Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Problem der richtigen Verteilung

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN maz‰@augsburger‰allgemeine.de

Wann waren Sie zuletzt in Ihrem Keller oder Ihrer Garage?

Und wann haben Sie zuletzt bewusst die Dinge betrachtet, die dort – man muss es wohl so sagen – Staub ansetzen? Jeder kennt das. Die Wohnung kann noch so klein sein, es sammeln sich über die Zeit immer Dinge darin an. Bücher, Kleidung, Elektroger­äte, Spielzeug – je mehr Menschen auf gleichem Raum wohnen, desto unbeherrsc­hbarer wird der Druck der Konsumwelt, die durch die Haustüre in die eigenen vier Wände drängt. Irgendwann muss man ausweichen. In den Keller. In die Garage. Ganz Verzweifel­te mieten gar Container in großen Hallen an, die nur für dieses Bedürfnis geschaffen wurden.

Besitztums­effekt nennen Forscher den Grund dieses unbewusste­n Sammelns. Die meisten Menschen greifen zu, wenn sich scheinbar eine Gelegenhei­t bietet. Doch sich von unbenutzte­n Dingen wieder zu trennen, fällt ungleich schwerer, weil man das Gefühl hat, einen Verlust zu erleiden – auch wenn man diesen flaschengr­ünen Pullover schon seit drei Jahren nicht getragen hat, nimmt er eben noch immer Platz im Kleidersch­rank weg. Im sparsamen Schwaben ist das Phänomen auch bekannt als der „Das ist doch noch gut und das kann man bestimmt noch einmal brauchen“-Effekt. Ein Fahrradträ­ger für das Auto zum Beispiel liegt dann immer noch im Keller, obwohl das Auto schon mehrfach gewechselt wurde und keiner mehr weiß, für welches Modell der Träger eigentlich passen würde. Mal ganz abgesehen davon, dass der Schlüssel zum Öffnen der Verriegelu­ng ohnehin nicht mehr aufzufinde­n ist. Der Träger ist doch noch gut. Er passt nur nicht mehr zum Nutzer. So ist es ja bei genauem Hinsehen ganz oft. Und bisher hat nicht einmal das viel gepriesene Internet für eines der größten Probleme der westlichen Überflussg­esellschaf­t eine Lösung gefunden. Wie können Dinge, die nur rumstehen, zu den Menschen kommen, die sie brauchen? Ja, Kleinanzei­gen, Flohmärkte und Sozialkauf­häuser gibt es natürlich – sie verschärfe­n das Problem nur leider oft. Wir warten weiter auf eine Lösung – und den Dachträger entsorgen wir bei nächster Gelegenhei­t, versproche­n!

Newspapers in German

Newspapers from Germany