Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Was muss geschehen, damit es hier nicht passiert?
Die Bilder der Flutkatastrophe aus Westdeutschland schockieren und rufen böse Erinnerungen ins Gedächtnis. Wie ist der Landkreis Augsburg gegen Extremwetter gewappnet?
Landkreis Augsburg Bei den Bildern von der Unwetter-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz läuft es Reinhold Steber aus Langenneufnach eiskalt den Rücken hinunter. Der ehemalige Maschinenbauer bei Osram in Augsburg war früher bei Schulungen im betroffenen Euskirchen. „Dort ist es ähnlich wie in den Stauden. Nur die Täler sind etwas enger.“Vor einem Monat musste Steber selbst hilflos mit ansehen, welche Kraft Wasser entwickelt.
Nach einem mehrstündigen Starkregen lief nachts ein Sturzbach durch sein Anwesen und riss einen Weg auf. Im Boden klaffte ein zweieinhalb Meter tiefes Loch. Die Kellerfenster im neu gebauten Haus seines Sohns wurden eingedrückt. Der Keller lief voll, das Wasser stand einen halben Meter hoch. Die ganze Nacht mussten die Stebers pumpen. Wenn es jetzt nachts wieder stärker regnet, dann sei an Schlaf kaum zu denken, sagt Reinhold Steber. Dann dreht sich das Gedankenkarussell: Passiert es wieder? Nach der Katastrophe in Westdeutschland stellt sich jetzt noch eine andere Frage: Was muss vor Ort passieren, damit es nicht mehr passiert?
Der Fischacher Bürgermeister Peter Ziegelmeier hat mehrere Ansätze. Seine Gemeinde hatte es in den vergangenen Wochen nach Starkregen immer wieder getroffen.
Am Zusammenfluss von Schmutter und Neufnach kam es zu Überflutungen. Ziegelmeier sieht die Versiegelung von Flächen als wesentliches Problem. Eine Möglichkeit wäre es, in Bebauungsplänen Versiegelungsflächen auszuschließen. Das heißt: mehr Rasen statt Stein in den Gärten.
In Königsbrunn ist Flächenversiegelung ein großes Thema. „Seit ein paar Jahren führen wir im Stadtrat lebhafte Diskussionen um das richtige Maß der baulichen Nachverdichtung auf den Baugrundstücken“, sagte Bürgermeister Franz Feigl. Eine große Herausforderung für Kommunen: „Sie haben die Aufgabe, sowohl eine verträgliche Nachverdichtung im innerstädtischen Bereich als auch eine maßvolle Baulanderweiterung unter Berücksichtigung der veränderten klimatischen Bedingungen zu entwickeln.“
Auch Schwabmünchens Bürgermeister Lorenz Müller kennt diesen Spagat: „Auf der einen Seite ist die Nachfrage nach Wohnraum bei uns riesig, auf der anderen Seite will man natürlich nicht noch mehr Fläche versiegeln.“Deshalb habe man beim neuen elf Hektar großen Baugebiet im Südwesten der Stadt auch den Schwerpunkt auf Mehrfamilienhäuser gelegt. „Grundstücke mit 1000 Quadratmetern sind einfach nicht mehr zeitgemäß.
Wir müssen mehr Wohnungen auf der Fläche unterkriegen, und das geht nur, wenn man in die Höhe baut.“Auch Rückhaltebecken und Grünstreifen, in denen das Wasser versickern kann, seien in dem Baugebiet geplant. Helfen könnten laut Fischachs Bürgermeister Ziegelmeier auch Landwirte, indem sie große Mais-Anbauflächen mit Grünstreifen unterbrechen. Schließlich gibt es einen Zusammenhang, wie die Studie „Starkregen, Bodenerosion, Sturzfluten“zeigt. Ein Ergebnis ist, dass durch Maisanbau mehr Erde abgetragen und der Wasserabfluss erschwert wird.
