Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gibt es in Zukunft noch genug Fisch zu essen?
Riesige Fangflotten, überfischte Meere: Eine Konferenz versucht seit 20 Jahren, die verhängnisvollen Subventionen zu beenden
Genf Bei den Verhandlungen über die Abschaffung schädlicher staatlicher Fischerei-Hilfen geht es auch darum, ob in Zukunft noch genügend Fisch auf die Teller kommt: Manche Fischbestände stehen schon vor dem Kollaps, weil mehr Fische entnommen werden als nachwachsen. Riesige Fangflotten sind mit verheerenden Folgen auf den Weltmeeren unterwegs. Schuld sind auch staatliche Subventionen – vor allem für Treibstoff, die viele sonst unrentable Fischfangexpeditionen in ferne Meere lukrativ machen. Ein weltweites Abkommen, das schädliche Subventionen verbietet, soll dem einen Riegel vorschieben. Die neue Chefin der Welthandelsorganisation WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, verlangt nach 20 Jahren Verhandlungen endlich einen Abschluss. Sie dankte Umweltorganisationen wie dem WWF, die wegen der sinkenden Fischbestände seit Jahren Alarm schlagen. Umweltschützer warnen: Wenn die Artenvielfalt in den Weltmeeren außer Balance gerät, sind die Folgen katastrophal für die Fischversorgung, aber auch das Klima.
● Die Fischerei Gut ein Drittel der Fischbestände sind laut der Welternährungsorganisation (FAO) schon überfischt. Die Gesamtmenge der Fischfänge weltweit ist nach FAOAngaben bei rund 85 Millionen Tonnen im Jahr seit den 90er Jahren stabil. 60 Millionen Menschen arbeiten in der Fischerei. Für drei Milliarden Menschen ist Fisch die wichtigste Proteinquelle, so die Umweltstiftung WWF.
● Die Probleme Unter anderem weil viele Fischarten schon so knapp sind, wird heute dieselbe Fischmenge von viel mehr Schiffen gefangen und viel öfter von großen kommerziellen Flotten. Diese Boote setzen oft schädliche Schleppnetze ein, in denen Schildkröten, Wale und Delfine verenden. Fremde Boote fischen in den Wirtschaftszonen von Küstenländern, die keine Mittel für Patrouillen haben. Es werden zu viele Jungtiere gefischt, sodass sich Bestände nicht erholen können. Auf der Strecke bleiben kleine Fischer, oft in Entwicklungsländern, die in Küstennähe weniger Fisch finden und kein Geld haben, um weiter hinauszufahren.
● Die Regeln Eigentlich wird die Fischerei in fast allen Ozeanregionen von 17 regionalen Organisationen für das Fischereimanagement (RFMO) organisiert und kontrolliert. Sie überwachen die Bestände und erteilen Lizenzen für Fangkontingente. Allerdings halten sich nicht alle Fischer und Flottenbetreiber an die Regeln.
● Die Kriminellen Illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU – Illegal, Unreported and Unregulated Fishing) ist ein großes Problem. Boote fischen in den Hoheitsgewässern anderer Länder, schalten ihre Ortungsgeräte aus, um nicht entdeckt zu werden, fischen Arten, die unter Schutz stehen. Im IUU-Index der „Globalen Initiative gegen transnationale Organisierte Kriminalität“kommt China am schlechtesten weg, gefolgt von Taiwan, Kambodscha und Russland.
● Die Flotten Problematisch ist das Fischen in Gewässern fernab der heimischen Küsten. Hier sind die EU-Länder mit rund 250 und die USA mit rund 300 Booten nur Zwerge. China stellt alles in den Schatten: Offiziell gab es 2019 rund 2700 registrierte Fernfischerboote. Aber nach Analysen der Londoner Denkfabrik Overseas Development Institute von 2020 sind rund 17 000 chinesische Boote fernab der Heimat auf Fang.
● Die Subventionen Einer kanadischen Studie zufolge betrugen die Fischereisubventionen weltweit 2018 rund 35,4 Milliarden Dollar (knapp 30 Mrd Euro). Mit einigen Milliarden werden zwar gutes Fischereimanagement und nachhaltiger Fischfang gestärkt, aber 63 Prozent der Gelder fließen laut Studie in schädliche Subventionen, vor allem für Treibstoff.
● Die größten Geldgeber Mit Abstand größter Zahler schädlicher Subventionen ist nach der kanadischen Studie China. Dort wurden 5,9 Milliarden Dollar gezahlt, von Japan 2,1 Milliarden Dollar und von der EU 2 Milliarden Dollar.
● Die Verhandlungen Es sollen Subventionen für Boote verboten werden, die bei illegalem Fang erwischt wurden, sowie für Boote, die nach bereits überfischten Arten suchen und für solche, die fern der heimischen Gewässer fischen.
● Die Knackpunkte Unklar ist, wer wie feststellt, ob ein Boot an illegaler Fischerei beteiligt war und wie lange Subventionen dann eingestellt werden, oder welche Bestände überfischt und welche Managementmethoden angemessen sind. Einer der größten Knackpunkte aus EU-Sicht ist die Tatsache, dass China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, in der WTO den Status als Entwicklungsland beansprucht, für die „Sonder- und Vorzugsbehandlung“gilt. Das können Ausnahmen von Verpflichtungen sein oder längere Übergangsfristen zur Umsetzung von Maßnahmen. Europäer und Amerikaner bestehen darauf, dass China von solcher Vorzugsbehandlung ausgenommen wird.
● Der Nutzen Die amerikanische Umweltorganisation Pew Charitable Trusts schätzt, dass die Fisch-Gesamtmenge in den Weltmeeren bei Abschaffung sämtlicher schädlicher Fischereisubventionen bis 2050 um 12,5 Prozent steigen würde. Das wären 35 Millionen Tonnen mehr Fisch – dreimal so viel Fisch, wie in Afrika in einem ganzen Jahr gegessen wird. Christiane Oelrich, dpa