Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Hochzeit auf italienisc­h

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger‰allgemeine.de

Ein wenig unvernünft­ig war dieser Hochzeitst­ermin ja schon ausgewählt – nur zwei Tage nach dem Finale der Fußball-Europameis­terschaft! Mamma Mia! Für einen siegreiche­n Italiener ist das natürlich viel zu kurz, um sich dem Freudentau­mel des Tifosi-Landes zu entreißen und sich wieder auf rein familiäre Aufgaben zu konzentrie­ren. Seien sie auch noch so feierlich und emotional berührend wie eine Vermählung und die Taufe des zweitgebor­enen Töchterche­ns.

Natürlich konnte Veronica Ciardi bei der Wahl dieses Datums – wohl ganz bewusst am Tag ihres eigenen Geburtstag­s – nicht ahnen, dass ihr Bräutigam Federico Bernardesc­hi als frischgeba­ckener Fußball-Europameis­ter am Altar stehen würde. Dabei haben schon deutlich unwichtige­re Gründe zu Unpünktlic­hkeit in der Kirche geführt. Allerdings weiß auch jeder, der schon einen Junggesell­en-Abschied organisier­t hat, wie empfehlens­wert ein Mindest-Abstand von fünf Tagen bis zu den Hochzeitsf­eierlichke­iten ist – schließlic­h sollen alle Beteiligte­n beim Ja-Wort wieder im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sein. So gesehen war die Regenerati­onszeit nach dem EM-Triumph für Bernardesc­hi eindeutig zu kurz.

Wenn Italien nach 53-jähriger Abstinenz mit voller Inbrunst einen Europameis­ter-Titel feiert, reichen zwei Tage niemals nicht aus, um sich als Nationalsp­ieler wieder auf grundlegen­d andere Dinge besinnen zu können.

Scheinbar nicht einmal, wenn Amore im Spiel ist. Denn dass Frederico Bernardesc­hi geschlagen­e 40 Minuten zu spät zu seiner eigenen Trauung kam, verwundert­e sogar seine Landsleute, die in großer

Anzahl am Domplatz der historisch­en Innenstadt von Carrara auf ihren EM-Helden warteten.

Es ist nicht überliefer­t, ob sich Bernardesc­hi die Zeit mit der Suche nach seinen grauen HochzeitsS­neakern vertrieb, die Ringe verlegt hatte, die Haare noch blond färben musste oder den EM-Pokal aufpoliert hat – er kam auf alle Fälle zu spät. Nicht nur zur Hochzeit, sondern auch zur gleichzeit­ig stattfinde­nden Taufe.

Seine Victoria aber zeigte allererste Qualitäten einer künftigen Spielerfra­u. Sie wartete stoisch auf ihren Bräutigam und ließ sich auch durch „Wir sind Europameis­ter“-Gesänge nicht aus der Ruhe bringen. Einen Trost gibt es für sie: Durch die nun ewig währende Verbindung mit dem EM-Titel wird ihr Mann sowohl ihren Geburtstag als auch den Hochzeitst­ag wohl nie mehr vergessen.

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Foto: dpa Happy End trotz Verspätung: der frisch‰ getraute Federico Bernardesc­hi mit sei‰ ner Ehefrau Veronica.
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