Die Untersuchung nahm schon vor einigen Jahren den Maisanbau in Niederbayern unter die Lupe. Das Problem: Das Saatgut treibt spät aus, die Äcker liegen bis in den Juni blank da. Bis dahin ist ihr Erdreich
schutzlos ausgeliefert. Die Folge sind Abschwemmungen von Erdreich. Ob sich durch neue Rückhaltebecken die Wassermassen aufhalten lassen, bezweifelt Fischachs Bürgermeister Ziegelmeier. Er sagt: „So viele Becken können wir gar nicht mehr bauen.“Auch größere Kanäle im Untergrund, die mehr Wasser aufnehmen, seien als Lösung für ihn kaum vorstellbar.
Denn: „Das lässt sich nicht finanzieren.“Könnten eigene Regenwasserkanäle helfen? Im neuen Baugebiet von Königsbrunn – 1000 Menschen sollen einmal am östlichen Stadtrand ein zu Hause finden – wird so ein Kanalsystem geplant. Es ist der erste in der größten Stadt im Landkreis. Die Stadtverwaltung will ihn nach den jüngsten Ereignissen in seiner Dimensionierung nochmals überprüfen lassen.
Mit Blick auf die Bilder aus Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen sagt der Nordendorfer Bürgermeister Tobias Kunz: „Zum Glück befinden wir uns nicht in einem Bergkessel.“Auf dem BayernAtlas, einer digitalen Sammlung amtlicher Karten, kann er genau sehen, wie die Schmutter über seinen Heimatort käme. Hinter Westendorf, das schon durch einen neuen Deich geschützt ist, verließe das
Flüsschen bei einem sogenannten hundertjährlichen Hochwasser sein Bett und würde über die Felder nach Nordendorf strömen.
Für diesen Tag hat Nordendorf einen Notfallplan. Darin steht, wie schnell Helfer mobilisiert werden können, bei wem in der Eile Geräte und Material aufgetrieben würde, um die Deiche zu sichern und – ganz wichtig – wie die Nordendorfer gewarnt werden können. Kunz: „Liegt alles in der Schublade. Hoffentlich bleibt es dabei.“
Das letzte größere Hochwasser in Nordendorf liegt schon einige Jahre zurück. In der Folge von 2005 wurde mit den Planungen für einen besseren Hochwasserschutz begonnen, sie scheiterten zwischenzeitlich an der Finanzierung. Jetzt gibt es einen neuen Plan.
Im Sommer soll die Finanzierung der Planungsarbeiten durch den Freistaat stehen, im Winter soll ein Planungsbüro beauftragt werden, es schließt sich ein längerer Genehmigungsprozess an.
Bis die Bagger rollen, werden also noch einige Jahre vergehen. Kunz sieht dennoch einen Fortschritt, den er auch der Unterstützung der Landtagsabgeordneten Johann Häusler und Fabian Mehring (Freie Wähler) zu verdanken habe. „Jetzt haben wir zumindest einen ZeitNiederschlägen plan.“Vorgesehen ist, den bestehenden Deich zu erhöhen sowie einen neuen um ein Baugebiet zu ziehen. An der jetzigen Schmutterbrücke sollen eine Art Flutmulde und ein neuer Flussarm entstehen. Bis es soweit ist, bleiben in Nordendorf nach starken Regenfällen nur bange Blicke auf die Pegelstände.
Gewehr bei Fuß steht Konstantin Wamser. Der stellvertretende Ortsbeauftragte des THW in Schwabmünchen sagt: „Wenn es am Wochenende wieder schlimmer werden sollte, kann es sein, dass wir noch zu Hilfe gerufen werden.“Derzeit sind aus Bayern vor allem THW-Helfer aus Franken im Einsatz, weil die näher an den Brennpunkten im Westen Deutschlands sind. „ Wamser glaubt, dass Deutschland trotz der verheerenden Ereignisse im Westen des Landes verhältnismäßig gut für Katastrophenfälle gerüstet ist: „Da hat schon ein Umdenken stattgefunden und die Politik hat viel in den Katastrophenschutz investiert.
Das gilt auch für unseren Landkreis, der dafür gesorgt hat, dass wir ein großes Notstromaggregat bekommen haben. Da haben wir uns eine gewisse Expertise erarbeitet, was auch wichtig ist. Denn wenn über längere Zeit der Strom ausfällt, bricht ganz schnell alles zusammen.“