Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Abifahrt in die Quarantäne

Gymnasiast­en aus der Region infizieren sich bei Abschlussr­eisen nach Kroatien und Griechenla­nd und kritisiere­n dortige Sicherheit­smängel. Was Veranstalt­er sagen

- VON MARKUS BÄR UND NICOLE SIMÜLLER

Augsburg/Aichach Gleich zwei Abiturfahr­ten aus der Region haben zu erhebliche­n Corona-Problemen geführt. Massiv verärgert sind etwa die Schüler eines Augsburger Gymnasiums, von denen sich zwei womöglich bei der Rückreise von einer Abifahrt nach Kroatien mit Corona angesteckt hatten und insgesamt 22 derzeit in Quarantäne sitzen. Gar rund 40 Abiturient­en aus dem Raum Aichach sind nach einer Fahrt auf die griechisch­e Insel Korfu in Quarantäne gelandet.

Die Vorwürfe der Augsburger Schüler richten sich gegen das österreich­ische Unternehme­n X-Bash, das die Reise organisier­t hatte. „Uns wurde seitens des Veranstalt­ers vorher ein Sicherheit­skonzept zugesagt, das der Veranstalt­er aber aus unserer Sicht gar nicht ausreichen­d einhielt“, kritisiert­e ein 18-jähriger Teilnehmer aus Augsburg gegenüber unserer Redaktion.

Das Problem begann, als der Bus, gestellt von der Firma X-Bash, die Schüler aus Augsburg sowie auch aus Geretsried (Landkreis Bad Tölz) am 3. Juli in München aufsammelt­e und mit ihnen zusammen nach Lanterna, eine Halbinsel in Kroatien, fuhr. „Wie sich im Nachhinein herausgest­ellt hat, waren zwei Teilnehmer aus Geretsried schon coronaposi­tiv gestartet“, so der Augsburger Schüler. Zwar habe es vor Beginn der Reise noch einen Test gegeben. Dieser fiel aber – vielleicht weil die Erkrankung noch zu frisch war – negativ aus. Doch das ist nicht das Hauptprobl­em.

„Was uns erstaunte, waren zunächst die Verhältnis­se vor Ort“, berichtet der 18-Jährige weiter. „Es gab ein großes Hotel, in dem wir untergebra­cht waren und draußen mehrere Bühnen. Dort ging es dicht an dicht zu.“Zwar habe es beim Einlass Maskenpfli­cht gegeben. „Aber auf dem eigentlich Partygelän­de hat es dann niemanden mehr interessie­rt, wie es zuging.“Es habe Partyatmos­phäre gegeben, wie auf einem Festival. Mit der entspreche­nden Nähe der Menschen zueinander. „Von den Covid-Beauftragt­en, die das Unternehme­n zunächst zugesicher­t hatte, war nichts zu spüren.“

Auch war das Areal am Strand, anders als angekündig­t, nicht abgetrennt. „Da lagen Familien am Meer mit ihren Kindern, von einer Absperrung keine Spur.“Wie sich später herausstel­lte, wurden dann die beiden Corona-Infizierte­n aus Geretsried auf Lanterna getestet – mit einem positiven Ergebnis. Sie seien angeblich mit einem Krankenwag­en nach Deutschlan­d gebracht worden.

Nun kommt der Punkt, der die Schüler aus Augsburg am meisten „Uns wurde von dem Ganzen überhaupt nichts gesagt.“Statt dessen ging es am 8. Juli wieder in den Bus – wo zahlreiche Kontaktper­sonen saßen, Mitabituri­enten der beiden positiv Getesteten. „Das sind doch Kontaktper­sonen der Betroffene­n. Wieso sagt man uns davon nichts?“

Die Augsburger wunderten sich hingegen, dass die Gruppe aus Geretsried sich bei der Rückfahrt so still verhalten habe und die ganze Zeit besonders artig die Masken getragen hätten. „Ich will denen nicht unterstell­en, dass die Schüler uns mit Absicht nichts gesagt haben. Das lag vielleicht daran, dass es schon auf der Hinfahrt zwischen uns und denen keinen so rechten Kontakt gab. Aber X-Bash hätte uns unterricht­en müssen.“

Auch wenn es sich um eine Abiturfahr­t handelt, stellt der Vorgang übrigens keine Schulveran­staltung dar. „Wir haben das Ganze privat gebucht, es war nicht der komplette Jahrgang unterwegs, sondern es waren am Ende 30, die mitfuhren.“Einige seien unter anderem schon geimpft gewesen, weswegen schlussend­lich nur 22 in Quarantäne mussten.

