpa