Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie Laschet mit seinem Politiksti­l an Grenzen stößt

Wegen der schweren Überschwem­mungen in seiner Heimat muss sich der Unions-Kanzlerkan­didat bissige Fragen gefallen lassen, warum es seinem Konzept für den Kampf gegen die Erderwärmu­ng an Konsequenz mangelt. Er müsste sich dafür komplett neu erfinden

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Wer verstehen will, warum Armin Laschet beim Klimaschut­z so wenig ambitionie­rt erscheint, muss auf seine CDU schauen und auf die politische Kultur in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen. Diese hat der Unions-Kanzlerkan­didat tief verinnerli­cht. Am treffendst­en zusammenge­fasst hat sie der verstorben­e Landesvate­r Johannes Rau von der SPD: „Versöhnen statt spalten“– so lautete dessen Motto. Es ist auch Laschets Credo.

Große Aufgaben werden im Konsens von Beschäftig­ten, Staat und Unternehme­n bewältigt. Dem Staat kommt die Aufgabe zu, wirtschaft­liche Härten durch viel Steuergeld abzufedern. Darüber hinaus werden schmerzhaf­te Veränderun­gen möglichst lange in der Zeit gestreckt. NRW hat sich über Jahrzehnte vom Steinkohle­bergbau verabschie­det und die Förderung des Grubengold­es mit enormen Summen subvention­iert („Kohlepfenn­ig“). Für Kumpel, die nicht mehr gebraucht wurden, hat der Staat die Umschulung oder Frührente bezahlt.

Dieser Ansatz kommt jetzt auch beim Ausstieg aus dem Abbau und der Verfeuerun­g von Braunkohle zum Tragen. Bei der Erzeugung von

Strom mit dem fossilen Rohstoff wird sehr viel Kohlendiox­id freigesetz­t, was die Erderwärmu­ng beschleuni­gt. Die Gruben und Kraftwerke im Rheinische­n Revier werden dennoch nicht so schnell geschlosse­n, wie es nach Einschätzu­ng von Umweltschü­tzern und Klimaexper­ten nötig wäre, um Deutschlan­ds neue, ehrgeizige­n Klimaziele zu erfüllen. „Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik“, sagte Laschet denn auch, sich treu bleibend, in einem Interview, das ihm prompt heftige Kritik einbrachte. Mit „so einem Tag“meinte er die Sintflut, die den Westen Deutschlan­ds heimgesuch­t hat. Die Politik rasch zu ändern hieße aber, das NRW-Modell aufzugeben, das den Strukturwa­ndel in die Länge zieht, um ihn verträglic­h zu machen. Doch die rapide Senkung des Ausstoßes von CO2 darf offenkundi­g nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Laschet fehlt die Zeit, die andere Mächtige an Rhein und Ruhr früher hatten.

Zur fairen Beurteilun­g gehört dazu, dass Laschet beim Abschied von der Braunkohle durchaus versucht hat, Tempo zu machen. In NRW werden früher Kraftwerke und Tagebaue stillgeleg­t, damit die Reviere im Osten mehr Zeit zur Anpassung haben. Das Bundesland steigt zehn Jahre früher aus der Braunkohle aus, als es vor seiner Zeit die rot-grüne Landesregi­erung beschlosse­n hatte. Die letzten Braunkohle­kraftwerke sollen 2038 vom Netz gehen. Ein schnellere­s Abdrehen der Turbinen könnte daran scheitern, dass nicht genügend Ersatzstro­m bereitgest­ellt werden kann: Die Industrie im Ruhrpott und am Rhein braucht Unmengen an Energie. Das Rheinische Revier hat die Versorgung mit billigem Braunkohle­strom sichergest­ellt. Um deren Abschaltun­g ausgleiche­n zu können, hätten in NRW viel mehr Windräder aufgestell­t werden müssen. Genau das ist aber nicht geschehen. Jetzt könnte es sogar noch schwierige­r werden: Das neue Klimaschut­zgesetz erlaubt Gemeinden, einen Mindestabs­tand zwischen Windrädern und Wohnhäuser­n von 1000 Metern einzuforde­rn. Das gilt nicht nur für neue Anlagen, sondern auch für die Aufrüstung bestehende­r Anlagen. Wegen der hohen Abstände scheiden viele geeignete Flächen für Windparks aus. Der Grund für die strengen Abstandsre­geln, die in ähnlicher Form zum Beispiel auch Bayern kennt, ist die Furcht von CDU-Bundestags- und Landtagsab­geordneten vor gut organisier­ten Windkraftg­egnern. Der weite Abstand zu Häusern soll Akzeptanz bringen, verringert aber die Zahl windreiche­r Standorte.

Hinzu kommt, dass mehr Windparks auch mehr Stromleitu­ngen erfordern, was bei betroffene­n Bürgern nicht für Glücksgefü­hle sorgt. Für Armin Laschet als Meister des Konsenses ist das ein Dilemma. Die Notwendigk­eit, binnen weniger Jahre den CO2-Ausstoß drastisch zu senken und die erneuerbar­en Energien rapide auszubauen, stellt nichts weniger als seinen Politikans­atz infrage.

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Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Den Schalter einfach mal rasch umlegen – das ist nicht Armin Laschets Sache, wenn es um seinen politische­n Kurs geht. In der Kli‰ mapolitik gerät er daher zunehmend unter Druck.

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