Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Frage der Woche Schnell mal ein Buch schreiben?
Im Ranking der vielen Träume, die nie verwirklicht werden, steht das Bücherschreiben vermutlich unter den Top 10. Was nicht daran liegt, dass es den Menschen an Ideen fehlt, sondern meist an der Zeit. Die Menge der ungeschriebenen Bücher übersteigt die Menge der geschriebenen daher um ein vielfaches. Tausende von Lebensgeschichten, Liebesromanen, Kinderbüchern oder philosophischen Abhandlungen bleiben Stückwerk in den Köpfen der verhinderten Autorinnen und Autoren, die stattdessen Brötchen backen, Finanzfonds verwalten, Kinder erziehen, eine Partei leiten oder die sich vielleicht einfach nicht trauen, weil sie sich als Messlatte so jemanden wie Peter Handke, Juli Zeh oder Robert Habeck nehmen. Am Ende gar an Franz Kafka denken: „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“So ein Satz, der kann einem natürlich Angst machen. Was, wenn das eigene Werk nur ein stumpfes Buttermesserchen wird ... Lieber deshalb an Mark Twain denken – „Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen“– und sich einfach mal hinsetzen und anfangen! Erster Satz, zweiter Satz, dritter Satz ... Klingt jetzt natürlich banal, als ob es so einfach wäre, weil denken muss man ja auch beim Schreiben – und zwar, ähem, vor allem auch die eigenen Gedanken (sonst schreit vielleicht jemand Plagiat). Wobei auch nicht wenige ziemlich gute Bücher entstanden sind, wenn die Autoren und Autorinnen eigentlich nicht mehr Herr oder Frau ihrer Sinne waren – Schreiben und Rausch, ein eigenes Thema. Das Entscheidende aber ist doch dies: Bevor all die ungeschriebenen Sätze einem schwer im Kopf herumliegen, lieber mal raushauen. Sich befreien. Schreiben wagen! Und beim zweiten Buch dann die Fehler, die einen beim ersten passiert sind, vermeiden. E in Buch kann für die Ewigkeit halten. Manch ein literarisches Werk erfreut sich selbst nach Jahrtausenden noch großer Beliebtheit. Wären Platon und Herodot heute noch in jeder Bibliothek vertreten, wenn sie ihre Werke schnell hingehudelt hätten? Wahrscheinlich nicht.
Damit ein Buch so lange überdauert, braucht es Beliebtheit und ein gewisses Maß an Qualität. Bei beidem hilft es ganz enorm, wenn man sich die nötige Zeit nimmt. Das hat vor kurzem auch Annalena Baerbock erfahren, als sie ihre Überzeugungen in einem Buch darlegen wollte. Dass sich 240 Seiten nicht so spontan schreiben lassen, wusste auch Frau Baerbock. Sie behalf sich, wie in den Medien zu lesen war, mit ihren Angestellten in der Parteizentrale, die als Hilfsautoren und Rechercheassistentinnen verpflichtet wurden. Das Resultat ist allen, die in den letzten Wochen die Bundespolitik verfolgt haben, bekannt: abgeschriebene Stellen und (den Kritiken zufolge) überschaubare literarische Qualität. Bei der ganzen Affäre handelt es sich zweifelsohne um eine Lappalie. Dennoch deutet sie darauf hin, dass es Baerbock nicht um die schriftstellerische Betätigung ging. Wenn man sein Buch möglichst schnell schreiben will, tut man das nicht, weil man genug zu sagen hat, um ein Buch vollzuschreiben. Man will Status, will seinen Ruhm zu Geld machen, will sich intellektuell profilieren. Baerbock wäre bei weitem nicht der erste Mensch in der Politik, dem das so geht. Dennoch: All das sind schlechte Gründe, um ein Buch zu schreiben. Wer eine Idee hat, die es verdient, auf mehreren hundert Seiten erzählt zu werden, sollte sich auch die Zeit nehmen, das anständig zu tun. Und was sind schon ein, zwei Jahre, wenn man etwas für die Ewigkeit geschrieben hat?