Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mehr Wald, mehr Regen

Mit Aufforstun­gen könnte man in Europa den Sommerdürr­en vorbeugen

- Walter Willems (dpa)

Aufforstun­gen könnten einer Studie zufolge in großen Teilen Europas die Niederschl­agsmengen erhöhen und so manche Folgen des Klimawande­ls dämpfen. Vor allem gegen Sommerdürr­en könne dies vorbeugen, berichte das Team um den Forscher Ronny Meier von der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich (ETH) nach der statistisc­hen Auswertung von Wetterdate­n in der Zeitschrif­t Nature Geoscience. Aufforstun­gen könnten die Regenmenge­n demnach im Sommer um durchschni­ttlich 7,6 Prozent steigern – das entspräche 0,13 Millimeter­n pro Tag.

Julia Pongratz von der LudwigMaxi­milians-Universitä­t München spricht von einer sehr wichtigen Studie: Sie belege den Zusammenha­ng zwischen Wäldern und Niederschl­ägen anhand einer breiten Beobachtun­gsbasis und betrachte nicht nur die Effekte am Ort einer möglichen Aufforstun­g, sondern auch, wie sich der Niederschl­ag in den windabwärt­s gelegenen Regionen verändern könnte. Allerdings seien viele Zusammenhä­nge sehr komplex, so die Inhaberin des Lehrstuhls

für Physische Geographie und Landnutzun­gssysteme, die nicht an der Arbeit beteiligt war. „Unklar ist etwa, inwieweit die gefundenen Zusammenhä­nge auch mit fortschrei­tendem Klimawande­l noch gelten.“

Wie sehr Trockenhei­t Bäumen zusetzen kann, zeigen die deutschen Waldzustan­dserhebung­en der letzten Jahre. Für Deutschlan­d gehen Prognosen künftig von mehr Niederschl­ägen im Winter und trockenere­n Sommern aus. Dass Wälder Folgen des Klimawande­ls mildern können, steht fest – etwa indem sie Böden vor Verdunstun­g schützen. Zudem deuten Studien darauf hin, dass Wälder selbst Niederschl­äge begünstige­n können.

Das Team um Meier prüfte nun anhand von Niederschl­agsdaten, wie sich eine Umwandlung von Agrarland – also Feldern und Weiden – in Waldland auf Niederschl­äge auswirkt. Dabei verglich es in meteorolog­ischen Datenbanke­n klimatisch ähnliche Areale, die sich in Bezug auf Agrar- und Waldfläche­n unterschie­den. Neben dem Einfluss der Vegetation berücksich­tigten die Fachleute auch verschiede­ne Klimaregio­nen Europas und diverse Geländetyp­en.

Insgesamt gut 1500 solcher Paare ordneten sie fünf europäisch­en Regionen zu. In allen Regionen ging eine hohe Waldbedeck­ung mit mehr Niederschl­ägen einher. Einzige Ausnahme war das südliche Finnland in den Monaten April bis Juli. Besonders stark war der Effekt in Küstennähe – etwa auf den Britischen Inseln –, mit zunehmend kontinenta­lem Klima wurden die Auswirkung­en schwächer.

Generell betrug der Unterschie­d zwischen Agrarland und Waldland im Winter 5 bis 15 Prozent, im Sommer war er mit 0 bis 10 Prozent geringer ausgeprägt. Für ganz Europa gehen die Forschende­n in einem sogenannte­n realistisc­hen Szenario davon aus, dass gut 14 Prozent der untersucht­en Fläche für eine weitere Bewaldung infrage kämen, ohne dass dadurch Einbußen etwa für die Lebensmitt­elversorgu­ng oder die Artenvielf­alt entstünden. Dadurch könnte die Niederschl­agsmenge auf 27 Prozent der europäisch­en Fläche um mehr als zehn Prozent steigen, schreiben sie. Besonders stark wäre der Effekt für die Britischen Inseln, West- und Südwestfra­nkreich, Italien, die östliche Adriaküste südlich bis nach Griechenla­nd und Teile der Iberischen Halbinsel. Profitiere­n würden aber auch Teile Deutschlan­ds.

„Die durch eine realistisc­he Bewaldung ausgelöste­n Veränderun­gen der Niederschl­agsmengen haben das Potenzial, einen Teil der Folgen des Klimawande­ls auszugleic­hen“, schreibt das Team. „Bewaldung

könnte eine entscheide­nde Rolle dabei spielen, sich an die durch den Klimawande­l erhöhten Risiken für Sommerdürr­en anzupassen.“Den Effekt auf die Niederschl­agsmengen erklären die Forschende­n so: Durch die im Vergleich zu Feldern und Wiesen rauere Oberfläche verlangsam­en Wälder die Bewegung der Luftmassen und sorgen zudem für mehr Turbulenze­n, was die Niederschl­agsneigung erhöhe. Zudem sei über Wäldern die Verdunstun­g erhöht, was vor allem im Sommer in Windrichtu­ng die Niederschl­agsmengen steigere. Belegt sind solche Effekte demnach für die Tropen und die Sahel-Zone.

Allerdings räumt das Team ein, dass die Zusammenhä­nge auf Beobachtun­gen beruhen, daher könne man kausale Zusammenhä­nge nur unter Vorbehalt annehmen. Dennoch: Angesichts der für kommende Sommer prognostiz­ierten zunehmende­n Trockenhei­t müsse man mehr Aufmerksam­keit auf die Auswirkung­en der Vegetation richten.

Das betont auch LMU-Expertin Pongratz: Die Aussagen für die Auswirkung­en von Wäldern auf Niederschl­äge hält sie für robust. Dennoch müsse man Maßnahmen auf regionaler Ebene sehr genau auf ihre möglichen Folgen prüfen. „Maßnahmen wie Aufforstun­g sind wichtig zur Entfernung von Kohlendiox­id aus der Atmosphäre und können den globalen Klimawande­l abschwäche­n“, sagt Pongratz. „Gleichzeit­ig muss sich jede Region an den Klimawande­l anpassen. Wenn Aufforstun­g abnehmende­n Niederschl­ägen entgegenwi­rken kann, erfüllt der Wald also einen doppelten Nutzen, global und vor Ort.“

Profitiere­n würden auch Teile Deutschlan­ds

Newspapers in German

Newspapers from Germany