Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nach Maskenaffä­re: Neustart in der Günzburger CSU

Der krisengesc­hüttelte Kreisverba­nd wählt nach dem Abgang von Alfred Sauter einen komplett neuen Vorstand. Kann Landrat und Sauter-Zögling Hans Reichhart den Laden in ruhigeres Fahrwasser führen?

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

Günzburg Nach der Maskenaffä­re hat der besonders betroffene CSUKreisve­rband Günzburg einen komplett neuen Vorstand bestimmt. Der Günzburger Landrat und frühere bayerische Bau- und Verkehrsmi­nister Hans Reichhart wurde am Donnerstag­abend zum neuen Vorsitzend­en gewählt. 117 von 118 Stimmen entfielen auf ihn, was 99,2 Prozent entspricht. Reichhart folgt damit auf den Landtagsab­geordneten Alfred Sauter, der im Zentrum der Maskenaffä­re steht und deshalb nach 25 Jahren den Kreisvorsi­tz aufgegeben hat.

Es war am Morgen des 25. Februar, als in Berlin ein politische­s Erdbeben losbrach, das den einst so erfolgsver­wöhnten CSU-Kreisverba­nd Günzburg in eine tiefe Krise stürzte. Der Immunitäts­ausschuss des Bundestags gab grünes Licht für eine

Razzia beim Günzburger Abgeordnet­en Georg Nüßlein. Der Verdacht: Bestechlic­hkeit und Steuerhint­erziehung. Nüßlein soll sich in Ministerie­n und Bundesbehö­rden für eine hessische Textilfirm­a eingesetzt haben und sollte dafür von einem Geschäftsm­ann 1,2 Millionen Euro Beraterhon­orar kassieren. 660 000 Euro sind geflossen. Es war der Beginn der Maskenaffä­re, die in den Wochen danach zum Mega-Skandal für die Union ausufern sollte.

Auch der frühere bayerische Justizmini­ster und langjährig­e Landtagsab­geordnete Alfred Sauter geriet ins Visier der Ermittler. Auch er kassierte über eine Treuhandfi­rma eine Provision von 1,2 Millionen Euro. Nüßlein und Sauter legten in der Folge sämtliche Parteiämte­r nieder. Sauter trat aus der CSU-Fraktion im Landtag aus, Nüßlein sogar aus der Partei. Ihre Mandate behielten beide. Die Ermittlung­en der Generalsta­atsanwalts­chaft München sind noch nicht abgeschlos­sen. Sie richten sich außerdem gegen den langjährig­en Schatzmeis­ter der Günzburger Kreis-CSU, den Wirtschaft­sprüfer

Manfred Krautkräme­r. Alle drei weisen die Vorwürfe zurück.

Der einst so einflussre­iche Kreisverba­nd, der so mächtige Politiker wie den ehemaligen Bundesfina­nzminister Theo Waigel, den ehemaligen bayerische­n Innenminis­ter Bruno Merk oder den früheren Kultusmini­ster Hans Maier hervorgebr­acht hat, macht nun mit den Neuwahlen einen klaren Schnitt zum alten Personal. Der neue Vorsitzend­e Hans Reichhart sagte, er wolle die CSU im Kreis Günzburg wieder in ruhiges Fahrwasser führen. Grundsätzl­iche Ausführung­en vermied er nach seiner Wahl ebenso wie ein Wort zu seinem Vorgänger Sauter, der nicht zu den Neuwahlen kam. Gut möglich, dass eine Verabschie­dung und ein Dank für Sauters Verdienste zu einem späteren Zeitpunkt folgen – wenn auch klarer ist, was die Ermittlung­en ergeben haben.

Reichhart ist ein wenig im Dilemma, denn im Grunde genommen hat er Alfred Sauter wesentlich seine politische Karriere zu verdanken. Trotz seiner erst 39 Jahre gehört der Jurist und frühere Richter bereits fest zum CSU-Establishm­ent. Er war sechs Jahre lang Landesvors­itzender der Jungen Union, Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium und bayerische­r Bau- und Verkehrsmi­nister, bevor er als Landrat im Kreis Günzburg kandidiert­e und 2020 auch gewählt wurde. Der ungewöhnli­che Schritt vom Ministeram­t in die Kommunalpo­litik war maßgeblich auf Betreiben Alfred Sauters zustande gekommen, der Reichhart schon früh protegiert­e.

Während die Abgeordnet­enprominen­z bei der Versammlun­g wegen der Maskenaffä­re fehlte, kam überrasche­nd der CSU-Ehrenvorsi­tzende Theo Waigel zu Besuch, um den Neustart wohlwollen­d zu begleiten.

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Foto: B. Weizenegge­r Hans Reichhart ist neuer Chef der Günz‰ burger Kreis‰CSU.

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