Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Seine Leidenscha­ft ist die Landwirtsc­haft

Andreas Reif hat mit 22 Jahren den fast 700 Jahre alten Weilerhof übernommen. Jetzt züchtet er Charolais-Rinder und Strohschwe­ine, die der gelernte Metzgermei­ster selbst vermarktet

- VON OLIVER REISER

Zusmarshau­sen‰Streitheim „Komm, Ferdinand!“, ruft Andreas Reif über die Weide und schüttelt den Eimer mit dem Kraftfutte­r. Ohne Hektik, zielstrebi­g und majestätis­ch setzt sich der fast eine Tonne schwere Bulle in Bewegung, um nicht nur die Leckereien, sondern auch einige Streichele­inheiten zu genießen. Ferdinand ist ein Charolais-Rind. Diese französisc­he Rasse mit dem weißen Fell ist bekannt für ihr exzellente­s Fleisch, das von Feinschmec­kern geschätzt wird. Ferdinand lebt zusammen mit 25 Kühen und derzeit 14 Kälbern auf den saftigen Weiden rund um den Weilerhof, der ein bisschen versteckt am Ortsende des Zusmarshau­ser Ortsteils Streitheim liegt, wenn man bei der Sternwarte noch ein Stückchen weiterfähr­t.

Schon 150 bis 300 vor Christus soll es dort eine Hofstelle gegeben haben. Vor fast 700 Jahren wurde der Weilerhof dann erstmals in Urkunden des Klosters Oberschöne­nfeld erwähnt. „Es handelte sich um einen sogenannte­n Wanderhof, auf dem die durchziehe­nden Menschen Rast gemacht haben“, erzählt Andreas Reif. Er führt den Hof jetzt in der vierten Generation. Übernommen hat er ihn von seiner Mutter Antonia, 52, die noch immer die gute Seele des Hofes ist, den sie von ihrem Vater bereits mit 19 Jahren übergeben bekam. Ursprüngli­ch waren die Reifs Schäfer. 2006 hat man die Schafe verkauft und ist auf Rinderzuch­t umgestiege­n.

Die Zeit von Mai bis Oktober verbringt der Stier Ferdinand mit seinem Harem auf der Weide. Tag und Nacht, bei jedem Wetter. In den Stall ziehen in dieser Zeit 20 Schweine ein, die auf Stroh gehalten und überwiegen­d mit Grünfutter („konvention­ell, nicht bio, aber ohne Kunstdünge­r“) gemästet werden. Dazu gibt es trockenen Getreidesc­hrot. „Damit der Braten beim Braten nicht kleiner wird“, lacht Reif. In vier Monaten sind die Schweine schlachtre­if, dann kehren die Rinder wieder in den Stall zurück. Auch Ferdinand. Nach vier oder fünf Jahren wird der Stier ausgetausc­ht, damit es nicht zur Inzucht kommt. Die Kühe dienen zur Kälbererze­ugung und bleiben so lange, bis sie kein Kalb mehr bekommen können. Reifs Lieblingsk­uh Susi ist bereits 15 Jahre alt. Zwei Kälber bekommt eine Kuh im Jahr, nach zwei Jahren ist das Kalb schlachtre­if. Neben Rindern und Schweinen leben auch noch 500 Hühner, zwei Pferde, Dutzende von Tauben, Enten und ein Hund auf dem Weilerhof. Dazu unzählige Katzen. „Das ist unsere biologisch­e Schädlings­bekämpfung“, lacht Andreas Reif.

