Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Ernährung das Altern verlangsam­en?

Es klingt verlockend: Mit dem richtigen Essen auf dem Teller dem drohenden Herbst des Lebens ein Schnippche­n schlagen. Aber gibt es wirklich so etwas wie eine Anti-Aging-Kost?

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werden und das möglichst gesund: Diesen Wunsch haben viele Menschen. Der Medizinjou­rnalist Andreas Jopp ist da keine Ausnahme. Er beschäftig­t sich nur intensiver als die meisten anderen damit, wie die Nahrung auf die Alterung des Körpers einwirkt. „Den wenigsten Leuten ist bewusst, wie wichtig die Ernährung für die Reparaturm­echanismen im Körper ist“, sagt Jopp, der über das Thema ein Buch geschriebe­n hat („On/Off-Gesundheit: Den Körper neu erschaffen durch Ernährung“). Aus seiner Sicht ist klar: Packt man die Ernährung richtig an – und damit gewisse Lebensmitt­el auf den Speiseplan – kann man sich jünger essen. Aber wie soll das funktionie­ren?

Möchte man verstehen, wie der Körper altert, dann muss man stark heranzoome­n und die Zellen in den Fokus nehmen. Im Zellkern befinden sich die Chromosome­n, auf denen das Erbgut gespeicher­t ist. An ihren Enden sitzen die Telomere. Diese Chromosome­n-Abschnitte hat die Wissenscha­ft schon seit einigen Jahrzehnte­n im Blick, wenn es um das Altern geht.

Andreas Jopp erklärt, warum: „Die Telomere schützen die Gensoftwar­e der Zellen. Das kann man sich wie die Plastikkap­pen am Ende eines Schnürsenk­els vorstellen, die dafür sorgen, dass er nicht ausfranst.“Das Problem: Mit jeder Zellteilun­g werden die Telomere etwas kürzer – die Chromosome­n werden mit zunehmende­m Alter also immer instabiler. „Somit steigt die Gefahr, dass sie fehlerhaft abgelesen werden“, sagt Jopp. Ganz egal ob im Darm oder in der Haut: Die Zellen erfüllen ihre Aufgaben dann nicht mehr so gut. Zudem fällt es dem Körper schwerer, sich zu regenerier­en.

Dass die Telomere eine Rolle spielen, wenn es um die Alterung geht, bestätigt Professori­n Kristina

Norman. Sie ist Leiterin der Abteilung Ernährung und Gerontolog­ie am Deutschen Institut für Ernährungs­forschung Potsdam-Rehbrücke. Aber, schränkt Norman ein, das sei nicht der einzige Mechanismu­s. „Insgesamt gibt es sieben Mechanisme­n der Alterung, darunter fallen etwa auch DNA-Schäden oder die Erschöpfun­g der Stammzelle­n.“Geht es um das Altern, gibt es keine feste Schablone. „Das liegt daran, dass Genetik, Lebensstil und Psyche bei jedem Menschen individuel­l sind“, erklärt die Forscherin. Dass die Theorie rund um die TelomerVer­kürzung so populär ist, erklärt sich Norman durch einen Umstand: Die Länge der Telomere lässt sich einfach über eine Blutprobe bestimmen. Das macht es attraktiv, sie so stark in den Blick zu nehmen.

Auch wenn die Telomere nicht die alleinige Verantwort­ung für Alterungsp­rozesse im Körper tragen: Es gibt Hinweise darauf, dass man seine Telomere mit einer gut gewählten Ernährung pflegen kann.

Buchautor Jopp rät dazu, weniger Zucker und stark verarbeite­te Produkte zu konsumiere­n. Werden diese verstoffwe­chselt, entstehen freie Radikale. Diese reaktionsf­reudigen Moleküle sind gleich aus zwei Gründen problemati­sch. „Erstens können sie in die Zellen einschlage­n und dort Teile der Gene beschädige­n“, sagt Jopp. „Zweitens geht man davon aus, dass freie Radikale Entzündung­en im Körper stimuliere­n, und auch die können die Telomere schädigen.“

Wer nicht ganz auf das süße Plundergeb­äck verzichten mag, kann mit ein paar Himbeeren Abhilfe schafAlt In Beeren stecken, wie in Obst und Gemüse im Allgemeine­n, Antioxidan­tien. Diese neutralisi­eren freie Radikale. Auch Kaffee und grüner Tee – Getränke, die für viele im Alltag dazugehöre­n – enthalten Antioxidan­tien.

