Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was Augsburg aus Hochwassern gelernt hat
Nach dem großen Pfingsthochwasser im Jahr 1999 haben sich im Stadtgebiet die Schutzmaßnahmen zwar verbessert. Doch ausgeschlossen sind Überschwemmungen trotzdem nicht
Die Bilder aus Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dürften, auch wenn das Ausmaß der Katastrophe dort weitaus größer ist, bei manchen Augsburgerinnen und Augsburgern schlimme Erinnerungen wecken: Im Jahr 1999 wurden weite Teile von Pfersee und Göggingen überschwemmt. 2005 drohte dann bei einem Hochwasser am Lech eine Katastrophe, als die Autobahnbrücke in den Fluss zu stürzen drohte – und dort wohl wie eine Staumauer gewirkt hätte. Der Brücke hat damals gehalten. Und inzwischen hat sich in Sachen Hochwasserschutz viel getan in Augsburg – im Falle eines extremen Hochwassers, wie es seltener als alle 100 Jahre vorkommt, wären aber Teile des Stadtgebiets nach wie vor gefährdet.
Der Pfingstmorgen 1999 dürfte den damals 10.000 betroffenen Bürgerinnen und Bürgern noch gut in Erinnerung sein: Nachdem am Gögginger Ackermannwehr, das nach tagelangen Regenfällen von in die Wertach gefallenen Bäumen verstopft war, nachts der Damm gebrochen war, ergoss sich die Flut in die Stadtteile. Wasser rauschte mit Brausen Tiefgarageneinfahrten hinunter, Kanaldeckel wurden hochgehoben, in Tausenden von Kellern und Wohnzimmern stand das Wasser. Todesopfer gab es damals keine zu beklagen.
Vor allem als Reaktion auf die Pfingstflut gab der Freistaat bei seinem schon damals geplanten FlussKonzept „Wertach vital“Gas. Durch eine Aufweitung des Flussbetts mit Zurückverlegung von Dämmen wurde das Hochwasserrisiko gesenkt. Das Ackermann-Wehr wurde durch ein pfeilerloses Wehr ersetzt, um die Gefahr von Verstopfungen von Bäumen zu beseitigen. Auch die Pferseer Localbahnbrücke wurde durch einen Neubau ersetzt und die Goggelesbrücke, die auch ein potenzielles Hindernis gewesen wäre, abgerissen, nachdem sie bei einem Hochwasser ohnehin einzustürzen drohte. Noch gibt es aber eine Lücke in dem Revitalisierungsprojekt. Auf der insgesamt neun Kilometer langen Fließstrecke zwischen dem Kraftwerk bei Bobingen und der Bürgermeister-Ackermann-Straße ist der 1500 Meter lange Abschnitt zwischen AckermannWehr und B17-Brücke noch nicht begonnen worden. Hier soll es im Herbst 2022 so weit sein.
Der Fluss wird in diesem Abschnitt etwa doppelt so breit sein und durch Rückverlegung der Dämme mehr Platz bekommen, damit das Wasser im Fall einer Überflutung besser im Zaum gehalten werden kann. Auch für den Rest der Wertach bis zur Mündung in den Lech wird geprüft, ob das Konzept fortgesetzt werden kann. Wie berichtet plant der Freistaat auch für den Lech ein Revitalisierungsprojekt („Licca liber“), das Hochwasserschutz, ökologische Aufwertung und mehr Freizeitwert unter einen Hut bekommen soll. Hier laufen die Planungen für den etwa neun Kilometer langen Abschnitt zwischen Mandichosee und Hochablass.
Auch wenn Wertach vital den Hochwasserschutz bereits deutlich verbessert hat – ganz ausgeschlossen sind Überflutungen durch Flüsse in Augsburg nicht. Ein Hochwasser, wie es statistisch alle 100 Jahre vorkommt, dürfte kein Problem sein. Bei extremeren und selteneren Hochwasserlagen wäre aber davon auszugehen, dass Teile des Stadtgebiets unter Wasser stehen könnten. Eine Gefahrenkarte des Landesamts für Umwelt sähe potenziell Probleme für Teile von Hochzoll, Spickel,
Textilviertel und sogar die Jakobervorstadt. Der Stadtwald würde zur Überflutungsfläche werden. Auch Göggingen und Pfersee wären nach dem derzeitigen Stand potenziell bedroht, wenn ein solches extrem seltenes Hochwasser in der Wertach fließen würde.
Um für Hochwasserlagen besser gerüstet zu sein, richtete die Stadt nach dem Pfingsthochwasser vor gut 20 Jahren wieder ein Sirenennetz ein, das nach dem Ende des Kalten Kriegs abgebaut worden war. Zudem legte die Feuerwehr ein Sandsacklager an, um schnell handlungsfähig zu sein. Inzwischen nimmt die Stadt auch an der bundesweiten Warn-App „Nina“des Bundes teil. Die Feuerwehr kann Bürger so schnell warnen.
Und auch eine zweite Gefahr rückt stärker ins Bewusstsein: Kommt es zu extrem starkem Niederschlag, braucht es gar keinen Fluss in der Nähe, der über die Ufer tritt, weil der Regen selbst für eine Überflutung sorgt. Allerdings sind diese Starkregenereignisse meist örtlich begrenzt. Um sich gegen derartige Regenfälle zu wappnen, arbeitet die Stadt an einer Simulationsrechnung für die Innenstadt, um herauszufinden, wo es kritisch werden könnte, wenn schlagartig zig Liter Regen pro Quadratmeter vom Himmel fallen.
Perspektivisch, so OrdnungsrefeHerrenbach, rent Frank Pintsch (CSU), denke man darüber nach, eine solche Simulation aufs ganze Stadtgebiet auszudehnen. Letztlich könne man nur versuchen, Vorsorge zu betreiben. „Starkregenereignisse können genauso wenig aktiv verhindert werden wie jedes andere Gewitter auch“, sagt Pintsch.