Als er vor zwei Jahren seine Ausbildung zum Metzgermei­ster abgeschlos­sen und den Hof übernommen hat, ist Andreas Reif nochmals neue Wege gegangen und ist auf Selbstverm­arktung umgestiege­n. Direkt vom Hof kann man das Fleisch der Rinder und Schweine auf Bestellung im Paket kaufen. Eier und Nudeln gibt es immer. Das große Schild am Eingang des Hofes hat er selbst gemalt. Beim Verkauf hilft ihm seine Schwester. So wirklich rentieren würde sich das alles allerdings nicht. „Seit viele mit ihren mobilen Hühnerstäl­len ein Geschäft wittern, gehen die Preise für Eier nach unten“, gibt Reif ein Beispiel. Deshalb werden auf dem Weilerhof jetzt Nudeln daraus gemacht. Seine Leidenscha­ft für die Landwirtsc­haft lässt ihn jeüber manches hinwegsehe­n. „Der Hof ist mein Ein und Alles“, sagt Andreas Reif. Doch wenn er mal Kinder haben sollte, würde er sie keine Ausbildung zum Landwirt machen lassen. „Das ist verlorene Zeit. Besser sie lernen Metzger, Elektriker oder Maurer.“Dass seine Altersgeno­ssen heutzutage lieber feiern oder chillen wollen, anstatt nach 30 Stunden das weiße Outfit aus der Metzgerei mit dem Blaumann zu tauschen und nochmals 40 Stunden in die Landwirtsc­haft zu investiere­n, kann der 24-Jährige nicht verstehen. Auch seine letzte Freundin wollte, dass er mit der Landwirtsc­haft aufhört. „Sie wollte lieber leben, fortgehen, verreisen, anstatt sich mit mir etwas aufzubauen“, erzählt Andreas Reif und gibt zu, dass die Suche nach einer Frau für einen Hof doch ziemlich schwierig sei. Auch wenn Maschinen mittlerwei­le den größten Teil der Arbeit verrichten. „Die Arbeitserl­eichterung­en sind enorm, aber die Vorschrift­en werden immer mehr“, sagt Reif. Aber: „Man muss immer da sein. Neulich war ich noch mitten in der Nacht auf der Weide, um einem Kalb auf die Welt zu helfen.“Blutüberst­römt sei er wieder nach Hause gekommen. „Aber es hat sich gelohnt. Das Kalb war gesund und munter.“

Eine Teilnahme bei „Bauer sucht Frau“würde er allerdings nur als aldoch lerletzten Ausweg sehen. Vielmehr beschäftig­t sich der 24-Jährige mit Zukunftspl­änen. Gerne würde er die Rinderherd­e vergrößern, da auch die Nachfrage nach dem edlen Fleisch, das er mit einem speziellen Vakuumverf­ahren noch weiter reifen lässt, immer größer wird. Doch in der Umgebung sind kaum mehr bezahlbare Weiden zu finden. Sein absoluter Traum aber wäre ein eigenes Schlachtha­us auf dem Weilerhof. „Dann könnte ich mich endgültig selbststän­dig machen“, lacht Andreas Reif. Den Platz dazu hat er schon ausgesucht. Doch der Traum würde rund eine Million Euro kosten. Da muss er noch viele Steaks und Schnitzel verkaufen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Die Landwirtsc­haft ist die Leidenscha­ft von Andreas Reif. Auf dem Weilerhof bei Streitheim züchtet er Charolais‰Rinder. Einige davon, wie Stier Ferdinand (rechts) bringen fast eine Tonne auf die Waage. Das Fleisch, das bei Feinschmec­kern geschätzt wird, vermarktet er selbst.
Fotos: Marcus Merk Die Landwirtsc­haft ist die Leidenscha­ft von Andreas Reif. Auf dem Weilerhof bei Streitheim züchtet er Charolais‰Rinder. Einige davon, wie Stier Ferdinand (rechts) bringen fast eine Tonne auf die Waage. Das Fleisch, das bei Feinschmec­kern geschätzt wird, vermarktet er selbst.
 ??  ?? Andreas Reif setzt auf dem Weilerhof auf Selbstverm­arktung. Das große Schild am Hofeingang hat er selbst gemalt.
Andreas Reif setzt auf dem Weilerhof auf Selbstverm­arktung. Das große Schild am Hofeingang hat er selbst gemalt.
 ??  ?? Seit fast 700 Jahren gibt es den Weiler‰ hof, die Kapelle wurde 2002 erbaut.
Seit fast 700 Jahren gibt es den Weiler‰ hof, die Kapelle wurde 2002 erbaut.
 ??  ?? Ein Taubenhaus bildet den Mittelpunk­t im Weilerhof.
Ein Taubenhaus bildet den Mittelpunk­t im Weilerhof.

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