Augsburger Allgemeine (Land Nord)
AfD greift Sailer wegen Impfangebots für Schüler scharf an
Rechtspopulisten halten die Aktion an Schulen für verwerflich. Der Landrat nennt ihre Vorwürfe „absurd“
Landkreis Augsburg Als die Landkreisverwaltung ihre Impfpläne für Schüler und Jugendliche am Montag im Kreistag vorstellte, hatten die Mitglieder der AfD-Fraktion in der anschließenden Debatte geschwiegen. Erst am Donnerstag meldeten sie sich zu Wort. Das Unterfangen sei – so wörtlich – „verwerflich“und müsse sofort gestoppt werden. Auch Landrat Martin Sailer wurde scharf attackiert. Die Reaktion des CSU-Politikers ließ nicht lange auf sich warten.
AfD-Fraktionschef Jörg Mikszas bezeichnete es in einer Presseerklärung als „unverantwortlich, gerade die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft den Gefahren eines unausgereiften Medikaments auszusetzen, das die Bezeichnung ‘Impfstoff’ nur Dank einer Notfallzulassung tragen darf“.
Sailer trage damit die „volle Verantwortung für alle eventuellen gesundheitlichen Schäden, die mit der Impfung den jungen Menschen zugefügt“würden. Schüler und Jugendliche hätten „keinerlei nennenswerten Anteil am Corona-Geschehen“und seien von der Krankheit kaum betroffen. Zudem sei es verwerflich, dass die Kinder direkt an den Schulen angesprochen würden. Dies sei nur über die Sorgeberechtigten zulässig, so der AfDFraktionschef.
An diesem Punkt hakt der Augsburger Landrat Sailer in einer scharfen Erwiderung ein. In ihrem Populismus gehe die AfD nachlässig mit den Fakten um. Sailer: „Dieses Impfangebot an Schulen kann in unserem Landkreis auf gänzlich freiwilliger Basis angenommen werden, es besteht keinerlei Verpflichtung. Die Ansprache der Schülerinnen und Schüler erfolgt über die Schulleitungen
und deren Eltern, weshalb der Vorwurf, der Landkreis gehe ‘verwerflich’ vor, völlig absurd und vollständig zurückzuweisen ist.“
Auch sei die Behauptung, die Ständige Impfkommission (Stiko) empfehle, die Kinder nicht zu impfen, so nicht richtig. Für Kinder und Jugendliche ab dem zwölften Lebensjahr, die keine Vorerkrankungen haben, gebe es derzeit zwar keine generelle Empfehlung der Stiko. Nach Ansicht der Stiko könne 12bis 17-Jährigen auf Wunsch der Eltern und nach ärztlicher Aufklärung eine Impfung angeboten werden.
Inzwischen gibt es laut Sailer rund 600 Terminanfragen für Jugendliche über die Hotline. Dies zeige, „dass viele Familien die Impfung ihrer jüngeren Familienmitglieder explizit wünschen“. Auch wenn Covid-19 bei Kindern und Jugendlichen nur selten einen schweren Verlauf nehme, so erschwere die
Impfung zumindest eine Weitergabe der Krankheit. Sailer: „Diese Tatsache scheint die AfD-Kreistagsfraktion auch nach knapp eineinhalb Jahren Pandemie noch nicht begriffen zu haben.“
Nach den Daten des RobertKoch-Instituts gab es bislang im Landkreis Augsburg rund 11.500 offiziell bestätigte Corona-Infektionen. Etwas mehr als 900 davon betrafen die Altersgruppe der fünf bis 14-Jährigen. In der am stärksten betroffenen Altersgruppe, den 35- bis 59-Jährigen, gab es bislang rund 4300 Fälle, bei den über 80-Jährigen knapp 800.
Wegen der hohen Ansteckungsgefahr waren im Landkreis Augsburg vor allem im Herbst mehrfach ganze Schulklassen und sogar Schulen in Quarantäne. Wie schnell so etwas gehen kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Realschule Wertingen. Dort hat sich nach Angaben des Landratsamtes in Dillingen der bereits am Mittwoch gemeldete Verdachtsfall bestätigt. Die betroffene Person kommt aus dem Landkreis Augsburg. Aufgrund des bestätigen Falls hat das Gesundheitsamt Dillingen deshalb einen weiteren Klassenverband der sechsten Jahrgangsstufe als Kontaktpersonen in Quarantäne versetzt.
Wie eine Umfrage unserer Zeitung unter Kinderärzten ergab, sind diese mit der Corona-Impfung bislang zurückhaltend und nehmen sie meist nur bei Kindern mit Vorerkrankungen vor.
Dr. Christian Voigt, Sprecher des Berufsverbands für Kinder- und Jugendärzte für Nordschwaben und Augsburg, sagte: Noch wisse man nicht, welche chronischen Folgen Covid bei Kindern hervorrufen könne. Auch was die Impfung angehe, fehle es bislang an ausreichenden Daten.