Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine Teufelin und ein neuer Schürzenjäger
Was die großen Klassik-Festspiele in diesem Sommer zu bieten haben 2021 wird einiges von dem nachgeholt, was im vergangenen Jahr zum 100. Geburtstag des Festivals abgesagt werden musste. Nun gilt wieder umfänglich: berühmte Dirigenten, große Orchester, St
Wer hätte im Festspielsommer 2021 nicht etwas nachzuholen? Die Opern-, Schauspiel- und Konzertbühnen allerhand ausgefallene Produktionen von 2020; das Publikum allerhand Vorstellungen, die nur schütter mit Zuhörern besetzt werden durften – beziehungsweise Erwartungen weckend angekündigt wurden und dann abgesagt werden mussten. Betraf und betrifft Bayreuth wie Bregenz und viele andere Festivals auch.
Aber in Salzburg fiel 2020 praktisch noch etwas aus, das man gerne weltumarmend, menschheitsverbrüdernd, lachend und lauthals bis in den Morgen gefeiert hätte: 100 Jahre Salzburger Festspiele. Gewiss: In viel beachteten und kritisch beäugten „Test“- statt Festspielen gab es ein stark reduziertes Ersatzprogramm unter strengen Vorgaben, aber überschäumender Jubiläumsjubel konnte und durfte sich natürlich nicht einstellen. Es wurden Festspiele mit angezogener Handbremse.
Und so entstand besagter Nachholbedarf, gerade in Salzburg mit singulär breit gefächertem Angebot auf angestrebtem künstlerischen Spitzenniveau. In diesem Sommer nun soll etliches davon aufgearbeitet werden, auch der „Jedermann“, mit dem die Festspiele an diesem Samstag in einer überholten Inszenierung von Michael Sturminger mit neuer Besetzung starten – nämlich u.a. mit Lars Eidinger in der Titelrolle und Verena Altenberger als Buhlschaft. Der Teufel ist erstmals eine Teufelin: Mavie Hörbiger.
Hinzu kommen weitere Schauspiele: „Richard The Kid & The King“nach Shakespeares Königsdrama in der Regie von Karin Henkel (Perner-Insel Hallein ab 25. Juli), Hofmannsthals „Das Bergwerk zu Falun“(Regie: Jossi Wieler, ab 7. August im Landestheater) sowie Schillers „Maria Stuart“, bei der sich in der Regie von Martin Kusej zwei Königinnen bis aufs Blut bekriegen: Bibiana Beglau und Birgit Minichmayr (Perner-Insel Hallein, ab 14. August). Übrigens: Hofmannsthals „Bergwerk zu Falun“, dieses posthum veröffentlichte und uraufgeführte Stück mit Märchenund „Faust“-Motivik, basiert auf E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Die Bergwerke von Falun“– und die dokumentierte Begebenheit, dass eine alte Frau ihren vor 50 Jahren im Bergwerk tödlich verunglückten und unverwesten Bräutigam wiedererkennt.
Traditionell schwergewichtiger in Salzburg ist freilich das Musiktheaterund Konzertprogramm: Sechs szenische Produktionen stehen im Jahr eins nach Corona-Ausbruch zur Debatte: Neben den Wiederaufnahmen von Straussens „Elektra“und Mozarts „Così fan tutte“wird sich Augen- und Ohrenmerk zunächst vor allem auf den neuen „Don Giovanni“richten, der ab 26. Juli im Großen Festspielhaus der Regie von Romeo Castellucci gegeben wird. Zahlreiche Frauen wurden im Vorfeld als Statistinnen für diese Inszenierung rund um den berühmten Schürzenjäger gesucht, auch eine schwangere. Am Pult vor Aeterna Orchestra und Choir: Teodor Currentzis. Und „Don Giovanni“folgt dann eine Neuproduktion von Luigi Nonos szenischer Aktion „Intolleranza 1960“, diesem humanitären und (sozial-)politischen Musiktheater-Appell. Jan Lauwers inszeniert und stattet aus; Ingo Metzmacher dirigiert – und zwar die Wiener Philharmoniker (ab 15. August in der Felsenreitschule).
Bleiben im Bereich szenisches Musiktheater noch zu erwähnen: Händels Oratorium „Il trionfo del tempo“als Übernahme der Pfingstfestspiele (Haus für Mozart, ab 4. August) sowie Puccinis „Tosca“als Übernahme der Osterfestspiele (Großes Festspielhaus ab 21. August). Konzertant erklingen dazu Morton Feldmans Oper „Neither“(Kollegienkirche, 13. August) und Berlioz’ dramatische Legende „La damnation de Faust“(Großes Festspielhaus, 22. August).
Auch in der Konzert-Sparte folgen große Dirigenten, große Solisten, berühmte Orchester Schlag auf Schlag – obwohl das Chicago Symphony Orchestra und das City of Birmingham Symphony Orchestra abgesagt haben. Bleiben vor den Wiener Philharmonikern als Dirigenten immer noch: Franz WelserMöst mit einem Strauss-Programm, Christian Thielemann mit Strauss/ Bruckner, Andris Nelsons mit Mahlers dritter Sinfonie, Riccardo Muti mit Beethovens Missa solemnis und Herbert Blomstedt mit unter andein rem Brahms’ vierter Sinfonie. Daneben sind auch zu hören: die Berliner Philharmoniker in zwei verschiedenen Programmen unter Kirill Petrenko sowie das West-Eastern Divan Orchestra mit zwei Programmen unter Daniel Barenboim.
Einige große Künstler über die Opernsolisten Netrebko, Garanca, Bartoli, Marianne Crebassa, Ausrine Stundyte, Davide Luciano hinaus: Sonya Yoncheva, Joyce DiDonato, Juan Diego Florez, Christian Gerhaher geben Liederabende. Andras Schiff, Daniil Trifonov, Igor Levit, Grigory Sokolov, Arcadi Volodos, Evgeny Kissin, Maurizio Pollini, Mitsuko Uchida sind für KlavierRecitals angekündigt. Anne-Sophie Mutter, Thomas Zehetmair werden Violin-Kammermusik bringen.
Fürs Publikum gilt: 3-G-Regel, Maskenempfehlung, Vollbesetzung.