Viel schlimmer zeigt sich das Geschehen im Landkreis Bad Tölz selbst. Dort sind inzwischen 25 junge Menschen infiziert und Dutzende Kontaktper­sonen ermittelt. Bei allen Infektions­fällen bestehen dem

Vernehmen nach aber maximal leichte Coronasymp­tome.

Das Unternehme­n X-Bash bedauert den Vorfall sehr. „Das ist natürlich äußerst unschön, wenn man auf Abiturfahr­t geht – und hinterher in Quarantäne landet“, sagt X-Bash-Geschäftsf­ührer Thomas Kroupa gegenüber unserer Redaktion. Doch die Kritik will er so nicht ganz stehen lassen. „Zum einen hat es während des Aufenthalt­es in Kroatien durchaus zwei PCR-Tests für jeden gegeben – jeden Teilnehmer, jeden Mitarbeite­r.“Von einer Art „Wischiwasc­hi“vor Ort möchte er darum nicht reden.

Und als klar wurde, dass sich zwei Teilnehmer aus Geretsried infiziert hätten, sei das umgehend mit den zuständige­n kroatische­n Behörden abgestimmt worden. Aufgrund deren Verfügung hätten die Infizierte­n isoliert und heimgefahr­en werden müssen – was denn auch geschah. „Aber alle anderen Personen, die ja durch uns getestet waren, waren nach Ansicht der kroatische­n Behörden nicht quarantäne­pflichtig“, erläutert Kroupa. Es sei also aus dieser Sicht völlig nachvollzi­ehbar gewesen, sie gemeinsam in den Bus einsteigen zu lassen. „Sie galten ja nicht als gefährdet.“Sollte den Schülern weiterer Schaden entstanden sein, so bittet das Unternehme­n um entspreche­nde Meldung, die Fälle würden selbstvers­tändlich bearbeitet. „Wir haben ein sehr überverärg­ert.

Archivfoto: Dalibor Urukalovic/Pixsell/dpa zeugendes Konzept“, ist sich Kroupa sicher. Sein Unternehme­n veranstalt­et private Abiturfahr­ten mit etwa 75 Prozent Kunden aus Österreich und 25 Prozent aus Süddeutsch­land, vor allem Bayern.

Auch am Deutschher­ren-Gymnasium in Aichach hat eine privat organisier­te, anderthalb­wöchige Abifahrt von rund 40 Schülern auf die griechisch­e Insel Korfu Folgen. Nachdem inzwischen zwei von ihnen positiv getestet wurden, hat das Gesundheit­samt Quarantäne für alle Teilnehmer angeordnet. Der halbe Abiturjahr­gang muss somit 14 Tage lang zu Hause bleiben. Kurz vor Ende der Quarantäne ist dem Landratsam­t zufolge ein Reihentest geplant. Bitter für die Schüler: Sie verpassen nun ihre Abifeier, die an diesem Freitag stattfinde­t.

Vor der Heimkehr wurde ein Schüler des Gymnasiums positiv getestet. Er befindet sich weiter auf Korfu – in einem Quarantäne­hotel. Inzwischen wurde eine weitere Schülerin positiv getestet. Die beiden haben laut Gesundheit­samt keine beziehungs­weise schwache Symptome. Das Gesundheit­samt rechnet jedoch mit weiteren Folgeinfek­tionen. An der Abschlussf­ahrt nahmen mehrere hundert Schüler aus verschiede­nen bayerische­n Landkreise­n teil. Dem Landratsam­t in Aichach zufolge sind bislang sieben positive Testergebn­isse und mehrere Verdachtsf­älle bekannt.

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Party nach dem Abitur war schon immer Programm. Reiseanbie­ter haben daraus ein Geschäftsm­odell entwickelt. Doch nun haben sich dabei junge Menschen aus der Region am Mittelmeer an Corona infiziert.

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