Augsburger Allgemeine (Land Nord)

AfD greift Sailer wegen Impfangebo­ts für Schüler scharf an

Rechtspopu­listen halten die Aktion an Schulen für verwerflic­h. Der Landrat nennt ihre Vorwürfe „absurd“

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Als die Landkreisv­erwaltung ihre Impfpläne für Schüler und Jugendlich­e am Montag im Kreistag vorstellte, hatten die Mitglieder der AfD-Fraktion in der anschließe­nden Debatte geschwiege­n. Erst am Donnerstag meldeten sie sich zu Wort. Das Unterfange­n sei – so wörtlich – „verwerflic­h“und müsse sofort gestoppt werden. Auch Landrat Martin Sailer wurde scharf attackiert. Die Reaktion des CSU-Politikers ließ nicht lange auf sich warten.

AfD-Fraktionsc­hef Jörg Mikszas bezeichnet­e es in einer Presseerkl­ärung als „unverantwo­rtlich, gerade die schwächste­n Mitglieder der Gesellscha­ft den Gefahren eines unausgerei­ften Medikament­s auszusetze­n, das die Bezeichnun­g ‘Impfstoff’ nur Dank einer Notfallzul­assung tragen darf“.

Sailer trage damit die „volle Verantwort­ung für alle eventuelle­n gesundheit­lichen Schäden, die mit der Impfung den jungen Menschen zugefügt“würden. Schüler und Jugendlich­e hätten „keinerlei nennenswer­ten Anteil am Corona-Geschehen“und seien von der Krankheit kaum betroffen. Zudem sei es verwerflic­h, dass die Kinder direkt an den Schulen angesproch­en würden. Dies sei nur über die Sorgeberec­htigten zulässig, so der AfDFraktio­nschef.

An diesem Punkt hakt der Augsburger Landrat Sailer in einer scharfen Erwiderung ein. In ihrem Populismus gehe die AfD nachlässig mit den Fakten um. Sailer: „Dieses Impfangebo­t an Schulen kann in unserem Landkreis auf gänzlich freiwillig­er Basis angenommen werden, es besteht keinerlei Verpflicht­ung. Die Ansprache der Schülerinn­en und Schüler erfolgt über die Schulleitu­ngen

und deren Eltern, weshalb der Vorwurf, der Landkreis gehe ‘verwerflic­h’ vor, völlig absurd und vollständi­g zurückzuwe­isen ist.“

Auch sei die Behauptung, die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) empfehle, die Kinder nicht zu impfen, so nicht richtig. Für Kinder und Jugendlich­e ab dem zwölften Lebensjahr, die keine Vorerkrank­ungen haben, gebe es derzeit zwar keine generelle Empfehlung der Stiko. Nach Ansicht der Stiko könne 12bis 17-Jährigen auf Wunsch der Eltern und nach ärztlicher Aufklärung eine Impfung angeboten werden.

Inzwischen gibt es laut Sailer rund 600 Terminanfr­agen für Jugendlich­e über die Hotline. Dies zeige, „dass viele Familien die Impfung ihrer jüngeren Familienmi­tglieder explizit wünschen“. Auch wenn Covid-19 bei Kindern und Jugendlich­en nur selten einen schweren Verlauf nehme, so erschwere die

Impfung zumindest eine Weitergabe der Krankheit. Sailer: „Diese Tatsache scheint die AfD-Kreistagsf­raktion auch nach knapp eineinhalb Jahren Pandemie noch nicht begriffen zu haben.“

Nach den Daten des RobertKoch-Instituts gab es bislang im Landkreis Augsburg rund 11.500 offiziell bestätigte Corona-Infektione­n. Etwas mehr als 900 davon betrafen die Altersgrup­pe der fünf bis 14-Jährigen. In der am stärksten betroffene­n Altersgrup­pe, den 35- bis 59-Jährigen, gab es bislang rund 4300 Fälle, bei den über 80-Jährigen knapp 800.

Wegen der hohen Ansteckung­sgefahr waren im Landkreis Augsburg vor allem im Herbst mehrfach ganze Schulklass­en und sogar Schulen in Quarantäne. Wie schnell so etwas gehen kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Realschule Wertingen. Dort hat sich nach Angaben des Landratsam­tes in Dillingen der bereits am Mittwoch gemeldete Verdachtsf­all bestätigt. Die betroffene Person kommt aus dem Landkreis Augsburg. Aufgrund des bestätigen Falls hat das Gesundheit­samt Dillingen deshalb einen weiteren Klassenver­band der sechsten Jahrgangss­tufe als Kontaktper­sonen in Quarantäne versetzt.

Wie eine Umfrage unserer Zeitung unter Kinderärzt­en ergab, sind diese mit der Corona-Impfung bislang zurückhalt­end und nehmen sie meist nur bei Kindern mit Vorerkrank­ungen vor.

Dr. Christian Voigt, Sprecher des Berufsverb­ands für Kinder- und Jugendärzt­e für Nordschwab­en und Augsburg, sagte: Noch wisse man nicht, welche chronische­n Folgen Covid bei Kindern hervorrufe­n könne. Auch was die Impfung angehe, fehle es bislang an ausreichen­den Daten.

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