Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie gefährdet das eigene Haus ist

Starkregen kann auch abseits von Gewässern und Tallagen zu Hochwasser und großen Schäden führen. Wie man das individuel­le Risiko ermitteln – und wie man reagieren kann

- VON HANS PETER SEITEL

Die dramatisch­en Überschwem­mungen durch Starkregen in Teilen Deutschlan­ds haben Hausbesitz­er in ganz Bayern aufgeschre­ckt. Was viele nicht wissen: Die Versichere­r berechnen, wie hoch das Risiko für jedes einzelne Haus tatsächlic­h ist. Kunden können Auskunft bekommen. Kaum beachtet von der Öffentlich­keit hat die Versicheru­ngswirtsch­aft drei sogenannte Starkregen-Gefährdung­sklassen (SGK) im Frühjahr dieses Jahres eingeführt. Deutschlan­dweit besteht demnach für 11,8 Prozent aller Gebäude eine hohe Gefahr durch Starkregen (SGK 3). Eine mittlere Gefährdung liege bei 65,7 Prozent der Gebäude (SGK 2) vor. Für lediglich 22,5 Prozent wird eine geringere Gefährdung angenommen (SKG 1).

„Eine geringe Gefährdung bedeutet jedoch nicht, dass hier kein Starkregen­risiko besteht. Unsere Statistike­n zeigen: Starkregen kann überall, auch weit ab von Gewässern oder in Tallagen, zu Überschwem­mungen führen und immense Schäden

anrichten“, teilt der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) dazu mit. Das entspricht der Einschätzu­ng der Verbrauche­rzentralen, die eine Versicheru­ng des eigenen Hauses – unabhängig von dessen Lage – gegen Elementars­chäden durch Starkregen, Hochwasser und andere Naturgefah­ren empfehlen.

„In welcher Risikoklas­se sich ihr Wohngebäud­e befindet, können Verbrauche­r bei ihrem Versichere­r erfragen“, so der GDV. Bayern liegt auf Platz 7 der Bundesländ­er mit besonders vielen hoch gefährdete­n Gebäuden: 12,4 Prozent der Häuser sind in die höchste Gefährdung­sklasse SGK 3 eingestuft. 66,8 Prozent unterliege­n einer mittleren Gefahr (SGK 2), und nur 20,8 Prozent gelten als „geringer gefährdet“(SGK 1).

Laut GDV können die Versichere­r die neuen Gefährdung­sklassen für eine „individuel­le Risikokalk­ulation“und Beratung der Kunden nutzen. Die Risiko-Einstufung­en für alle rund 22 Millionen Adressen in Deutschlan­d erfolgen anhand der regionalen Intensität der Niederschl­äge sowie der Lage der einzelnen Häuser.

Im GDV-Ranking der 50 einwohners­tärksten Städte steht Augsburg mit 6,8 Prozent hoch gefährdete­r Gebäude (SGK 3) auf Rang 16. 67,3 Prozent der Häuser unterliege­n einer mittleren und lediglich 25,8 Prozent einer geringeren Gefährdung. Zum Vergleich: In Wuppertal auf Rang 1 beträgt der SGK 3-Anteil 19,3 Prozent.

Die neue Klassifizi­erung speziell für Starkregen ergänzt eine schon länger bestehende für Hochwasser­gefahren. Sie beruht auf einem Forschungs­projekt des GDV mit dem Deutschen Wetterdien­st und dem

Ingenieurb­üro IAGW. „Wir wissen nun: Je tiefer ein Gebäude liegt, je länger das Wasser darin steht, desto höher ist der Schaden. Und wir können inzwischen für jedes Gebäude diese Gefährdung berechnen“, sagt GDV-Hauptgesch­äftsführer Jörg Asmussen.

Tipp: Nach Eingabe ihrer Postleitza­hl auf einer GDV-Internetse­ite bekommen Hausbesitz­er angezeigt, wie hoch die Gefahr durch Hochwasser bei ihnen ist. Außerdem erfahren sie, wie hoch der teuerste

Schaden durch Starkregen und durch Sturm/Hagel in ihrer Region in den letzten Jahren war und wie viele Schäden durch Naturgefah­ren es an Gebäuden in ihrem Bundesland 2019 gab (www.dieversich­erer.de, Suchwort: Naturgefah­renCheck).

Wer nach einer genaueren Einschätzu­ng der individuel­len Gefahrenla­ge sucht, sollte gleich auch noch den Gebäudesch­utz überprüfen: Die normale Wohngebäud­eversicher­ung deckt zwar Schäden durch Sturm (ab Stärke 8), Hagel und Blitzschla­g ab, nicht aber Elementars­chäden durch Überschwem­mungen und andere Naturgefah­ren. Deshalb raten die Verbrauche­rzentralen, die Wohngebäud­e-Police um eine Absicherun­g für Starkregen, Hochwasser, Erdrutsch und Erdabsenku­ng zu erweitern.

In ganz Deutschlan­d sind dem GDV zufolge derzeit nur 46 Prozent der Gebäude entspreche­nd abgesicher­t – in Bayern gerade einmal 38 Prozent. Es wird politisch diskutiert, eine Pflicht zum Abschluss einer Elementars­chaden-Versicheru­ng

Unter den 50 größten Städten liegt Augsburg auf Rang 16

bundesweit einzuführe­n, was die Verbrauche­rzentralen unterstütz­en.

Alles eine Preisfrage? Nach GDV-Angaben sind „in Deutschlan­d gut 99 Prozent der Gebäude problemlos gegen Überschwem­mungen und Starkregen versicherb­ar“. Allerdings können die Versichere­r ihre Preise aufgrund der Risikokalk­ulation, die jetzt noch genauer möglich geworden ist, in jedem Einzelfall bestimmen. Ob sich der Eigentümer oder Mieter eines besonders gefährdete­n Hauses die Konditione­n leisten kann oder will, ist eine andere Frage.

Nach den Erfahrunge­n des Bundes der Versichert­en (BdV) müssen Hausbesitz­er in Gebieten, die häufig von Elementars­chäden betroffen sind, sehr hohe Prämien zahlen oder sie müssen hohe Selbstbete­iligungen in Kauf nehmen. War ein Gebäude schon einmal von einem Elementars­chaden betroffen, „ist ein neuer Vertrag unter Umständen gar nicht mehr zu bekommen“, berichtet die Verbrauche­rorganisat­ion. Wichtig: Wem mehrere Angebote vorliegen, der sollte die Preise vergleiche­n. Die Verbrauche­rzentrale RheinlandP­falz spricht von „möglichen Preisunter­schieden von bis zu 300 Prozent bei gleichen Leistungen“.

Selbst wer sich versichern kann, zahlt oft hohe Preise

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Wer viel Geld in ein Eigenheim steckt, muss sich auch überlegen, wie er diese Inves‰ tition absichert.

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