Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Helge Schneider gar nicht froh

Der Künstler bricht sein Konzert beim Augsburger „Strandkorb Open Air“völlig unvermitte­lt ab. Querdenker feiern ihn dafür. Was Schneider selbst dazu sagt

- VON TIM FREHLER, WOLFGANG LANGNER UND SARAH RITSCHEL

Augsburg Für Tina und Sebastian ist das Wochenende gelaufen. Um Helge Schneider zu sehen, sind die beiden bis aus Ilmenau in Thüringen gekommen. „In Gersthofen haben wir für das Wochenende ein Zimmer in einem Hotel gebucht“, sagt Tina, die nur beim Vornamen genannt werden möchte, am Freitagabe­nd auf dem Augsburger Messegelän­de. Doch das Konzertver­gnügen ist kurz. Mit dem schönen Wochenende ist es nichts geworden. Der Komiker und Musiker hat sein Konzert beim „Strandkorb“-Festival in Augsburg nach knapp 40 Minuten abgebroche­n.

Jetzt habe der Veranstalt­er einen Anwalt eingeschal­tet, sagt die Sprecherin der „Strandkorb“-Festivalre­ihe in Augsburg und Rosenheim, Birgit Gibson, am Sonntag. Nun werde etwa geprüft, ob Schneider Schadeners­atz leisten müsse. Schneiders Management gab am Sonntag noch keine Stellungna­hme dazu ab.

Im Internet tost die Diskussion um Schneiders Entscheidu­ng seit Freitagabe­nd laut. Der Künstler verabschie­det sich beim Festival mit folgenden Worten von den Zuschaueri­nnen und Zuschauern: „Ich muss sagen, das geht mir ziemlich auf den Sack. Ich habe keine Lust mehr.“Er beklagt noch mehr: „Das macht wirklich keinen Spaß. Man kriegt keinerlei Kontakt zum Publikum. Hier laufen auch andauernd Leute rum. (...) Bitte habt Verständni­s dafür: Ich als Künstler kann unter diesen Umständen überhaupt nichts mehr machen.“Dann sagt Schneider noch: „Das System ist einfach fadenschei­nig und dumm.“

Gerade für den letzten Satz feiern danach Verschwöru­ngserzähle­r und -erzählerin­nen den 65-Jährigen: als Corona-Maßnahmenk­ritiker, als Mann mit „Mut, das System zu kritisiere­n“und als einen, der erkannt habe, dass „die Gesundheit nicht der Grund für solche Maßnahmen ist“, wie eine Nutzerin auf Twitter schreibt. Tausende anderer (einstiger) Fans nennen den Konzertabb­ruch schlicht „respektlos“.

Schneider selbst äußert sich am Samstag in einem Video zu seinen Gründen: Er habe das Konzert auf

massiver Störungen seitens der Gastronomi­e abgebroche­n, sagt er in einer Videobotsc­haft. Diese habe ihre Mitarbeite­r immer wieder an der Bühne vorbeigesc­hickt, um das Publikum mit Getränken zu versorgen. Er sei von diesem Verhalten immens gestört und abgelenkt worden und habe dadurch die

Konzentrat­ion nicht halten können, erklärt Schneider darin und klampft zwischendu­rch auf der Gitarre.

Eine Reaktion auf die Anerkennun­g durch sogenannte „Querdenker“lässt der Künstler auf Twitter folgen. „Querdenker und Co. können ihre Instrument­alisierung stecken lassen“, heißt es in einem Beigrund trag auf dem Profil „Helge Schneider News“– und erneut wird darauf verwiesen, dass der Künstler durch die Gastronomi­e abgelenkt gewesen sei.

Beim „Strandkorb Open Air“, das neben Augsburg auch in anderen Städten stattfinde­t, sitzen die Fans in Strandkörb­en unter freiem Himmel. Sie bekommen einen festen Korb zugewiesen, um Abstände zu anderen einzuhalte­n. Getränke und Speisen können die Gäste per App direkt an ihre Körbe bestellen.

Schon vor dem Konzertabb­ruch frotzelt Schneider auf der Bühne herum, aber die meisten Fans halten das für eine ironische Überspitzu­ng. Als er seinen berühmten Song „Katzeklo“schon angekündig­t hat, entscheide­t er sich für den Abbruch. Viele Besucher halten auch das für

„Ich muss sagen, das geht mir ziemlich auf den Sack. Ich habe keine Lust mehr.“Helge Schneider

einen Gag. Moderatori­n Marion Buk-Kluger versucht die Leute zu beschwicht­igen: „Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen. Wir versuchen Helge Schneider umzustimme­n.“Doch er kommt nicht wieder. Mittlerwei­le steht fest, dass die rund 900 Besucherin­nen und Konzertgän­ger in Augsburg den Eintrittsp­reis erstattet bekommen.

Wie später im Internet stößt Schneiders Abgang am Freitagabe­nd auch an der Messe auf gemischte Reaktionen. „Strandkorb“-Besucher Martin Uhl aus Tapfheim im Kreis Donau-Ries etwa meint: „Einerseits finde ich das ziemlich cool von ihm, anderersei­ts zahlst du 50 Euro für die Karte und kannst jetzt dem Geld hinterherl­aufen.“Jenny Juchem aus Augsburg hat dagegen eine andere Meinung: „Die Besucher gehen in diesen Zeiten einen Kompromiss ein, und den muss der Künstler ebenfalls eingehen. Ich finde dieses Zeichen von ihm uncool und unprofessi­onell.“

Ob der 65-Jährige seinen Auftritt in Augsburg nachholen wird, war auch am Sonntag noch unklar. Schneider selbst sagt dazu in seiner Videobotsc­haft: „Ich hoffe, dass wir uns wiedersehe­n – zu besseren Konditione­n.“

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Foto: Siegfried Kerpf Vor dem Song „Katzeklo“kommt der Konzertabb­ruch: Helge Schneider hatte bei sei‰ nem Auftritt in Augsburg nach 40 Minuten keine Lust mehr.
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Foto: Carstensen, dpa Mindestens 65 000 Menschen besuchten den CSD in Berlin.

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