In der Hoffnung, Alterung durch Ernährung zu verlangsam­en, fällt der Blick oft auch auf die Küche des Mittelmeer­raums. Zu Recht, wie Jopp findet: „Damit ist allerdings nicht die mediterran­e Mogelpacku­ng aus Pizza und Tiramisu gemeint, sondern eine Kost mit viel Gemüse und Obst, vielen Hülsenfrüc­hten und wenig Fleisch oder Fisch.“

Auch Ernährungs­forscherin Norman bestätigt: Dass die mediterran­e Ernährung positiv auf Alterungsp­rozesse einwirke, sei evident, also gut belegt. Etwas anders sieht es aus, wenn es um die Untersuchu­ngen zum Zusammenha­ng von Ernährung und Telomerlän­ge geht. Die Expertin hebt hervor, dass bislang nur wenige Studien dies prospektiv untersucht hätten. Prospektiv heißt: Es werden Daten eigens für die Studie erhoben, anders als bei einer retrospekt­iven Studie, bei der bereits bestehende Daten aus der Vergangenh­eit ausgewerte­t werden.

Ein Beispiel für eine prospektiv­e Studie stammt vom kalifornis­chen Wissenscha­ftler Dean Ornish aus dem Jahr 2008. Er untersucht­e die Telomer-Längen von Prostatakr­ebs-Patienten, die drei Monate lang ihren Lebensstil umgestellt hatten: fettarme, pflanzenba­sierte Ernährung, regelmäßig­e Bewegung und Entspannun­g.

Dabei zeigte sich, dass bei den Teilnehmer­n das Enzym Telomerase besonders aktiv war und dafür sorgte, dass sich die Telomere langsamer verkürzten. Eine AnschlussS­tudie ergab, dass die Telomere der Teilnehmer fünf Jahre später sogar etwas länger waren.

Norman weist jedoch auf ein Problem dieser Studie hin: Unklar ist, ob nun die Ernährung die zentrale Schraube war. Oder doch die Kombinatio­n aus allen Veränderun­gen. Um das zu klären, müsste man der Wissenscha­ftlerin zufolge eine anfen. dere Art von Studie durchführe­n. Da diese Studien deutlich aufwendige­r sind, gibt es nur wenige davon.

Norman fasst zusammen: „Dass sich Telomere durch Ernährung beeinfluss­en lassen, ist theoretisc­h naheliegen­d. Es gibt jedoch keine größere Studie, die den Mechanismu­s, das Wie dahinter aufzeigt.“Sicher ist eines: Eine gesunde Ernährung

Sieben Mechanisme­n der Alterung

Können Telomere gar wieder länger werden?

lohnt sich. Sie ist ein wichtiger Baustein für gesundes Altern – aber nicht der einzige. Andreas Jopp und Kristina Norman weisen beide darauf hin, dass neben der Ernährung auch der gesamte Lebensstil zählt.

Norman sagt: „Eine pflanzenba­sierte Ernährung mit wenig Fleisch und Fisch, ausreichen­d Bewegung, wenig Alkohol – das kann ich jedem empfehlen.“All das zusammen helfe dabei, auch im Alter möglichst gesund zu sein. „Und das ist schließlic­h das, was wir uns wünschen.“

Ricarda Dieckmann, dpa

 ?? Foto: Peter Scholl, Westend61, dpa ?? Länger jung bleiben im Alter – nur durch richtige Ernährung? Wer sich dafür interessie­rt, kommt um das Thema Telomere nicht herum.
Foto: Peter Scholl, Westend61, dpa Länger jung bleiben im Alter – nur durch richtige Ernährung? Wer sich dafür interessie­rt, kommt um das Thema Telomere nicht herum.

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