Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lehrer von Belästigungsvorwurf freigesprochen
Über einen Angestellten des Bayernkollegs sind viele Gerüchte im Umlauf. Dann wirft ihm eine Schülerin vor, er habe sie in einem Studentenwohnheim sexuell belästigt. Doch vor Gericht bleiben Zweifel an der Aussage der Zeugin
Er soll ihr mit der Hand den Oberschenkel gestreichelt, ihr durchs Haar gestrichen und ihr tief in die Augen geschaut haben. Und dabei soll er sich sexuell erregt haben – so stand es in der Anklageschrift gegen einen 54-Jährigen. Der Vorwurf: sexuelle Belästigung. Dieser Vorwurf, angesiedelt im unteren Bereich der Sexualstraftaten, wäre wohl im Normalfall vor Gericht mit einer Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage aus der Welt geschafft worden. Nicht so in einem Fall, über den Amtsrichterin Teresa Freutsmiedl jetzt urteilen musste. Denn der Angeklagte ist von Beruf Lehrer in Augsburg. Und das mögliche Opfer war seine Schülerin.
Die Geschichte des angeblich übergriffigen Lehrers spielt im Jahr 2016 am Augsburger Bayernkolleg und war Teil eines ganzen GerüchteSammelsuriums, in dessen Mittelpunkt der heute 54 Jahre alte
Deutschlehrer stand, der inzwischen nicht mehr hier an der Schule angestellt ist. Er unterrichtete über zwei Jahre vor allem junge, erwachsene Migranten und Flüchtlinge, die auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachholen wollten. Dass er einer Beziehung zu einer seiner Schülerinnen nicht abgeneigt war, gibt er ganz offen zu. Im Herbst 2015 habe er sich mit einer damals 22-jährigen Schülerin angefreundet, die seine Klasse besuchte. Ein halbes Jahr später – die junge Frau war nun in eine andere Klasse vorgerückt – wurde aus der freundschaftlichen Beziehung offenbar Liebe.
Schließlich mietete der Lehrer für sich und seine Ex-Schülerin ein 130 Quadratmeter Wohnfläche umfassendes Haus, beide zogen zusammen, fuhren in Urlaub. „Es war eine erfüllte Zeit“, sagt der Angeklagte voller Emotionen im Gerichtssaal. Doch dann sei alles gekippt. Sie habe psychische Probleme bekommen, sei „unerträglich“gewesen. Er sagt:
„Wir haben uns schließlich getrennt“. Vier Tage nach einem „letzten Gespräch“in der Schulaula dann der Nackenschlag: Seine Ex-Schülerin erhob gegenüber der Schulpsychologin den Vorwurf, er habe versucht, sie zu vergewaltigen. Diese Anschuldigung, so glaubt der Lehrer, sei ursächlich für die Anzeige einer jungen Migrantin gegen ihn wegen sexueller Belästigung, die nun schon im zweiten Anlauf verhandelt wird. Der Angeklagte vermutet, der Vorwurf der heute 25-jährigen Frau diene dazu, seine Position in Zusammenhang mit dem Vorwurf der versuchten Vergewaltigung zu schwächen. Seine Ex habe die Zeugin „instrumentalisiert“.
Der Lehrer hat sich juristischen Beistand des bekannten Münchner Strafverteidigers Hartmut Wächtler an die Seite geholt. Er kämpft um seine berufliche Rehabilitation. Dem Vorwurf der sexuellen Belästigung, den Staatsanwalt Philip Kramer erhebt, widerspricht der Lehrer ganz energisch. „Ich habe mich den Schülerinnen gegenüber immer distanziert verhalten“. Er verhehlt aber nicht, dass er die Anzeigeerstatterin durchaus als attraktiv empfunden habe. Die zur Debatte stehende sexuelle Belästigung soll während eines Einzelgesprächs im Studentenwohnheim geschehen sein. Man habe über ein Buchprojekt geredet, bei dem seine Schüler Erlebnisse in „durchaus literarisch wirkungsvoller Weise“zu Papier bringen sollten. „Die Begeisterung dafür war groß“, erinnert sich der Lehrer. Dass das Gespräch im Wohnheim über die Bühne ging, damit sei die Zeugin einverstanden gewesen. Passiert sei nichts.
Die Zeugin der Anklage stellt den Verlauf des Gesprächs anders dar: „Er hat mich zuerst gefragt, ob er mein Haar streicheln darf. Ich habe Ja gesagt, weil ich dachte, das ist doch mein Lehrer.“Dann habe der Angeklagte ihr ganz tief in die Augen geschaut und mit der Hand über den
Oberschenkel gestreichelt. Sie sei „schon geschockt“gewesen, „es war schambehaftet für mich“, sagt die Zeugin vor Gericht. Sie berichtet auch von etlichen Gerüchten, die über den Angeklagten am Bayernkolleg im Umlauf gewesen seien. Dass er Schülerinnen besser benotet, er im Unterricht Blickkontakt gesucht und Komplimente verteilt habe. Auch dass er einer Schülerin angeblich Unterwäsche geschickt, einer anderen Blumen gebracht habe. Ob diese Geschichten der Wahrheit entsprächen, könne sie aber nicht sagen.
Die Aussage der Kronzeugin, die nicht frei von Widersprüchen ist, führt letztlich zu einem Gespräch zwischen Richterin, Verteidiger Wächtler und Staatsanwalt Kramer hinter verschlossenen Türen. Mit dem Ergebnis: Richterin Teresa Freutsmiedl spricht den Lehrer, wie Verteidigung und Anklage gefordert haben, frei. Die Richterin: „Es sind Zweifel an der Aussage der Zeugin geblieben.“