Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Schlossherr
Hartmut Dorgerloh leitet als Generalintendant das Berliner Humboldt-Forum. Er gilt nicht als großer Visionär, aber als smarter, gut vernetzter Kommunikator
Es gibt Lebenswege, die kreuzen wild hin und her, etliche Irrfahrten eingeschlossen. Und dann solche, die zumindest aus der Distanz so aussehen, als habe sie jemand am Reißbrett entworfen, vorgezeichnet in gerader Linie. Als hätte also Hartmut Dorgerloh, 59, Potsdamer Pfarrerssohn, gar nirgends anders in seiner Karriere landen können als exakt an jenem Platz: nämlich im Berliner Stadtschloss als Generalintendant des Berliner Humboldt-Forums. Seit 2018 leitet er das Kultur- und Ausstellungszentrum, das nach vielen Verzögerungen, erst bau- dann coronabedingt, nun mit sechs Ausstellungen für Besucher eröffnet.
Etwa 40 Kilometer Luftlinie trennen seinen ersten von seinem jetzigen Arbeitsplatz: Als 13-Jähriger jobbte Dorgerloh in Schloss Sanssoucci als Aufsicht in der Orangerie, dann wurde er Schlossführer, auch für Cecilienhof und Charlottenhof. „Damals habe ich gelernt zu reden und die Leute für etwas zu gewinnen“, sagt Dorgerloh – was für seinen jetzigen Posten vielleicht mit zur wichtigsten Qualifikation zählt.
Einen Visionär hatten sich manche für den Intendanten-Job gewünscht, einen internationalen Museumsstar wie Gründungsintendant Neil MacGregor und nicht einen „geräusch- und farblosen Verwalter“, wie ihn der Spiegel nannte. Kulturstaatsministerin
Monika Grütters aber erwartete von ihrem Wunschkandidaten für den Job in der umstrittensten deutschen Kulturinstitution vor allem dies:
Endlich mal
Ruhe in die Debatte bringen, die erhitzten Gemüter beruhigen und das ganze Projekt störungsfrei voranbringen... Er sei „ein erfolgreicher Praktiker mit hoher eloquenter Vermittlungskompetenz“, lobte sie den international gut vernetzten Kunsthistoriker bei dessen Ernennung. Aber Dorgerloh ist eben auch einer, der weiß, wie zugig und ungemütlich es in Schlössern zugehen kann. Als Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, kurz SPSG, hatte er zuvor eineinhalb Jahrzehnte 600 Millionen Euro für die preußischen Schlösser eintreiben können, saniert, modernisiert und für Glanz mit viel diskutierten Ausstellungen gesorgt, aber eben auch: Mit den
Potsdamern unter anderem über einen Pflichteintritt im Weltkulturerbe und Radwege gestritten... Dass er nach seinen Stationen in Preußens Schlössern nun als Schlossherr in einer Attrappe sitzt, birgt eine gewisse Ironie – wie im Übrigen auch die Tatsache, dass er einst zu den Kritikern des Wiederaufbaus zählte.
Er wisse, worauf er sich einlasse, hatte Grütters bei der Wahl erklärt. Was beim Humboldt-Forum als Haus der Kontroverse auch bedeutet: Vor allem auf Debatten – übers Kreuz auf der Kuppel, zuletzt darum, wie man mit Raubkunst wie den Benin-Bronzen verfahren soll. Worauf hat er sich also eingelassen? Die Frage beantwortet Dogerloh, Vater eines Sohnes, im Interview mit der Welt so: „Auf ein Abenteuer wie Alexander von Humboldt. Der wollte dorthin, wo ihn spannende Dinge erwarten.“Stefanie Wirsching