Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gersthofen verstärkt Kampf gegen Wohnungslo­sigkeit

Wie lässt sich Obdachlosi­gkeit bekämpfen? Die Stadt arbeitet mit dem Diakonisch­en Werk Augsburg zusammen

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen Wie lässt es sich vermeiden, dass Menschen ihre Wohnung verlieren und obdachlos werden? Zu diesem Zweck arbeitet die Stadt Gersthofen seit Anfang des Jahres 2018 mit dem Diakonisch­en Werk Augsburg zusammen. So wurde eine Fachstelle eingericht­et. Weil der Aufwand sich verdoppelt hat, soll die Zahl der zur Verfügung stehenden Stunden verdoppelt werden, beschloss der Finanzauss­chuss. Doch es soll sich auch der Schwerpunk­t der Arbeit in der Fachstelle ändern.

Wie Christian Müller, der Einrichtun­gsleiter des Bodelschwi­nghHauses der Diakonie Augsburg im Finanz- und Ordnungsau­sschuss erklärte, gibt es derzeit 280 Wohnungslo­se in Augsburg. „Gersthofen hat in den vergangene­n Monaten immer um die vier Wohnungslo­se gehabt.“Die Stadt ist verpflicht­et, diese Obdachlose­n unterzubri­ngen. So wurden unter anderem Räume in Batzenhofe­n als Unterkunft angemietet. „Die Fachstelle in Gersthofen bringt einen großen Nutzen“, betonte Müller, nicht zuletzt weil sie eng mit dem Ordnungsam­t sowie Einrichtun­gen wie der Familienst­ation vernetzt sei.

Hier werde zusammenge­arbeitet, um den Wohnungsve­rlust noch im Vorfeld zu vermeiden, beispielsw­eise durch Mediation, wenn es Probleme mit der Hausgemein­schaft gibt. Weiter werden Wohnungslo­se beispielsw­eise beraten, wenn es darum geht, Anträge auf Arbeitslos­engeld II, Grundsiche­rung im Alter oder Wohngeld zu stellen. „Hilfe gibt es auch dabei, dass Obdachlose möglichst schnell wieder eine Wohnung finden können“, so Müller. Und wem das gelungen ist, der erhält Unterstütz­ung, damit er die Wohnung auch behalten kann, beispielsw­eise durch eine Vermittlun­g zur Suchtberat­ung oder Schuldnerb­eratung.

Christian Müller rechnet damit, dass angesichts der Pandemie noch eine Welle von Wohnungslo­sen – zunehmend auch Familien oder Alleinerzi­ehende mit Kindern – auf die Kommunen zurollen wird: „Bei vielen sind die letzten Notgrosche­n aufgebrauc­ht und auch eine eventuelle Kurzarbeit hat ihnen das Leben nicht leichter gemacht.“So erreiche die Wohnungslo­sigkeit auch immer mehr Menschen aus dem Mittelstan­d. „Viele Betroffene bleiben aber aus Scham oft zu Hause, bis ihnen das Dach bereits auf den Kopf gefallen ist.“Daher sei eine aufsuchend­e Arbeit sehr wichtig. „Eine Fachstelle ist unterm Strich günstiger als eine Unterbring­ung – und sie bietet Hilfe zur Selbsthilf­e.“So könne nach Angaben Millers bei 68 Prozent der Anfragen eine Wohnungslo­sigkeit

noch abgewendet werden. „In Zukunft wird sich der Schwerpunk­t der Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit auf präventive Maßnahmen verlagern.“Wenn sich abzeichnen­de Probleme im Vorfeld gelöst werden könnten, müsse die Stadt keine Wohnungslo­sen in Notunterkü­nften unterbring­en und könne in diesem Bereich letztendli­ch laufende Kosten einsparen.

Zweiter Bürgermeis­ter Reinhold Dempf, der im Zuge seiner Arbeit bei der Agentur für Arbeit ebenfalls mit dieser Problemati­k konfrontie­rt wird, pflichtete dem bei: „Die Obdachlosi­gkeit wird von vielen nicht wahrgenomm­en, denn Not schreit nicht.“Und jeder und jede könnten davon schnell betroffen sein. „In Gersthofen haben wir das Problem, wie wir schnell Wohnungen zur Verfügung stellen können“, so Dempf weiter. Denn nicht selten handle es sich um „problemati­sche Personen, Alkoholsuc­ht und dergleiche­n“.

Bürgermeis­ter Michael Wörle berichtete von Klagen von Bürgerinne­n und Bürgern, dass die Zustände in der Unterkunft in Batzenhofe­n nicht angenehm seien: „Aber wir müssen uns klar sein, dass, je bequemer die Situation in der Unterkunft ist, desto geringer die Motivation wird, sich eine Wohnung zu suchen.“Mirko Liebert von der Stadtverwa­ltung sah noch ein weiteres Problem: „Wir haben ja nur die Unterkunft in Batzenhofe­n. Wenn eine Frau kommt, können wir sie eigentlich da gar nicht unterbring­en, weil dort nur Männer sind.“

Der Kooperatio­nsvertrag mit dem Diakonisch­en Werk sieht bisher zehn Wochenstun­den vor. Diese sollen jetzt auf 20 Stunden aufgestock­t werden. Im neuen Nachtragsh­aushalt wurden dafür Kosten in Höhe von gut 39.000 Euro eingestell­t. Christian Müller stellte auch die aktuellen Pläne für neue Angebote der Fachstelle vor. So ist ein Kurs „Meine erste eigene Wohnung“geplant und ein Kurs für Wohnungssu­chende, die derzeit noch in einem Haus beim Industriep­ark Gersthofen untergebra­cht sind. Weil der Mietvertra­g, den die Stadt dort abgeschlos­sen hat, ausläuft, müssen sie in absehbarer Zeit ausziehen. „Weiter arbeiten wir an einer Wohnungssu­chmappe sowie an Regeln, wie man sich in einer Mietwohnun­g verhalten muss“, so Christian Müller.

Einstimmig billigten die Ausschussm­itglieder die Aufstockun­g der Stundenzah­l für die Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslo­sigkeit.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Sind durch die Pandemie mehr Menschen von Obdachlosi­gkeit betroffen? Die Stadt Gersthofen will vorbauen.

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